Fotos: Adrian Bretscher

Die ganze Familie. Für einen Journalisten beginnt dieser ungewöhnliche Arbeitstag unfreundlich früh. Um 7 Uhr geht es zu Hause los, eindreiviertel Stunden dauert die Fahrt nach Steffisburg bei Thun, wo ich um 8.45 Uhr zum Kaffee bei der Familie Fuchs erwartet werden. Das Restaurant Panorama Hartlisberg führen Manuela und Rolf Fuchs seit 25 Jahren zusammen. Am Tisch sitzt auch Vater Karl Fuchs (72). «Er hilft uns jeden Tag noch mit und ist unsere Rückendeckung», sagt Rolf Fuchs über den Gründer des «Panorama». Die 14-jährige Jael ist ebenfalls dabei, im Sommer beginnt Sie eine Lehre als Konditorin-Confiseurin, ihr Bruder Fabian (18) ist bereits im dritten Lehrjahr als Koch. Es sieht so aus, als könnte irgendwann die dritte Generation Fuchs die gastronomische Tradition weiterführen.

Rolf und Manuela Fuchs

Seit 25 Jahren zusammen im «Panorama»: Rolf und Manuela Fuchs.

Kulinarisches Rückgrat. Familienbetriebe wie dieser, ohne stille Geldgeber im Hintergrund oder andere Arten der Querfinanzierung, sind so etwas wie das kulinarische Rückgrat der Schweiz und sind durchaus Anlass, etwas Respekt zu haben. Und das ist für meinen Praktikumstag ebenso von Interesse wie Rolf Fuchs’ Ruf als einer der besten Ausbildner im Land. Er selbst hat 2012 den Titel Goldener Koch gewonnen. Die Show-Platte aus Palisanderholz, auf der Fuchs damals Fisch anrichten musste wurde irgendwann von einem befreundeten Schreiner zu einer edlen Schatulle geschliffen und dient seit zehn Jahren als Aufbewahrungs-Kiste für die Pralinenauswahl, die den Gästen zum Schluss des Menüs am Tisch präsentiert wird.

GMC - "Schnapp kocht mit" Rolf Fuchs Panorama Hartlisberg, Steffisburg - 08.02.2025 by Adrian Bretscher

Das geht in die Unterarme: der Praktikant beim Brot rollen.

Brotgang Panorama Hartlisberg

Frisch gebacken: Brot und hausgemachte Salami.

GMC - "Schnapp kocht mit" Rolf Fuchs Panorama Hartlisberg, Steffisburg - 08.02.2025 by Adrian Bretscher

Präzise Schnitte: mit dem Rasiermesser zum typischen Muster.

Brot und JRE-Schürze. Ausgerüstet mit einer schwarzen Schürze mit JRE-Schriftzug (Jeunes Restaurateurs) beginne ich meine Morgenschicht im Untergeschoss, wo täglich frisches Brot für das Restaurant hergestellt wird. Julian Rufer, einer der Köche im Fuchs-Team, zeigt mir, wie die Teiglinge gerollt werden müssen. Ohne Übung ist das schnell in den Unterarmen zu spüren, aber Julian ist nachsichtig. Oben in der Küche werden die Teigkugeln anschliessend nachgeformt, dann lässt man sie im Dampf aufgehen und schliesslich schneiden wir sie mit einer Rasiermesserklinge ein. Ein langer Schnitt, zwei kurze, ein langer und nochmals zwei kurze Schnitte ergeben nach dem Backen das typische «Hartlisberg»-Muster. Das Mehl übrigens ist eine Spezialmischung aus dem Mühlestübli in Steffisburg.

GMC - "Schnapp kocht mit" Rolf Fuchs Panorama Hartlisberg, Steffisburg - 08.02.2025 by Adrian Bretscher

Restaurant mit schöner Aussicht: das «Panorama Hartlisberg» mit Blick auf die Berner Alpen.

Fleisch vom «Nachbauern». Rolf Fuchs ist ausserdem stolz auf das Rindfleisch, das er wenn immer möglich von seinem Nachbarn bezieht, im eigentlichen Sinn des Wortes ein «Nachbauer». Die Limousin-Rinder sind viel draussen und können langsam wachsen. Und selbstverständlich wird fast alles vom Tier verwertet: Schulterstücke als Brasato, Huft und Filet als Tatar und weniger edle Teile als Salami mit lokalem Trüffel. Die wird dann mit dem Brot serviert. Gewurstet wird heute allerdings nicht, Fuchs zeigt stattdessen, wie der Schulterspitz vom Rind in einer 45 Jahre alten gusseisernen Pfanne scharf angebraten wird. Mit kommt der blöde Spruch in den Sinn, dass man auf alten Pfannen kochen lerne, aber es ist tatsächlich etwas dran. «Die hat schon mein Vater benutzt», sagt Rolf Fuchs und weist mit an, die grossen Fleischstücke langsam von vorne nach hinten ins rauchend heisse Fett zu legen. Nachdem sie rundherum gebräunt sind, landen die Schmorstücke in einem grossen Metallbehälter und werden darin – zusammen mit Wurzelgemüse und gutem Rotwein – im Hold-o-Mat 24 Stunden bei 75 Grad geduldig gegart.

GMC - "Schnapp kocht mit" Rolf Fuchs Panorama Hartlisberg, Steffisburg - 08.02.2025 by Adrian Bretscher

Brasato, erster Teil: anbraten in der alten Pfanne.

GMC - "Schnapp kocht mit" Rolf Fuchs Panorama Hartlisberg, Steffisburg - 08.02.2025 by Adrian Bretscher

Brasato, zweiter Teil: Für 24 Stunden wird im Hold-o-Mat geschmort.

