Text: David Schnapp Fotos: Simon B. Opladen (HO)
Sie haben jahrelang geplant, Konzepte geschrieben und organisiert: Auf einer Skala von 1 bis 10, wie froh sind Sie, dass es am Donnerstag, 5. September 2019 endlich losgeht im Casino Bern?
Eindeutig 12! Meine Leidenschaft ist es, Gastgeber zu sein. Und die Erfüllung dieses harten Jobs ist es, unmittelbares Feedback von den Gästen zu bekommen. Das kann man in der Projektphase nicht, daher bin ich schon sehr froh, dass es jetzt los geht. Je grösser das Projekt, desto mehr Vorlauf braucht es. Und desto schwieriger ist es, am Schluss die Kraft auf den Boden zu bringen, ohne dass die Räder durchdrehen. Darum geht es jetzt.
Wie ist es als Koch, wenn man nur im Kopf am Herd steht?
Als ich vor rund 30 Jahren erstmals mit meinem Onkel in einem Gourmetlokal war, spielte das Ambiente überhaupt keine Rolle. Man hat das in den Top-Restaurants lange vernachlässigt, es ging nur um die Küchenleistung. Mein Fokus ist das Gesamtkonzept, die Küche allein genügt nicht. Es braucht den Service als Bindeglied zwischen Koch und Gast, viele Details machen ein gutes kulinarisches Erlebnis aus. Ich kann im Kopf nachvollziehen, was meine Küchenchefs auf den Teller bringen wollen und unterstütze sie dabei. Ich bin wie der Dirigent, der alles zusammenbringt und weiss, was es braucht, damit es beim Gast funktioniert, aber auch wirtschaftlich ist.
Bern entwickelt sich kulinarisch mit fast schon rasender Geschwindigkeit. Wo sehen Sie dafür die Gründe?
Der Boden war lange trocken. Irgendwann wurden die ersten Pflänzchen gesetzt und gewässert und plötzlich sieht man, dass sie ja wachsen und gedeihen. Es gibt aber auch ein neues Publikum, junge Gäste, die sich auf neue Konzepte einlassen. Das machen die Berner an sich gern, wenn es in Bern stattfindet.
Besonders auffällig ist das neue Bermuda-Dreieck zwischen Bellevue Palace, Casino und Steinhalle.
Das stimmt, wenn man es aus heutiger Sicht anschaut. Aber das Casino war schon 1909 «the place to be», seither engagiert sich die Burgergemeinde kulturell und gesellschaftlich für Bern. Nach 100 Jahre hat man gesagt, «wir richten das Casino neu aus und machen es fit für die nächsten 100 Jahre.» Wir bringen es wieder ins Gespräch und geben ihm die alte Grandezza zurück.
Ist das Casino eine Art «Game Changer» für die Restaurant-Szene?
Diese Geschichte hat sonst niemand, wir sind gewissermassen das Tor zur Altstadt, die Tür zum Unesco-Weltkulturerbe. Wir wollen ein Leuchtturm der Kulinarik werden, aber gleichzeitig wurde schon zuvor die ganze Aare-Zunge mit kleineren, innovativen Betrieben belebt. Wenn wir 1000 Leute an einer kulturellen Veranstaltung haben, können die anschliessend nicht alle bei uns essen. Manche werden deshalb in die vielen neuen Betriebe weiterziehen, die es mittlerweile gibt. So bringt das Casino neues Leben in die Gassen.
Auf der andern Seite der Aare-Brücke hat sich Markus Arnold mit seiner «Steinhalle» etabliert. Was haben Sie bei ihm abschauen können?
Markus und ich kennen uns schon lange, ich schätze ihn als Berufskollegen sehr und habe noch nie schlecht bei ihm gegessen. Er hat in Bern Dinge durchgesetzt, von denen viele gesagt haben, «das wird nie funktionieren»: kleine, kaum wechselnde Auswahl am Mittag, nur ein Menü am Abend, elektronisches Reservationssystem mit Vorauszahlung, mehrere Seatings pro Abend… Aber gerade die in Amerika gängige Praxis, dass man die Tische zweimal besetzt, habe ich für unser japanisches Restaurant übernommen. Markus bringt es auch betriebswirtschaftlich auf den Punkt. Er hat vieles probiert und das, was sich als funktionstüchtig erwiesen hat, optimiert.
Zurück zum Casino: Die Menüs sind geschrieben, Ihre drei Küchenchefs und Küchendirektor Florian Bettschen stehen bereit. Ist schon absehbar, welches Gericht ein «Casino»-Klassiker werden könnte?
Unser Chef-Patissier Samuel Dober wird im Bereich «Kaffee und Kuchen», Dessertwagen und beim hausgemachten Brot Massstäbe setzen. In der Bistrobar wird sich Dave Wälti erstmals richtig zeigen können, seine ersten Gerichte sind sehr subtil. Die Frage ist, ob das Publikum die Idee akzeptiert, dass man eher kleinere Portionen serviert, die sich stark an der Saison orientieren. Ich denke, dieses Bewusstsein von Saisonalität und Terroir ist nun schon fast in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Und im Haupt-Restaurant?
Bei Adrian Bürki gibt es eine glasierte Kalbshaxe, die auf der grossen Rôtisserie zubereitet, auf dem Wagen tranchiert und mit knusprigen Kartoffeln und etwas Beurre Noisette serviert wird – das ist einfach genial. Unsere Klassiker werden vermutlich die Grosses Pièces sein. Und schliesslich plane ich ein spezielles Meeres-Gericht, eine Mischung aus Paella und Bouillabaisse, die aber nicht mit Reis sondern mit Fregola Sarda zubereitet wird. Was auch immer wir zum Klassiker machen möchten, die Gäste werden es bestimmen.
Was wird Ihr Sushi-Meister Atsushi Hiraoka servieren?
Wir machen Sushi auf authentische japanische Art mit selbst fermentierten Saucen oder hausgemachtem Tofu. Aber wir verwenden zum Beispiel auch Schweizer Fische wie Zander und Felchen aus dem Bielersee. Die kann man zwar nicht roh essen, aber wenn man sie einlegt oder leicht gart, funktioniert das. Hier wollen wir neue Wege gehen, und ich bin froh, dass sich Atsushi darauf einlässt.
Sie haben viele Produzenten besucht – von der Champagne bis ins Seeland. Eine Ihrer Ideen war es, Rüebli zu servieren, die praktisch direkt vom Feld auf den Teller kommen, ohne dazwischen gekühlt zu werden. Kann das realisiert werden?
Zunächst: aus diesen Begegnungen, die wir auch filmisch inszenierten, ist tatsächlich einiges entstanden. Wir werden unseren eigenen Champagner importieren und offen ausschenken. Wir haben einen besonderen Bergkäse im Angebot, den ich auf diesen Reisen entdeckt habe. Die Erfahrungen aus Valenica sind in die Speisekarte eingeflossen. Nur die Rüebli-Idee ist auf einem Perfektionsniveau, das wir zu Beginn noch nicht erreichen können. Dafür müssen zu viele Parameter erst noch ermittelt und definiert werden. Die Frage ist unter anderem, ob sich dieses Angebot ökologisch und preislich gegenüber dem Gast vertreten lässt. Geben Sie uns noch ein Jahr, dann werden wir hier weiter sein.
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