Text: David Schnapp | Fotos: Adrian Ehrbar
Drüben liegt Spanien. Ganz oben auf dem Hügel blickt man hinunter auf Weideflächen mit grasenden Kühen, vor dem Fenster stehen Zitronen- und Mandarinenbäumen und auf der anderen Seite des von einem Stausee geteilten Tals liegt Spanien. Eine rote Boje im Wasser zeigt an, wo die Zeitzone ändert, in Portugal ist es eine Stunde früher als im Nachbarstaat. Wir befinden uns auf dem Landgut «Terramay»: Der Name bedeutet «Mutter Erde», und nichts könnte die paradiesischen Zustände auf dieser riesigen Farm, die so gross scheint wie ein privater Nationalpark (fast 600 Hektaren), präziser beschreiben. (Grosses Bild oben: Markus Arnold, Ivo Adam und Florian Neubauer im «Terramay»-Garten)
Berner Besitzer. Die Anlage mit Pferden, Kühen, Pata-Negra-Schweinen, Ziegen, Obst, Korkeichen, Oliven- und Nussbäumen, Seen für die Bewässerung und eine schier unendlich grosse Auswahl von Gemüse gehört dem Schweizer Unternehmer Thomas Sterchi. Der Berner hat vor etwas mehr als 15 Jahren das Portal jobs.ch verkauft und investiert heute in Start-ups mit verschiedensten Themengebieten, fördert Talente, mag gutes Essen und hochwertigen Wein. Eines seiner Projekte ist das betörend schöne «Terramay», welches heute schon ein funktionierender Bio-Landwirtschaftsbetrieb ist und in Zukunft dazu auch noch ein naturnahes hochwertiges Rückzugs-Hotel für eine anspruchsvolle Kundschaft werden soll.
Reiseleiter Ivo Adam. Eine bunt gemischte Gruppe Schweizer Küchenchefs unter der (Reise-)Leitung von Ivo Adam hat sich auf den Weg in den Süden Europas gemacht, um mehr über die «Terramay»-Produkte zu erfahren, die pittoreske Gegend kennenzulernen – und zusammen zu kochen natürlich. Markus Arnold («Steinhalle», Bern), Florian Neubauer («After Seven», Zermatt) und Jbrahim Ben Dhafer («Coco», Zürich) stehen nun in der Abendsonne auf dem Hügel und blicken beeindruckt auf diese Landschaft, die sich aus jedem Blickwinkel und und in jedem Moment wie die sprichwörtliche Postkarte präsentiert.
Wilde Rinder. Eine Spezialität des portugiesisch-schweizerischen Landguts ist das Rindfleisch. «Unsere Kühe leben das ganze Jahr über im Freien, sie sehen nie einen Stall», sagt David de Brito. Der Leiter des Landwirtschaftsbetriebs von «Terramay» erklärt, dass daraus mageres Fleisch mit kurzen Fasern und einem feinen Rinderaroma entstehe. Später am Abend können sich die mitgereisten Chefs von der ausserordentlichen Qualität dieses Naturprodukts überzeugen, dessen Geschmack ein wenig an Wild erinnert und einen völlig anderen Charakter hat, als stark marmorierte, lange gereifte Stücke.
Vom Garten auf den Teller. Am Tag darauf – und nach einer kurzen Nacht mit ausreichend portugiesischem Wein – lernt die kochende Reisegruppe erst die Gegend um das Landgut herum besser kennen, um sich danach am späten Nachmittag mit dem zu beschäftigen, was «Mutter Erde» im tieferen Sinne des Wortes hergibt. Ivo Adam hat den Kollegen den Auftrag gegeben, aus dem Garten mitzunehmen, was da gerade wächst, und damit ein Gericht zum Teilen für alle zu kochen. Wie Kinder im Legoladen streifen die Köche jetzt durch Beete und Gewächshäuser – «hier hat es kleine Chilis», ruft Markus Arnold aus einer Ecke der Anlage, während Florian Neubauer mit zufriedenem Gesichtsausdruck pralle Fenchelknollen aus der rotbraunen Erde zieht und in eine Kiste legt.
Broccoli, Beurre blanc, Tatar. Aus dem Fenchel wird ein Salat mit Filets von frisch gepflückten, fruchtig-säuerlichen Mandarinen, Markus Arnold hat die Chilis anderen überlassen und sich stattdessen für junge Blumenkohl-Triebe samt Stängel entschieden, viel Schnittlauch kleingeschnitten und macht damit – und mit einer ausreichenden Menge Butter – seine Lieblingssauce Beurre blanc. Das Gemüse wird auf dem heissen Grill knackig geröstet und später schwimmend in der Sauce serviert. Ivo Adam schneidet unter anderem Filet vom «Terramay»-Rind zum Carpaccio, drückt es in Ringe, brät es kurz an und kombiniert es mit Kohlblüten, Lauchwurzel und Senfblattsprossen für ein denkwürdiges «Family Meal», wie es noch keiner der Köche erlebt hat.