Text: Urs Heller I Fotos: Thomas Buchwalder
«Ich will, dass die Feriengäste mehrmals kommen.» Wer den Leo im Team hat, gewinnt! Zeigt sich auch im Grand Hotel des Bains Kempinski in St. Moritz. Leopold Ott (grosses Bild oben rechts) ersetzt im Jubiläumsjahr Supertalent Reto Brändli, der unschön vom Hof gejagt wurde und jetzt Berlin begeistert (im «Adlon»). Leo hat eine hochmotivierte Winterbrigade zusammengestellt, rekrutiert im «Castello del Sole» in Ascona, und hat im «Cà d’Oro» den kulinarischen Kompass neu gestellt. Ein beeindruckendes Gourmetmenü gibt es noch immer, aber zusätzlich liegt eine à la carte-auf. Also werden jeden Abend auch ein paar Bresse-Poularden oder ein klassischen Châteaubriand tranchiert. «Ich will, dass die Gäste in ihren Ferien mehrmals ins Cà d’Oro kommen», sagt der Chef.
Schärfe auf den zweiten Biss! «Il Benvenuto», heissen die Amuse-bouches in einem italienischen Restaurant. Sie fallen heftig und begeisternd aus: Bei einer Tartelette mit Zander und Apfel sorgt eine veritable Blutwurst (!) für Power. Auf einem schwarzen «Stein» (Polenta) liegen Trüffel und Trüffelcrème, vor allem aber Jalapeño: Schärfe auf den zweiten Biss! Und schliesslich gibt es noch eine Hammer-Combo: Alles von der Ente, in kleinsten Portionen. Eine intensive Enten-Consommé («drei Tage Arbeit»), konfierter Entenmagen, Entenleber auf einer Mini-Briochee. Drüber: Oscietra-Kaviar. Und Pioppini, geschmacksintensive kleine Pilze.
Gurke, Minze, grünes Curry. «Il Hake» annoncieren die sehr aufmerksamen, fachkundigen und freundlichen italienischen Kellner zum Start ins eigentliche Menu. Wir googlen diskret, wissen dann: Seehecht aus Island, leicht gebeizt, unter der Wärmelampe auf die Stufe «tiède» erhitzt. Dazu Gurke in verschiedenen Konsistenzen, eine Prise Minze, eine Prise grüner Curry. Grosses Kino! Auch für die Foie gras-Variation (mit Rande) gibt’s Applaus: Foie gras-Späne und Spuren von weisser Kaffeeglace sorgen für Frische und für eine dezente Rauchnote.
Beeftea? Nachschlag, bitte! Nächster Höhepunkt: Steinbutt aus dem Atlantik, höchste Qualitätsstufe, perfekt gebraten. Aber dafür allein gibt es noch keinen Applaus. So richtig umwerfend sind die «Accessoires»: Ein Schuppendeckel aus dünn aufgeschnittenen Champignons, knuspriger Federkohl – und ein unglaublicher Beeftea! «Vier Ansätze, Ochsenschwanz und Ochsenbrust, zubereitet mit viel Liebe und Geduld», sagt der Chef dazu. Klar, dass wir noch etwas Beeftea-Nachschlag haben mussten. Etwas weniger glücklich waren wir über den bei tiefer Temperatur gebratenen Rücken vom österreichischen Reh: Topinambur, Kokosnuss, Sanddorn und dann auch noch ein Topinambur-Schaum – das ist des Guten zu viel.
Tessiner Polenta zum Dessert. Der Wiener Leo Ott (im Sommer wieder im «Castello del Sole» in Ascona) überrascht mit einem sehr breiten Repertoire. Das Ennetbürger Spanferkel zerlegt er fleissig in alle Einzelteile und kombiniert das Schwein nach portugiesischem Vorbild mit Vongole. Wiesenlamm aus der Savogniner Metzgerei Peduzzi, Wagyu-Entrecôte und die Grand Hotel-Klassiker Wolfbarsch in der Salzkruste oder Seeteufel sind jederzeit auch erhältlich. Die erst 19jährige Pâtissière Raissa Lafranchi hält mit: Tessiner Polenta (!) mit selbst vom Baum geschlagenen schwarzen Walnüssen, Zimt und Mandarine, Yuzu mit Ziegenfrischkäse, erstklassige Friandises. Die «Cà d’Oro»-Crew (mit Raffaele Rispoli aus Sorrento als smarter Gastgeber) ist für das Kempinski St. Moritz Gold wert. GaultMillau-Rating: 17 Punkte.
Im Reich von Adriano. «Da Adriano» heisst das zweite GaultMillau-Restaurant im Haus (14 Punkte). Konversationssprache italienisch, Karte auch. Executive Chef Gian Nicola Colucci und Michel Caglioni kümmern sich drum. Neuerdings rollt Adriano Feraco einen «Carello» mit Meerfischen und Meerfrüchte durch das wunderschöne Restaurant; den Hummer vom Wagen kriegt man auch mit Spaghetti. Bester Gang: Risotto mit Hummerbisque, Limette und Meeresspargel. Einen Gambero Rosso gibt’s perfekt gebraten dazu, ein zweites Exemplar dazu wird zu einem hauchdünnen Risotto aufgeschnitten und über den Carnaroli gelegt. Dazu gibt es ein «O Sole mio» live: Adriano Feraco (in der Zwischensaison wieder auf der MS Europa) schickt Sänger Gianni aus Bari mit Gitarre von Tisch zu Tisch.
Das «Wohnzimmer von St. Moritz». Das Grand Hotel des Bains Kempinski feiert sein 20-jähriges Jubiläum. General Manager Konstantin Zeuke steuert das riesige Fünfsterne-Hotel (an der Loipe, bei der Signalbahn) souverän durch Höhen und Tiefen. Zum «Geburtstag» kriegte er ein attraktives Geschenk: Die neu gestylte «Kempinski Lobby & Bar» sieht prima aus, soll zum neuen «Wohnzimmer von St. Moritz» werden. Live-Cooking über den Mittag, High Tea mit feiner Pâtisserie am Nachmittag, alpine Cocktails bei Barchef Sven am Abend; die spektakuläre Theke erinnert stark an die Onyx-Bar im Park Hyatt in Zürich. Innenarchitekt war Nikolas Travaseros; er ist auch für das Design des neuen Boutique-Hotels «Grace La Margna», das wg. Ärger auf der Baustelle erst in ein paar Monaten eröffnet wird.
Skifahren mit dem General Manager. Challenge für sportliche Kempinski-Gäste: Hahnseeabfahrt hoch über den Engadiner Seen. Steil und spektakulär (schwarze Piste), neun Kilometer lang. Die Abfahrt endet direkt beim Hotel. Ins «Wohnzimmer von St. Moritz» und an die Bar sind es dann nur noch wenige Schritte. Auf die Piste geht es mit den «Red Legends» (den Kempi-Skilehrern), oder mit Gastgeber Konstantin Zeuke; «Skiing with the General Manager» heisst das Angebot, deklariert als «Abenteuer für gute Skifahrer».