Text: Kathia Baltisberger
Auszeit für die Familie. Fabian Fuchs hat seine Prioritäten neu sortiert. Grund ist die Geburt seines Sohnes vor etwas mehr als einem Jahr. Die Konsequenz? Er nimmt vorläufig eine Auszeit im «EquiTable», das teilte der 17-Punktechef gestern mit und begründet das so: «Ich möchte meiner Rolle als Familienvater gerecht werden. Dazu gehört für mich auch eine faire Aufteilung der Caretaker-Aufgaben.» Und auch seine Frau Julia soll Raum und Zeit haben, sich um ihre eigene Karriere zu kümmern. Eine moderne Einstellung, die in der Realität aber häufig anders aussieht. Gerade in der Gastronomie stellt sich die Frage, ob sich die Bedürfnisse aller unter einen Hut bringen lassen. Fuchs findet nein und zieht die Reissleine. Doch wie machen das andere Chefs mit Kind und Küche?
Zu Hause im Restaurant. Tanja Grandits leistet sich eine grosse Brigade. Ihrem Küchenchef Marco Böhler vertraut die 19-Punktechefin blind, was ihr mehr Freiheiten gibt, sich um Tochter Emma zu kümmern. Tanja begrüsst die Gäste zu Beginn des Service, dann zieht sie sich zurück. Die Wohnung über dem «Stucki» ist ebenfalls eine Hilfe. Auch Kollegin Silvia Manser wohnt mit ihrem Mann und den drei Kindern über der «Truube» in Gais. Zwei von drei sind schon erwachsen, geholfen hat sicherlich auch der «Chef’s Table» mit Blick in die Küche. Der Tisch fungiert nämlich als Familien-Tisch, die Kinder waren so stets um die Eltern herum.
Qualität statt Quantität. Und wie halten es junge Familien mit kleinen Kids in einer Welt, deren Strukturen nicht wirklich auf Gleichberechtigung ausgerichtet ist? Amanda und Sven Wassmer sind seit bald vier Jahren Eltern. «Das ist ein zusätzlicher Kraftakt, den man meistern muss», sagt Sven. Die Eltern versuchen sich an einem möglichst gleichberechtigten Modell. Amanda hat ihr Pensum dennoch bewusst reduziert, arbeitet oft tagsüber. Sven steht abends in der Küche, an den freien Tagen macht er wirklich frei. «Ich bin dann mit meinem Sohn draussen oder wir basteln, haben ein Gaudi. Es geht nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualität.» Fakt ist aber auch, dass immer Amanda das gemeinsame Kind ins Bett bringen muss, wenn der Papa in der «Memories»-Küche steht. «Das stimmt. Aber oft bereite ich den Znacht vor, so dass Amanda nur noch etwas wärmen muss. Und wir facetimen noch ganz oft, Elijah will immer die Küche sehen.» Die Hausarbeit aufzuteilen, ist für den 18-Punktechef selbstverständlich.
«Man muss im Betrieb sein.» Andreas Caminada hat sein «Family-Life» gut organisiert, aber seinen Freund Fabian Fuchs versteht er dennoch. «Ich habe seinen Post gelesen und wir haben uns danach auch ausgetauscht. Es zeugt von Grösse, dass er diesen Schritt macht.» Der 19-Punktechef sieht die Debatte ziemlich pragmatisch. «Als Selbständiger kann man sich keine Gedanken darüber machen, ob man jetzt zu Hause bleiben möchte oder nicht. Man muss einfach im Betrieb sein.» Dennoch braucht's eine Lösung für die Betreuung der Kinder, wenn beide Elternteile in den Betrieb involviert sind. «Wir haben seit sieben Jahre ein Kindermädchen für Finn und Cla und wohnen gleich neben dem Betrieb, so können wir uns organisieren.»
Traditionelle Rollenverteilung. Eine weitere Möglichkeit ist ein eher traditionelles Modell. Roger Kalberer verwirklicht sich seinen Traum als «Schlüssel»-Chef, seine Partnerin kümmert sich mehrheitlich um die gemeinsame Tochter. «Wenn das Restaurant geschlossen ist, dann nehme ich mir Zeit für meine Tochter», erzählt Roger. Ausserdem «hilft» die Kleine auch ab und zu in der Küche aus. «Wir haben so einen Lernturm in der Küche. Dann schaut sie zu oder spielt mit dem Schwingbesen.» Das erinnert ihn an seine eigene Kindheit im «Schlüssel». «Ich bin auch so aufgewachsen, bin mit dem Bobbycar durch die Küche gefahren.»
Das richtige Rezept? Adriana Hartmann, die mit ihrem Mann Dominik das «Magdalena» in Rickenbach führt und den Service schmeisst, ist vor wenigen Monaten zum zweiten Mal Mami geworden. Aktuell arbeitet sie einen Tag, denn sie will die Zeit mit ihren Kids bewusst geniessen. Auf der anderen Seite ist das «Magdalena» auch ihr Baby und sie würde gerne mehr arbeiten. «Die ganze Organisation ist ein enormer Aufwand. Und Teilzeit in einer Führungsposition ist auch schwierig. Meistens läuft es auf ganz oder gar nicht hinaus», erzählt sie. In dieser Debatte scheint es kein «Richtig» oder «Falsch» zu geben. Und auch das Rezept für die perfekte Lösung hat noch kein Starchef für sich gepachtet. Am Ende macht jeder so, wie er es für richtig erachtet. In der Hoffnung, dass kein Familienmitglied auf der Strecke bleibt.
Fotos: Thomas Buchwalder, Nik Hunger, Lucia Hunziker, Olivia Pulver, Joan Minder