Walter Klose, Sie haben schwere Monate hinter sich und konnten längere Zeit nicht im Gasthaus zum Gupf arbeiten. Was ist passiert?
Ungefähr Mitte des Jahres 2022 hatte ich mich erstmals in einen ganz dunkeln Tunnel manövriert. Früher ist es mir leichtgefallen, es allen recht zu machen – meinen Söhnen, meiner Frau, meinen Mitarbeitern, meinen Gästen und mir selbst. Ich war hellwach, hatte ein Auge für noch so kleine Details. Und von einem Tag auf den andern habe ich plötzlich die Leichtigkeit verloren. Was für mich immer selbstverständlich war, konnte ich auf einmal nicht mehr.


Wie genau hat sich das geäussert?
Eines Tages war ich nicht mehr in der Lage, mich zu konzentrieren. Was ich in der Küche jeweils davor in 30 Minuten erledigt hatte, kostete mich jetzt einen halben Tag. Da habe ich mich entschlossen, zwei Monate Auszeit zu nehmen und mich in Behandlung zu begeben. Ich habe Sport gemacht, mich erholt, und danach ging es wieder ganz gut bis im Februar 2023. 


Und was geschah dann?
Plötzlich stand ich wieder vor diesem dunklen Loch. Und erstmals hatte ich damals den Gedanken, nicht mehr auf der Welt sein zu wollen. Eines Morgens stand ich auf, und es wurde mein ganz schwarzer Tag, ich wollte nicht mehr weiterleben. Zum Glück hat mich meine Frau gefunden und rechtzeitig die Ambulanz alarmieren können. Das war ein sehr schwieriger Moment für meine Familie und meine Mitarbeiter.


Können Sie heute erklären, was diesen Rückfall ausgelöst hat?
Nein, ich kann nicht sagen, was mich da eingeholt hat. Ich war immer ein zuversichtlicher, optimistischer Mensch. Mir fiel es leicht, ein guter Gastgeber zu sein. 

Appenzell-Roadtrip 2021: Walter Klose mit Manuela

«Zum Glück hat mich meine Frau gefunden»: Manuela und Walter Klose in einer der «Gupf»-Stuben.

Wie haben Sie es denn geschafft, wieder zurückzukehren?
Ich war für drei Monate in einer Klinik in Behandlung, danach habe ich angefangen, mich schrittweise wieder in den Betrieb einzubringen. Es ging darum, meinen Körper und meine Grenzen kennenzulernen. Ich habe gewisse Aufgaben abgegeben, andere müssen jetzt etwas mehr arbeiten: Meine Frau Manuela, meine Söhne, mein Sous-Chef Tim Benschop, Sommelier Stefan Schachner und mein ganzes Team waren und sind eine grosse Unterstützung.


Und wie sieht die Zukunft des «Gupf» aus?
Tim Benschop wird uns dieses Jahr verlassen, er möchte sich beruflich verändern. Aber meine Söhne arbeiten schon einige Zeit im Betrieb mit. Sebastian ist bereit, als Sous-Chef nachzurücken, während Fabian in der Patisserie arbeitet. Und wir bauen weiter auf einen bodenständigen Küchenstil.


Sie sind jetzt 60 Jahre alt. Ist die Nachfolgeplanung also geregelt?
In der Familie haben wir natürlich viel über die Zukunft des «Gupf» gesprochen. Ich hoffe, dass meine Jungs den Betrieb schrittweise übernehmen. Im Moment sind wir alle noch in einer Findungsphase. Es wird sich zeigen, wie es weitergeht. Aber ich bin stolz auf unsere Geschichte: Wir haben uns seit 1998 vom Ausflugsziel zu einem weitherum bekannten Restaurant entwickelt. Damals haben die Leute Salat und einen Braten bestellt, heute lassen sie auf ein Überraschungsmenü ein und kommen immer wieder. Gerade, dass unsere Stammgäste uns auch in dieser schwierigen Phase treu geblieben sind, ist sehr wertvoll.
 

Gasthaus zum Gupf, Gastgeberpaar Manuela & Walter Klose, Schweizer Fleisch, 8. Juli 2021, Rehetobel AR

Magischer Ort: seit 1998 führen die Kloses das Gasthaus zum Gupf im appenzellischen Rehetobel.

Zum Gupf, legendärer Weinkeller, mit Sommelier Stefan Schachner und Gastgeber Walter Klose, 11. Dezember 2021, Rehetobel AR

Das Team als Stütze: Walter Klose und Sommelier Stefan Schachner im legendären Weinkeller des Restaurants.

In der Küche arbeiten jetzt mehrere Generationen. Wie gut harmonieren Sie mit den jungen Köchen?
Wir haben oft Diskussionen. Beim Anrichten zum Beispiel möchte ich eine Sauce links, eine rechts. Den jungen Köchen hingegen gefällt es, die Saucen ineinanderlaufen zu lassen. Bis der Teller dann aber am Tisch ist, sieht man nicht mehr, dass es eben zwei Saucen sind. Das sind Fragen, über die wir reden.


Und wer entscheidet am Ende?
Ich gebe die grundsätzliche Richtung vor, die Karte schreiben wir gemeinsam. Dann machen wir einen Probeteller und nehmen je nach Bedarf Feinjustierungen vor. Die sechs jungen Kollegen in der Küche dürfen sich einbringen, ich bin für die klassischen handwerkliche Grundlagen verantwortlich. Am Morgen, wenn es noch ruhig ist, koche ich zum Beispiel meine Saucen. Während dem Service habe ich dann Zeit, mich wieder mehr um die Gäste zu kümmern.


Ist diese Arbeit an der Front, die ständige Interaktion mit Menschen mental nicht sehr fordernd?
Doch, natürlich. Ich arbeite daran, diese unbeschwerte Freude an meinem Beruf, die ich immer hatte, wieder vollständig zu erlangen. Dabei helfen mir die Zeitfenster, die ich mir schenke. Am Morgen beispielsweise mache ich Sport mit einem Personal Trainer. Dazu habe ich meinen Freundeskreis wieder aktiviert. Mit den einen treffe ich mich zu Gesprächen, mit anderen spiele ich Backgammon. Und meine Ferienwohnung in Flims ist wichtig, um abschalten zu können. Ich fahre gerne Ski und gehe wandern.


Welches Fazit ziehen Sie nach dieser schwierigsten Phase Ihres Lebens?
Ich habe ein zweites Leben geschenkt bekommen, so sehe ich das. Der Abgrund, in den ich geblickt habe, war tief. Ich bin heute in einer positiven Grundstimmung, aber natürlich auch etwas nachdenklicher als früher. Und ich muss es nicht mehr allen recht machen. Ich habe gemerkt, dass das nicht geht.

Fotos: Thomas Buchwalder, Fabienne Bühler


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