Fotos: Maurice Haas
Heimers Horror. David Heimer, der Küchenchef und Mitinhaber des Kult-Restaurants Josef, hat erstmals seit seinem schweren Unfall im Mai 2023 den Gang an die Öffentlichkeit gewagt, und ist der Protagonist einer berührenden Cover-Reportage von Journalistin Manu Enggist im «Magazin». Nachdem er im Mai 2023 beim Fallschirmspringen in Barcelona in eine Hochspannungsleitung geflogen war, entzündete sich sein Schirm. Heimer erlitt schwere Verbrennungen dritten Grades an 70 Prozent der Haut seines Körpers. Der gebürtige Schwede lag mehrere Wochen im Koma, wegen eines septischen Schocks mussten in der Zeit alle Finger amputiert werden. Seit rund einem Jahr kämpft sich David Heimer in der Reha-Klinik Bellikon AG zurück ins Leben. In vier Wochen ist die Entlassung aus dem Spital geplant.
David Heimer, die Frage ist nicht originell, aber trotzdem: Wie geht es Ihnen?
So blöd ist die Frage gar nicht. Die Leute erwarten oft als Antwort etwas Negatives, dabei komme ich mit meiner Situation gut zurecht. Man gewöhnt sich an vieles.
Also nochmals, wie geht es Ihnen?
Ich bin zurzeit überdurchschnittlich glücklich – ohne Übertreibung. In vier Monaten kann ich die Reha-Klinik verlassen, und in den letzten eineinhalb Jahren habe ich so viel über mich selbst gelernt, mein Leben ist viel reicher geworden. Ich habe natürlich eine Menge verloren, aber das heisst nicht, dass nicht auch etwas Gutes dabei herauskommt, wenn man möchte.
Warum haben Sie sich dazu entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen und als Cover-Boy zu posieren?
Es war nicht mein Ziel, Cover-Boy zu sein, zuerst hatte ich gar kein Interesse an der Geschichte. Aber mit der Zeit war ich bereit, über alles zu reden. Ich habe ein fantastisches Umfeld, das mich unterstützt. Das macht es für mich vielleicht einfacher als für andere Leute. Deshalb wollte ich anderen Menschen in schwierigen Situationen zeigen, dass vieles möglich ist, wenn man nicht aufgibt.
In der «Magazin»-Reportage bezeichnen Sie sich in einer Szene selbst als «Monster», das die Menschen erschreckt.
In dieser beschriebenen Situation, in der ich von Kindern angestarrt wurde, war ich sehr verletzlich. Heute geht es mir vielmehr darum, meine Seele zu zeigen und nicht das Monster.
Ihr Überlebenswille ist beindruckend und inspirierend. Gleichzeitig scheinen Sie mit ihrem Drang nach Geschwindigkeit geradezu die Nähe des Todes zu suchen. Ist das einer der Widersprüche, die uns als Menschen ausmachen?
Darüber habe ich sehr viel nachgedacht. Geschwindigkeit interessiert mich zurzeit sehr wenig. Das hat sich stark verändert, alles geht im Gegenteil sehr langsam. Wenn ich jetzt über die Strasse gehe, schaue ich dreimal links und rechts. Nicht weil ich Angst habe, sondern weil mir bewusst geworden ist, wie schnell etwas passieren kann. In der Reha-Klinik habe ich zum Beispiel so viele Menschen gesehen, die nach einem Motorradunfall da gelandet sind.
Äusserlich sind Sie schwer gezeichnet, können Sie trotzdem noch riechen und schmecken?
Ja, das war am Anfang sogar ganz extrem. Mein Spitalzimmer lag im siebten Stock, und wenn jemand im Park unten eine Zigarette angezündet hat, habe ich das ganz stark wahrgenommen.
Geduld ist etwas vom Wichtigsten in der Rehabilitation. Haben Sie einen mentalen Trick, um jeden Tag aufzustehen und an kleinsten Fortschritten zu arbeiten?
Mein Grundprinzip besteht darin, im Moment zu bleiben und aus jedem Tag das Beste zu machen. Ich kann mir nicht zu viel auf einmal vornehmen und muss mich treiben lassen. Neu ist für mich, dass ich lieber einen kleinen, aber stabilen Schritt nach vorne mache als einen grossen schnellen, bei dem man dann das Gleichgewicht verliert. So spart man viel Energie.
Glauben Sie an Schicksal, gibt es etwas, was Sie aus diesem schrecklichen Ereignis lernen können?
Die Frage sollte man sich schon stellen, aber eine Antwort erhält man höchstens in Teilen, und das ist auch gut so. Ich weiss nicht, ob das alles von Gott oder vom Teufel gewollt war.
Waren Sie immer froh, überlebt zu haben?
Ja, das war ich. Meine Ansprüche ans Leben sind immer noch hoch. Nur der letzte Winter im in der Reha-Klinik war hart. Aber ein ganzer Winter im Aargau wäre auch ohne Unfall hart gewesen (lacht). Das Leben ist doch schön, und es ist es wert, dafür zu kämpfen!
Sie benötigen Prothesen für die Finger, Ihre Nase muss wieder aufgebaut werden. Wie lautet die Prognose?
Die biomechanischen Prothesen, die ich mit Muskelsignalen steuern kann, bekomme ich noch vor meiner Entlassung aus der Klinik. Wann die Nase wieder aufgebaut werden kann, steht hingegen noch nicht fest. Das ist eine komplexe Operation, die viel Vorbereitung benötigt.
Was motiviert Sie, wer möchten Sie in diesem zweiten Leben sein oder werden?
Ich möchte auf jeden Fall wieder kochen. Ich kann Gerichte kreieren und abschmecken, ein Team führen oder Konzepte entwickeln. Was unrealistisch ist, dass ich am Herd stehe und in der Hitze hektische Services mitmache. Aber eines nach dem anderen…
Fotos: Nik Hunger (2)