Text: Urs Heller | Fotos: Thomas Buchwalder
Austariert & ausgetestet! Heiko Nieder ist im Zürcher «Dolder Grand» jetzt Küchendirektor. Heisst: Er kümmert sich nicht mehr ausschliesslich um sein meist restlos ausgebuchtes 19-Punkte-Restaurant, er kümmert sich um alle Outlets im Haus. Beispielsweise ums «Dolder»-Frühstück; das machte unter seiner strengen Führung und nach einem Omeletten-Kurs für die Belegschaft einen Quantensprung. Beispielsweise um die neue «Dolder Lodge»: Ein Pop-up in der etwas abgelegenen Bar des Swiss Deluxe Hotels, in dezenter Zusammenarbeit mit St. Moritz. «0815-Skihütten-Food» am Adlisberg? Nicht mit Chef Heiko: Jedes Gericht ist austariert, mehrfach getestet, immer wieder optimiert. Für die Lodge im «Keller» gelten die gleichen Qualitätsstandarts wie im Gourmet-Restaurant eine Etage höher. Grosses Bild oben: Heiko Nieder und sein Cordon Bleu de luxe.
Kalbskopf & Kaviar. Beispiel dafür? Heiko Nieder und seine Jungs denken tagelang darüber nach, welche Brötchen denn in der «Lodge» serviert werden. Sie finden zwei spannende Kombinationen: Urkräuterkäse & Liebstöckel fürs Vollkorn-Malzbrot, Bratenschmalz, Röstzwiebeln & Schnittlauch fürs «Bürli». Und bereits der erste Gang ist ein Hammer: Kalbskopfsalat mit Radiesli, Kaviari-Kaviar und einer feinen Vinaigrette. Der Kalbskopf ist gepökelt, gekocht und gepresst, wird dünn aufgeschnitten. Heikos Trick: Er serviert diesen «Salat» lauwarm. Wunderbar.
Kasnudeln & Tartufi. Für den Gang des Abends müsste man sich eigentlich bei Heikos Frau Daniela bedanken. Sie ist Kärtnerin und brachte einen Gang aus ihrer Heimat mit in die Ehe: Kasnudeln. Wenig überraschend, dass der Meisterkoch das Originalrezept etwas angepasst hat. Seine Version: Topfen (von Rolf Beeler) im Kartoffelteig, ein paar Abschnitte von schwarzem Trüffel, eine fantastische Beurre Noisette. Und drüber weissen Trüffel, bis zum Abwinken. «Eine Art Quarkravioli», sagt der Chef ganz cool. Alternative: Bergkartoffel-Rösti mit Périgord-Trüffel.
«The Lodge Cordon Bleu». Für seine «Lodge» betritt Heiko Nieder auch mal Neuland. Cordon Bleu braten ist sonst nicht so sein Ding. Aber auch hier tüftelte er zusammen mit seinem Käselieferanten Rolf Beeler lange an der richtigen Mischung. Überraschende Lösung für die «Ski-Hütte»: Vacherin Mont d’Or, Vacherin Fribourgois, Mozzarella. «The Lodge Cordon Bleu» kommt streng, rechteckig und kompakt auf den Tisch; etwas «Freestyle» und etwas weniger Perfektionismus wäre bei diesem populären Gericht auch okay. Aufregend die Beilagen: Ein toller Salat mit verblüffendem Kartoffelsalat-Dressing. Klassische Pommes Gaufrettes. Und natürlich den Bergkartoffelschaum, hingezaubert aus «Rösler»-Kartoffeln von Freddy Christiandl aus dem Albulatal. Kleines Geheimnis: An seinen «Mountain Potato Foam» lässt Nieder keinen. Der wird aus der 19-Punkteküche in die Lodge geliefert.
«Sissis Vanille Eis». Für alles andere sorgt Chef René Kilian, der schon 16 Jahre in der Brigade von Heiko Nieder arbeitet und in der winzig kleinen Küche der Lodge einen prima Job macht. Natürlich gibt es auch Fondue: Mit einer Mischung «by Heiko Nieder» oder «Chinoise»: drei Fleischsorten, fünf Saucen. Desserts? Dörrbirnen-Tarte mit Dulce de Leche-Eis. Und «Sissis Vanille Eis». Mit Sissi ist weniger die Kaiserin gemeint als vielmehr ein Jagertee-Likör, der perfekt zur Vanille passt.
Hommage an die Bündner Herrschaft. Zweiter Freak im Team: Lisa Bader, GaultMillaus «Sommelière des Jahres 2021». Die junge Frau streift regelmässig durch die Bündner Herrschaft, fahndet nach den besten Winzern und knöpfte ihnen mit viel Charme einige «Specials» für die «Lodge»-Weinkarte ab. Zum Start in den «Hüttenabend» gibt es den beeindruckenden «Blanc des Noirs Brut» von Patrick Adank, zum Kalbskopf einen Riesling Sylvaner von Newcomer Sven Fröhlich, zum Cordon Bleu einen «Pilgrim» vom Weingut Niggli-Möhr, für die grosse Runde auch aus der Sechsliter-Flasche! Auf der Karte auch echte Raritäten: Die Completer von Donatsch, von Tscharner und Wegelin. Oder Lisas Neuenteckung: Der Pinot Noir Olymp vom Maienfelder Markus Stäger. General Manager Markus Granelli zum Schaulaufen der Bündner Winzer: «Wir haben sehr viele ausländische Gäste im Haus. Sie staunen über die hohe Qualität der Schweizer Weine.»