Text: Urs Heller
Kalbsherz &Co! Leo Otts wilder Ritt. «Eine Herzensangelegenheit!» sagt Küchenchef Leo Ott (Bild oben) und nimmt das ziemlich wörtlich. Das Herz eines Emmentaler Kalbs wird serviert, fünf Tage lang gepökelt und zubereitet wie ein Tafelspitz. Keine Panik: Das «Beuschel», wie man in Österreich sagt, schmeckt ausgezeichnet. Meerrettich spielt eine wichtige Rolle, und das Beste wird am Schluss dazu gegossen: Leos fabelhafter Beef Tea. Ein Abend bei Ott im «Cà d'Oro» ist ein wilder Ritt, wenn man das Degustationsmenü ordert. Für vorsichtige Geniesser bietet sich das beeindruckende, eher klassische à la carte-Angebot an. Und Weinfreaks haben die Qual der Wahl: Eine Karte mit heftigen Preisen liegt auf, Tignanello und Puligny-Montrachet gibt’s dank Coravin-Technik auch glasweise. Auf der Raritätenkarte sticht der Romanée-Conti 2000 ins Auge: 26’800 CHF pro Flasche.
Masterpiece: Foie gras in drei Varianten. Chef Leo reiste wie gewohnt mit einer hochmotivierten Brigade aus dem «Castello del Sole» Ascona ins Engadin – und mit «Sondergepäck»: Er hat seine Sauerteig-Mutter dabei und backt das Brot gleich selbst. Es wird umzingelt von spannenden Amuse-bouches: Tartelette mit Spitzkohl, Blutwurstcrème und selbst geräuchertem Reh-Schinken. «Taco nero» mit Auberginen, Oliven und ein paar Chügeli Oona-Kaviar. Marinierter Rettich, Pilzcrème und erstklassiger Pilz-Bouillon. Eine Praline/Krokette mit «Beuschel» (Kalbslunge). Dann kann’s losgehen. Der Chef annonciert Foie gras, aber eigentlich kriegt man dreimal Leber: Eine perfekte Terrine. Eine verführerische Fois gras-Crème. Geraffelte Foie gras-Splitter. Die Brioche dazu ist prima, kleine kalte Sanddorn-Kugeln machen das Gericht frischer und irgendwie leichter.
Applaus auch für die zwei Fischgänge. Die «Spigola» (Wolfbarsch) wird zu Tatar geschnitten und in Kohlrabi verpackt, die Sauce dazu ist feurig rot: Peperoni! Die «Triglia» (Rouget) wird mit einer XO-Crème, Lardo crudo und mit einer klassischen «Barigoule» serviert. Gemeinsamer Nenner beim Meergetier: Eigenwillige Umsetzung. Gutes Ergebnis. Viele Komponenten in einem Teller; mehr dürfen es nicht sein.
«Faraona vom Fredy.» Geht’s auch klassischer? Klar doch, Chef Leo kann alles. Seine «Faraona» (Perlhuhn), eingekauft beim Zürcher «Vogelhändler» Fredy von Escher, serviert mit Zucchini, Spitzpeperoni und schwarzer Knoblauchcrème, ist fantastisch. Die noble Brust ohnehin, vor allem aber der Schenkel begeistert. Er wird als Ragout im eigenen Fett geschmort. Leos Tipp für Nachahmungstäter: «Stundenlang blubbern lassen!»
Der Teewagen rollt vor! Zeremonienmeister im «Cà d'Oro» ist Raffaele Rispoli. Er legt eine riesige Kaviar-Karte auf, serviert Completer (von Donatsch), Puligny Montrachet und Tignanello dankt Coravin-Technik auch glasweise, zuckt auch nicht zusammen, wenn an spendablen Tischen ein Romanée-Conti für 26’800 CHF pro Flasche geordert wird. Raffaeles stärkster Auftritt: La Tisana Finale! Er rollt nach dem Diner einen Teewagen vor, mit Töpfen von Thymian, Rosmarin, Pfefferminz, Salbei und Oregano. Der Restaurantmanager schnipselt, mixt, brüht auf und sagt ganz cool: «Grappa ist out. Tee ist in.»
Feuershow Da Adriano. Das Ristorante trägt seinen Namen, und entsprechend gibt Adriano Feraco, seit 2006 im Haus, alles. Der frühere Seefahrer (MS Europa) ist gutgelaunter, wortgewaltiger Gastgeber, Zirkus-Dompteur und auch mal Flammenwerfer. «Meine kleine Feuershow», lacht Adriano im Zweitrestaurant «Da Adriano», wenn er den Risotto (ai Funghi, Riduzione di vino Sassella) in einem Pecorino-Laib flambiert. Das macht den Reis nicht besser, aber den Abend lustiger, und eine freundliche Ladung Tartufi d’Alba gibt’s auch noch drüber. Risotto-Man ist Mitch alias Michel Caglioni aus dem nahen Veltlin. Er setzt auf Qualität: Riso Carnaroli Riserva San Massimo, preisgekrönt. Das Duo Adriano/Mich harmoniert noch ein zweites Mal: Der Maître rollt einen imposanten Carrello mit Meergetier an den Tisch. Wir entscheiden uns für einen Carabinero. Der Chef grilliert ihn punktgenau und richtet ihn auf wunderbar geschmeidigen Tagliolini an.
Neue Zimmer, neue Show. Langzeit-Direktor Konstantin Zeuke verpasst dem Kempinski (27 neue, smarte Zimmer) immer klarer ein breites Gourmet-Konzept. Im «Cà d'Oro» sorgt Leo Ott für exzellentes Fine Dining. «Da Adriano» ist eine Erfolgsgeschichte. Im «Les Saisons» liegt neu eine attraktive Steakkarte auf («The Chef’s Special Cut’s) und wird auf dringenden Wunsch der Gäste neu auch Fondue serviert. Die Lobby mutiert zu einem vierten Restaurant, mit sehr breitem Aufgebot und mit starkem Auftritt des Sushi-Masters. Next step: Dine, Show und Cabaret im umgebauten Casino. Vorbild und möglicher Partner: «Lio», Ibiza.
Fotos: Handout, Rami Diab