Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver

Alles ist weiss. Frau Holle hat im Entlebuch bereits ihr Bestes gegeben. Der Schnee hängt schwer auf den Ästen, es ist mucksmäuschen still. Wobei: Da knistert etwas. Das Geräusch dringt durch die Bäume. Auf einer Waldlichtung lodert ein Feuer. In den Töpfen blubbert es. Drei Menschen wärmen sich an den Flammen die Finger. Es ist der Hexer und seine Brut. Pardon: Stefan Wiesner und seine Kinder Amy und Jo. Sie bereiten auf dem Feuerring ihr Weihnachtsessen vor. Die Familie Wiesner ist alles andere als gewöhnlich. Schliesslich hat sich Stefan Wiesner mit seiner alchemistischen Naturküche als «Hexer vom Entlebuch» einen Namen gemacht. Holt sich damit für das «Rössli» in Escholzmatt Jahr für Jahr 17 GaultMillau-Punkte und einen Michelin-Stern. 

Stefan Wiesner der Hexer vom Entlebuch Rössli Escholzmatt

Schritt 1 für ein gelungenes Weihnachtsessen: Feuer. Der Hexer kocht auf dem Feuerring.

Stefan Wiesner der Hexer vom Entlebuch Rössli Escholzmatt

Auch ein heisses Tränkli darf nicht fehlen. Johannisbeer-Sirup mit getrockneten Beeren. 

Stefan Wiesner der Hexer vom Entlebuch Rössli Escholzmatt

Bei den Wiesners gibts zu Weihnachten immer ein Fondue. Gerne auch mit Kohle versetzt.

Same same but very different. Doch wie bei vielen anderen Familien gibt es auch bei den Wiesners zu Weihnachten ein Käse-Fondue. Allerdings nicht in der gemütlichen Stube und mit Caquelon, sondern BAG-konform draussen im Wald, gegessen wird direkt vom Feuerring. Und es ist nicht Moitié-Moitié, sondern ein Kohlefondue. Also ist es schwarz, genauso wie das Brot, das der Hexer seinen Kindern zum Tunken reicht. Das schmeckt so gut, dass Trüffelhund Levy nur noch die Resten vom Holzbrättli schlecken kann. 

Stefan Wiesner der Hexer vom Entlebuch Rössli Escholzmatt

Auch Trüffelhund Levy schmeckt das Fondue ausgezeichnet.

Stefan Wiesner der Hexer vom Entlebuch Rössli Escholzmatt

Die getrüffelten Kartoffeln hatte der «Hexer» zuletzt auch auf dem Menü im Gourmetrestaurant.

Messer & Schoggi. Dass im Hause Wiesner nicht alles «ganz normal» ist, bekamen die Kinder früher zu spüren. «In der Schule hatten wir es deswegen nicht immer leicht», erzählt Amy. «Aber wenn man älter ist, versteht man, welche Arbeit hinter all dem steckt. Ich bin stolz auf meinen Vater.» Direkt in die Fussstapfen des Hexers wollen Amy und Jo nicht treten. Dennoch sehen sie dieses Abweichen von der Norm als Vorteil und nutzen es für ihr eigenes Ding. Jo hat hinter dem Rössli seine eigene Messerwerkstatt, fertigt Klingen aus Damaszenerstahl für Köche, Fischer oder Jäger.  «Jedes Messer ist ein Unikat», sagt Jo. Der 23-jährige gelernte Küfer hat die Einfühlsamkeit seines Vaters geerbt. Er geht auf jeden Kunden individuell ein, um zu spüren, welche Anforderungen das Messer haben muss. 

Stefan Wiesner der Hexer vom Entlebuch Rössli Escholzmatt

Tim Mälzer durfte dieses Fondue auch schon zubereiten bei «Kitchen Impossible». Sein Urteil? «Sieht aus wie beim Strassenbau in Berlin.»

Stefan Wiesner der Hexer vom Entlebuch Rössli Escholzmatt

Stefan Wiesner hat auch ohne den Bundesrat beschlossen, das «Rössli» in den Lockdown zu versetzen.

Der Kreis schliesst sich. Auch Amy wandelt auf den Spuren ihres Vaters. Neben ihrer Arbeit im Altersheim hat sie im Rössli ihre eigene Schoggi-Manufaktur eingerichtet. «Ich habe jetzt sogar eigene Bohnen aus Belize.» Die 26-Jährige röstet, congiert und giesst die Schokolade auch selbst. Dann fügt sie Heu, Kohle, Stein oder Arve hinzu. Der Kreis zum Werk ihres Vaters schliesst sich. «Ich will das, was er in der Küche macht, in meine Schokolade bringen.» Stefan Wiesner ist stolz. «Es ist eine grosse Ehre, dass sie etwas Ähnliches machen.» Auch wenn die Kids ihr eigenes Ding machen, ganz raushalten kann er sich nicht immer und «schnorrt» ihnen rein. «Amy habe ich zum Beispiel gesagt, sie solle die Schokolade dünner machen, weil sich dann der Geschmack besser entfalten könne.» Manchmal nimmt sie die Tipps an, manchmal nicht. 

Glace bei null Grad. Auf dem Feuerring brutzeln derweil noch weitere Weihnachts-Köstlichkeiten. Wiesner hat Kartoffeln in Backpapier eingepackt und mit Schlamm umwickelt. Die Kartoffeln nehmen den erdigen Geschmack an. Auch aus der Erde kommt das «Topping» für das Gericht: Trüffel – aufgespürt von Familienhund Levy - mit Veilchenbutter. Dieser Gang funktioniert auf einer Waldlichtung genauso gut wie im Gourmetrestaurant Rössli. Und auch beim Dessert zeigt der Hexer, dass Fine Dining auch prima in der Natur funktioniert. Kurzerhand verwandelt er die flüssige Glacemasse in ein cremiges Eis. Nicht Magie, sondern Stickstoff ist das Zauberwort. 

Stefan Wiesner der Hexer vom Entlebuch Rössli Escholzmatt

Magie? Nein, Stickstoff! Eine gängige Methode, um aus einer flüssigen Masse Glace zu machen.

Stefan Wiesner der Hexer vom Entlebuch Rössli Escholzmatt

Stefan Wiesners Bergkristallglace mit Stein-Schoggi von Tochter Amy.

«Shopping King». Geschenke gibt’s bei den Wiesners übrigens auch. Jo hat seinem Vater einen Schaltknüppel für den Land Rover geschmiedet. Für die Kinder gibt es neue Schuhe. Denn – und das mag jetzt überraschen – Stefan Wiesner ist ein echter «Shopping King». «Ich liebe shoppen!», schwärmt er. Dann geht es im neuen Jahr nach Bern oder Luzern zum Einkaufen. «Aber nicht so billige Schuhe aus Bangladesch, sondern qualitativ hochwertige Lederschuhe», präzisiert Wiesner. 

 

>> Das «Rössli» Escholzmatt ist voraussichtlich bis anfangs Februar geschlossen. 

Rössli
Hauptstrasse 111
6182 Escholzmatt

 

www.stefanwiesner.ch

www.schokoladen-werkstatt.ch

www.messerwerkstatt-wiesner.ch