Text: David Schnapp | Fotos: David Hubacher/HO
Party in der Grossküche. «Ein Traum, wieder so viele Leute zu sehen», nannte es Martin Scherer. Der Präsident des Vereins, der seit 1994 das Gourmet Festival St. Moritz spielte am Dienstagabend auf die vergangenen zwei Jahre an, als der kulinarische Grossanlass gar nicht oder nur teilweise stattfinden konnte. Jetzt aber war buchstäblich wieder Leben in der Grossküche des «Badrutt’s Palace», 250 Gäste, Disco-Musik und zehn Gastköche sowie noch mehr «Local Chefs» setzten die Tradition des legendären Happenings im Untergrund des Swiss Deluxe Hotels stimmungsvoll fort.
Gäste in Schürzen. Es ist schliesslich immer ein kaum vergleichbares Vergnügen, wenn man als Gast – ein Glas Champagner von Laurent-Perrier in der Hand und eine schwarze Kochschürze umgebunden – zwischen einem Rational-Ofen und dem heissen Herd steht und freundlichen Köchen beim Zubereiten von Häppchen zuschaut. Musa Dağdeviren etwa, der Netflix-Star aus Istanbul, offeriert mit einem Lächeln eine würzige Gemüse-Kräuter-Mischung, wahlweise mit Fisch, in einer pochierten fluffigen Teighülle. Sezai Özkan, verantwortlich für Laurent Perrier in der Schweiz, in Deutschland und Österreich testet das Gericht: «Meine Mutter hat das nie zubereitet, ich kannte das also nicht, es ist aber sehr gut», findet der Champagner-Spezialist.
Veganer Fingerfood. Ein paar Meter daneben glasiert der Schweizer Starchef Gino Miodragovic aus dem hauseigenen 17-Punkte-Restaurant «Igniv by Andreas Caminada» Schweinerippchen. Schon eine Stunde nach Türöffnung sind die rauchig-süssen Fleischstücke aus – 250 Portionen waren vorbereitet. «Jetzt schaue ich, was es sonst noch so gibt», sagt Miodragovic erwartungsfroh. Und seine Kollegin Zineb «Zizi» Hattab («Dar» & «Kle», Zürich), die ihren letzten Abend als Gastköchin am Festival hat, frittiert wieder einige Schritte weiter Austernpilze. Einen serviert sie Fabrizio Zanetti. Der kulinarische Leiter des Festivals und Executive Chef im Traumhotel Suvretta ist begeistert vom knusprigen, veganen Fingerfood: «Mega fein», lautet seine Einschätzung.
Auberginen-Sorbet und Kamel-Milch. Dieses Gourmet Festival unter dem Schwerpunktthema «Levante Küche» ermöglicht eine abwechslungsreiche Entdeckungsreise durch kulinarische Kulturen und menschliche Charaktere mit den unterschiedlichsten Ideen und Stilen: Gal Ben Moshe (16 Punkte im «Prism» in Berlin) serviert zusammen mit 18-Punkte-Chef Rolf Fliegauf vom «Giardino Mountain» eine knusprige Waffel mit herzhaftem Auberginen-Sorbet und einem würzigen Hartkäse namens Jameed. Traditionell werde der Käse hergestellt, indem man Kamele melke, die Milch in einem Beutel ans Wüstentier hänge und warte, bis Sonne und natürliche Fermentation den Rest erledigen. Hier wird diese «Belper Knolle des Nahen Ostens» allerdings aus Schafsmilch zubereitet, was irgendwie beruhigend klingt.
Farbenfroh. Den buntesten Auftritt hat die Spanien-Marokkanerin Najat Kaanache, die zwei «typische Ramadan-Gerichte» serviert, wie sie sagt. In einem 40-Liter-Topf hat sie eine Suppe namens Harira Shupakalla mit viel Gemüse, noch mehr Koriander und etwas Lamm zubereitet. Danach gibt es ein honigsüsses Gebäck und die Köchin im farbenfrohen Outfit geniesst den Rummel: «Das Festival ist eine sehr schöne Erfahrung.» Aber die «beste marokkanische Köchin der Welt» muss schon wieder weiter. Nach ihrem Restaurant Nur in der Medina der Stadt Fès eröffnet sie demnächst in Sevilla ein Lokal mit «neuer andalusischer Küche. Morgen früh um 6.30 Uhr geht es los Richtung Spanien», sagt sie mit einem Lächeln.
Positive Halbzeit-Bilanz. Während sich ein Teil der Gastköche wieder auf den Weg nach Hause macht, übernehmen weitere fünf Chefs für den Rest des Festivals. Die Zwischenbilanz fällt ausgezeichnet aus, Events wie die Kitchen Party oder die Gourmet Safari sind voll gebucht, die Gourmet Diners in den einzelnen Partnerhotels gefragt und die Hoteliers der grossen Häuser rechnen jetzt schon mit einer Top-Saison: Managing Director Richard Leuenberger vom «Palace» geht davon aus, «dass wir das Rekordjahr 2022 noch übertreffen werden». Auch Personalsorgen kennt der Hoteldirektor nicht, «wir haben ein gutes Rekrutierungssystem». Investiert wird dennoch. Neben dem neuen Personalrestaurant mit Aussicht, wurde ein neues Austauschprogramm mit der Airline Swiss entwickelt: «Am Ende der Wintersaison können unsere Leute nach einer Schulung einige Monate fliegenden Service leisten und kommen dann wieder zurück. Das ist ein zusätzlicher Anreiz und ein attraktives Modell», so Leuenberger.