Der Käse-Klassiker. Weil der Brasato nun ohne Aufsicht der Perfektion entgegenschmort, habe ich Zeit, einen weiteren Klassiker der «Panorama»-Küche näher kennenzulernen. Den mit einer Trüffelcreme gefüllten Brie de Meaux hat Rolf Fuchs aus seiner kurzen Zeit beim früheren 18-Punkte-Koch Robert Speth aus Gstaad mitgebracht. Dafür wird ein grosser Laib Brie mit einem Draht horizontal halbiert und anschliessend gefüllt. Was simpel klingt, ist – wie so oft in der Küche – gar nicht so einfach. Die Masse aus Mascarpone, Doppelrahm und Hartlisberger Trüffel in der gewünschten Konsistenz aufzuschlagen, braucht viel Gefühl, die richtige Temperatur und danach Zeit, weil sich die Creme mit dem Käse verbinden muss. Rolf Fuchs macht das locker aus dem Handgelenk. Stunden später, nach dem Abendservice, werde ich dann ein Stück des Trüffel-Brie essen dürfen. Natürlich nicht den frisch produzierten Käse, der muss noch zehn bis vierzehn Tage in Ruhe reifen.

GMC - "Schnapp kocht mit" Rolf Fuchs Panorama Hartlisberg, Steffisburg - 08.02.2025 by Adrian Bretscher

Einfach ist nicht simpel: Chef Fuchs und Praktikant Schnapp mit dem Trüffel-Brie nach Robert Speth.

Kalbsbratwürste für das Team. Als nächstes bin ich dem Posten von Laura Loosli zugeteilt: Die sympathische junge Bernerin hat bei Rolf Fuchs die Lehre gemacht, war eine der beste ihres Jahrgangs und ausserdem Koch-Weltmeisterin. Jetzt zeigt sie mir, wie die hübschen Apfel-Kohlrabi-Blumen zusammengesetzt werden, die es dann später im Gourmetmenü geben wird. Ausserdem frittiere ich Kartoffel-Streifen, ein weiteres Dekorationselement. Während des Mittagservices allerdings, der jetzt ansteht, bestellen die Gäste von der Bistro-Karte: saftiges Wienerschnitzel in japanischem Panko-Paniermehl gebacken oder eben Brasato. Vor dem Service gibt es für das Team aber noch Kalbsbratwürste, Kartoffelstock und Salat. «Köche essen einfach», sagt Rolf Fuchs. Wer den ganzen Tag Essen sieht, anfasst, zubereitet und probiert, setzt sich einer Art von Überflutung der Sinne aus. Jedenfalls beobachte ich das an mir selbst. Da sorgt die Bratwurst für eine höchst willkommene mentale Entspannung. 

Kurzschlaf für Körper und Geist. Zum Glück habe ich in einem lokalen Gasthof ein Zimmer genommen, ein «Powernap» ist jetzt notwendig, um Körper und Geist auf den Abendservice einzustimmen. Um 17 Uhr geht es weiter, und der zweite Teil des Tages ist deutlich intensiver, weil nun Bistro und Gourmetrestaurant gleichzeitig bedient werden. «Wir bedienen zwei Konzepte vom gleichen Herd aus», sagt Rolf Fuchs. Und, fügt er an, «ohne meine Frau Manuela an der Front würde ich das nicht schaffen». Es ist beeindruckend zu sehen, wie der Chef die Aufgabe mit seinem Team, darunter zwei Auszubildende im ersten und dritten Lehrjahr, routiniert und konzentriert zugleich bewältigt. Wer glaubt, dass junge Leute sich wegen dem übermässigen Handykonsum nicht mehr konzentrieren können, sollte einmal vier Servicestunden lang in eine Küche schauen. Laura Loosli weist mich in die «Montage» der Fisch-Crostini ein. Die Steffisburger Bachforellen, die auf Brotscheiben gelegt werden, sind eigens für Rolf Fuchs gezüchtet. Dazu werden sorgfältig eingelegtes Gemüse, Knusperelemente und Sprossen aufgeschichtet, und die Crostini dann in der Pfanne kurz angeröstet. Dazwischen hilft Laura ihrer jungen Kollegin Gianna Richter bei den Desserts. «Gianna ist im ersten Lehrjahr und arbeitet ganz selbstverständlich voll mit», sagt Rolf Fuchs – durchaus mit einem gewissen Stolz.

GMC - "Schnapp kocht mit" Rolf Fuchs Panorama Hartlisberg, Steffisburg - 08.02.2025 by Adrian Bretscher

Bistro-Klassiker: Rolf Fuchs' Brasato mit Gemüse.

GMC - "Schnapp kocht mit" Rolf Fuchs Panorama Hartlisberg, Steffisburg - 08.02.2025 by Adrian Bretscher

Schon wird wieder abgerufen: Forellen-Crostini. 

Crostini und müde Beine. Um 20 Uhr und gefühlte zwei Dutzend Forellen-Crostini später, spüre ich meine müden Beine und ertappe mich beim Gedanken an eine Pause. Aber schon werden die nächsten beiden Crostini abgerufen. 55 Gäste sind an diesem Samstagabend im Restaurant Panorama eingekehrt, nochmals 20 waren es am Mittag. Um 22 Uhr darf ich meine JRE-Schürze ablegen und das erwähnte Stück Trüffel-Brie an einem Tisch im Gastraum essen. Er habe rund 60 Prozent Stammgäste, sagt Rolf Fuchs, während er zwischendurch immer wieder Leute verabschiedet. Den Reaktionen nach zu urteilen, verlassen sie das Restaurant mit der schönen Aussicht ausgesprochen zufrieden. Dies wiederum lässt mich dann später in meinem Gasthauszimmer ziemlich gut schlafen.