Text: Kathia Baltisberger/Knut Schwander Fotos: Blaise Kormann/Julie de Tribolet
Neuer Patron. Die Fussstapfen, in die Jérémy Desbraux anfangs dieses Jahres trat, waren nicht unbedingt klein. Kochlegende Georges Wenger kochte in Le Noirmont im Jura auf hervorragendem Niveau. Doch Ende letzten Jahres hörte er auf. Jérémy, der Neue, kommt aus gutem Hause. Er war in Crissier die Nummer 2 nach Franck Giovannini, seine rechte Hand. Doch er träumte vom eigenen Betrieb. Das gemachte Nest verlassen, um im abgelegenen jurassischen Dorf zu kochen verlangt etwas Mut. Was ist denn nun genau anders? «Die Arbeit in der Küche hat sich nicht gross verändert. Aber als Patron kommen andere Aufgaben hinzu», sagt Desbraux. Das Administrative, die finanzielle Seite und der Kontakt zu den Gästen, um nur ein paar zu nennen. «Natürlich hatte ich auch in Crissier schon Kontakt zu den Gästen, aber nicht in dem Ausmass wie jetzt.»
Kein Zufall. Dass Jérémy ausgerechnet das «Maison Wenger» für seine Zukunft gewählt hat, ist kein Zufall. Der Franzose ist aus Belfort, das gar nicht weit von der Schweizer Grenze liegt. «Ausserdem habe ich immer jemanden gekannt, der bei Monsieur Wenger gearbeitet hat. Freunde, mein Bruder und vor allem meine Frau Anaëlle Roze, die ich hier kennengelernt habe.» Als er erfahren hat, dass Georges Wenger aufhören möchte, zögerte er nicht lange und hat sich gemeldet.
Stil verfeinert. Die Gäste haben kein Problem mit dem frischen Wind. «Die sind so toll», schwärmt Desbraux. Die ehemaligen Stammgäste kommen auch gerne zu ihm. Aber es kommen auch solche von viel weiter her, aus der ganzen Schweiz. Das freut den Chef. Grund ist natürlich das Essen, das Desbraux auf die Teller zaubert. Wie hat sich sein Stil seit Crissier entwickelt? «Ich habe meinen Stil verfeinert. Ich konzentriere mich aufs Essenzielle: die Produkte, die Techniken, das Abschmecken.»
Entdeckung des Jahres. Nicht nur die Gäste freut diese Küche, auch die GaultMillau-Tester haben erkannt, welch Talent in dem Franzosen steckt. Desbraux kriegt auf Anhieb 17 Punkte und zeichnet ihn mit dem Titel «Entdeckung des Jahres in der Westschweiz» aus. Und noch mehr: GaultMillau-Chef Urs Heller ist sich sicher: Bei 17 Punkten wird es nicht bleiben. Jérémy Desbraux ist the next big thing!» Doch viel wichtiger als Punkte und Auszeichnungen: Jérémy und Anaëlle wurden vor wenigen Tagen Eltern und kehrten unmittelbar nach der Zeremonie zu ihrem Baby zurück.