Interview: Isabel Notari
Daniel Aschwanden, jetzt ist Wildzeit. Die Jagd hat aber bereits im Mai begonnen. Welches Fleisch ist delikater – Sommerbock oder Herbstwild?
Ich behaupte, dass man keinen Unterschied merkt. Das ist eher so ein Stadt-Land-Ding. Mai- oder Sommerböcke werden in der Revierjagd geschossen. Eher eine städtische Angelegenheit. In den Bergkantonen haben wir die Patentjagd, und die fängt erst im September an.
Regionalität geht heute ja über alles. Viel Wild kommt aber aus Österreich. Gibt es einen Qualitätsunterschied
bei Tieren aus dem Bregenzerwald, Graubünden oder der Innerschweiz?
So viel Wild, wie bei uns verzehrt wird, kann in der Schweiz tatsächlich nicht geschossen werden. Aber um beim Fleisch einen Unterschied zu bemerken – selbst bei einem neuseeländischen Hirsch –, müsste man schon blind degustieren und einen sehr feinen Gaumen haben.
Was ist momentan der Renner bei Wildgerichten?
Klassiker wie Hirsch- und Rehpfeffer oder Rehrücken Baden-Baden sind natürlich immer noch begehrt. Das gäbe wohl einen Aufstand bei den Gästen, würden diese Gerichte von den Karten gestrichen. Wir sind aber ein spezieller Betrieb, es gibt ja keine Karte. Ich sage den Gästen jeweils am Tisch, was ich gekocht habe.
Was gibts denn bei Ihnen im «Schlüssel»?
Was mit Kalb oder Rind geht, funktioniert meistens auch mit Wild. Also überrasche ich etwa mit Schmorgerichten, Rouladen, Spareribs – auch mal vom Grill – und Innereien, etwa der begehrten Rehleber.
Keine Wildklassiker?
Wenn, dann gibts den Pfeffer in Kombination mit einem Hirschrücken. Oder das Schnitzel Mirza in Miniform mit einem edlen Rehfilet, das wie ein Wellington verpackt ist. Klassiker modern interpretieren, das gefällt mir. Auch Wildschwein ist übrigens grad sehr gefragt. Daraus mache ich Salami, Trockenfleisch oder auch mal eine Siedwurst.
Kann man auch Murmeltiere und Steinböcke essen?
Natürlich. Steinböcke sind aber selten, die dürfen nur limitiert und per Los gejagt werden.
Auch schon Los-Glück gehabt?
Ja, dieses Jahr habe ich aber von einem Jagdkameraden einen Steinbock erhalten. Eine Exklusivität für unsere Gäste.
Die Sauce macht ja das Wildgericht. Was ist das Geheimnis? Blut?
Persönlich kenne ich keinen modernen Koch, der noch Blut verwendet. Wir Jäger verarbeiten ja das ganze Tier. Und die Wildknochen und Parüren sind wie bei jeder intensiven Sauce das Geheimnis. Ich lasse aber immer gern etwas Fleisch am Knochen oder koche im Schmorgericht eine Haxe mit, die dem Fond zusätzlich Geschmack gibt.
Sind Jäger die besseren Wildköche?
Sie haben eine andere Beziehung zum Produkt, eine Geschichte dazu. Und Storytelling ist bekanntlich sehr wichtig geworden beim Geniessen. Aber ob das die Gerichte besser macht, weiss ich nicht!
Die klassischen Wild-Beilagen sind Marroni, Birnen, Äpfel und Preiselbeeren. Brauchts diesen Fruchtsalat noch?
Das ist «old fashion», braucht es eigentlich nicht mehr. Aber auch diese Klassiker interpretiere ich persönlich gerne neu, reiche etwa zum Fleisch einen Heidelbeer-Chutney im Glas, den ich in meiner Jagdhütte selber zubereite. Und Marroni gibt es bei mir mal als Shot oder Kuchen.
Wer trotzdem Lust auf einen klassischen Pfeffer zu Hause hat – darf man den fertig kaufen?
Selbstverständlich. Aber unbedingt bei einem Metzger des Vertrauens.