Interview: David Schnapp
Florian Neubauer, Sie sind ein erfahrener Koch und seit kurzem auch DJ. Wie kam es dazu?
Ich koche und esse leidenschaftlich, mag Musik und mache gerne Partys. Es war immer ein Traum von mir, an meinem Arbeitsort im Backstage Hotel Vernissage in Zermatt als DJ aufzutreten. Abends servieren wir im «Diner’s Club» bürgerliche Küche auf hohem Niveau – es gibt zum Beispiel Schweinshaxe, aber auch Kaviar und Austern oder Lebermousse mit Mandarinengelée. Das ist eine Referenz an meine Zeit im «Dinner by Heston Blumenthal» in London. Dazu gibt es Live-Musik und ein, zwei Mal pro Woche einen Event. Da ergab sich für mich die Gelegenheit, eine DJ-Session zu übernehmen.
Ist das nicht ziemlich anspruchsvoll – erst den ganzen Tag in der Küche, dann nachts noch am DJ-Pult?
Ich sehe mich als Mädchen für alles im Haus, aber das sind viele unserer Mitarbeiter auch. Erst arbeiten sie im Restaurant-Service, danach noch an der Bar. Wenn man Spass hat am Job, leistet man gerne auch etwas mehr. Ausserdem empfinde ich weder das Auflegen von Musik noch die Tätigkeit am Pass in der Küche als Arbeit. Da kommt das Adrenalin, das macht einfach Freude. Anders wäre es, wenn ich zwölf Stunden am Tag E-Mails im Büro beantworten müsste…
Der Koch sucht die Bestätigung seiner Gäste, und der DJ…?
Köche sind ein bisschen Feedback-geil und als DJ ist es genauso: Wenn es den Leuten gefällt, feiern sich dich. In der Küche versucht man die richtigen Geschmäcker zusammenzubringen, und bei der Musik die richtigen Songs.
Sie servieren in Ihrem Gourmet-Menü im «After Seven» in Zermatt auch mal Hühnerherzen. Ist das so etwas wie Ihr Rock-‘n’Roll-Moment?
Ich möchte den Gästen im Restaurant etwas servieren, das sie nicht selber zubereiten würden und auch selten essen. Im «After Seven» soll man auch mal was Neues sehen und probieren können.
Kann man ein Menü in einem guten Restaurant mit dem Set eines DJs vergleichen?
Ich habe als DJ ja gerade erst angefangen, deshalb ist es zu früh für eine abschliessende Antwort. Ein Menü muss schmecken und Emotionen wecken. Und eine Party lässt sich ebenfalls in eine bestimmte Richtung steuern. Stroboskop-Licht macht die Leute zum Beispiel eher aggressiv, wenn wir Hits der neunziger Jahre spielen, steigt der Umsatz an der Bar um 30 bis 40 Prozent.
«Home is where the rave is», steht auf ihrem neongelben Pulli. Sind Sie ein Kind der Techno-Zeit?
Ich bin in Jerichow in Sachsen-Anhalt aufgewachsen, und schon mit 14 Jahren sind meine Freunde und ich überallhin aufgebrochen, wo es Techno-Partys gab – nach Berlin, Wolfsburg oder zum «Burning Man».
Welches Ihrer Gerichte ist sozusagen der Song, bei dem alle mitsingen können?
Unser Signature Dish ist der konfierte Kabeljau mit Tomaten-Beurre-blanc und Lauchherz – das kennt jeder, versteht jeder und mag jeder.
Nick Bril kocht im «The Jane» in Antwerpen auf Zwei-Sterne-Niveau und hat gleichzeitig eine DJ-Karriere gemacht – ein Vorbild für Sie?
Ich schliesse nie etwas aus, aber ein festes Ziel ist das nicht. Ich will aber auf jeden Fall alles 100-prozentig machen.
Kann man überhaupt mehrere Dinge gleichzeitig zu 100 Prozent machen?
Mit dem richtigen Team geht das auf jeden Fall. Und so wird es mir nicht langweilig, das wäre das Schlimmste überhaupt. Ich möchte im Moment beweisen, dass ich nicht nur kochen kann, sondern auch Manager-Qualitäten habe und gute Zahlen – in diesem Fall im «Vernissage» – liefern kann.
>> Florian Neubauer (38), ist seit neun Jahren Küchenchef im «After Seven» (17 Punkte) sowie vom «Diner’s Club» im Backstage Hotel in Zermatt. Davor hat er unter anderem im «Seven» in Ascona, in Australien, Neuseeland, Kanada, bei Heston Blumenthal im «Dinner by Heston Blumenthal» in London oder im Restaurant Tim Raue in Berlin gearbeitet.
Fotos: Adrian Ehrbar, Marcus Gyger