Text: Urs Heller
Lugano ist Gourmet-City! Die Gäste sitzen beim Sonnenuntergang über der Bucht von Lugano im «Arté» in der ersten Reihe. Und sie essen erstklassig: Frank Oerthle ist der Chef. Einsam an der Spitze ist er nicht mehr: Junge Chefs wie Luca Bellanca (Palazzo Mantegazza), Cristian Moreschi (Principe Leopoldo) und Diego della Schiava (The View) punkten hoch; Lugano mausert sich zur «Gourmet City». Oerthle kontert den «Angriff» gelassen: Mit seiner Klasse. Mit ständig wechselnder Karte. Und mit einer Prise Humor. Zeigt sich etwa bei der «Wachtel in verschiedenen Konsistenzen»: Karotte und Keule sind püriert, sehen aber ziemlich knackig aus. Beim bei genau 63 Grad zubereiteten Wachtelei verwendet der Grandes Tables de Suisse Chef nur das Eigelb; arbeitsscheu ist die erstaunliche kleine Brigade (fünf Köche) wirklich nicht. Gestört hat nur eine Komponente im liebevoll angerichteten Teller: Die Spugnole wurden kalt serviert; das ist bei Morcheln nicht die beste Idee.
Grande piatto: Spaghetto Monograno! Wir sind im Süden, also freuten wir uns auf den Pasta-Gang ganz besonders. Der Chef setzte auf einen wuchtigen «Spaghetto Monograno», seit über 100 Jahren zubereitet von der Famiglia Felicetti in den Dolomiten. Oerthle kocht die Pasta acht Minuten lang, gart sie dann in einem Safransud fertig. Wir kriegten den «Spaghetto» wunderbar al dente und raffiniert veredelt: Olivenöl, Limone, «peperone cruscho» (gedörrte Peperoni) – und eine sehr angenehme Burrata-Sauce (Barilotti). Alternativen? Spaghetti «alle chitarra» mit Löwenzahnpesto und Barba di frate. Ravioli mit Burrata, Zitrone und grünem Spargel, Cavatelli aus Weizenmehl «allo stracotto di manzo» (mit Rindsschmorbraten).
Das halbe Meer im Teller. «Pesce» ist das zweite grosse Thema im eleganten Restaurant der «Villa Castagnola» (mit einer fantastischen Skulptur von Ivo Soldini mitten im Saal): Ein leicht geräuchertes Lachs-Tataki mit erfrischender Joghurtsauce oder ein im Einkauf sündhaft teurer Gambero Carabiniero mit Erbsli und Chorizo zum Start. Für den Hauptgang liegt auch im Corona-Jahr alles bereit: Turbot, Saint Pierre, Lotte (Seeteufel), Dorade. Wir orderten «Filetto di orata scottato», weil wir so das Maximum an Meer in den Teller kriegten: Miesmuscheln, Venusmuscheln und Tintenfisch-Tentakel in der leichten, von Evo-Olivenöl geprägten Sauce.
«Il Blu di San Gallo». Die Nachspeise kam aus der Ostschweiz: «Il Blu di San Gallo», Willi Schmids genialer Blauschimmelkäse, serviert mit Tresterhonig und lauwarmem Früchtebrot. Aus der Pâtisserie kommt eine Schokoladenmousse mit Kamille und Yuzuglacé. Nix zu meckern also im «Arté»? Doch: Die Abteilung «Ticino» auf der grossen Weinkarte ist noch ausbaufähig. Der Service ist aufmerksam: Selbst eine kleine Flasche «Riflessi d’Epoca» von Guido Brivio wird unaufgefordert liebevoll dekantiert.
Villa Castagnola
Ristorante Galleria Arté al Lago
16 Punkte
Piazza Emilio Bossi 7
6906 Lugano