Interview: Kathia Baltisberger

Pascal Steffen, das Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Was war Ihr Highlight 2022?
Das Jahr war allgemein enorm gut. Dass das «Roots» den zweiten Michelin-Stern erhalten hat, war sicher ein Highlight. Wir hatten so viel zu tun, viele Wechsel im Team und noch ein Pop-up. Dass wir trotzdem ausgezeichnet wurden, ist ein gewaltiger Meilenstein für uns. Wir gingen zur Verleihung mit der Erwartung, dass wir unseren Stern bestätigen können. Dann wurden die neuen Zweisterner vorgestellt und die Stadt Basel wurde genannt. Ich war verwirrt und dachte: Habe ich etwas verpasst? Hat der Michelin ein Lokal entdeckt und ich habe es nicht mitbekommen? Es dauerte eine Sekunde, bis ich realisiert habe, dass ich gemeint bin. 

Was bedeuten Ihnen Auszeichnungen wie Sterne oder GaultMillau-Punkte? 
Wir sind extrem stolz, aber auch demütig. Denn ich weiss, mit welchen Resourcen wir das geschafft haben. Hinter dem «Roots» steckt kein Mäzen oder Geldgeber. Und es gibt nicht viele Sternerestaurants, die das so machen. Wir sind von A bis Z für alles selbst zuständig. Die Auszeichnung zeigt, dass es nicht auf das edle Besteck oder die teuren Teller ankommt, sondern auf das Produkt. Das bedeutet mir enorm viel.

Rezept: Forelle / Rhabarber / Spargel. Pascal Steffen, Koch Restaurant Roots, Basel, 04.04.2022

Ein Gericht von der Frühlingskarte: Forelle, Rhabarber und Spargel. 

Küchenchef Pascal Steffen, Restaurant Roots, Basel - 8. August 2018 - Copyright Olivia Pulver

Pascal Steffen gehört seit diesem Herbst zu den Zwei-Sterneköchen im Land.

Welche Auswirkung hat das auf Ihre Arbeit am Herd?
Unser Ansporn war schon immer, uns täglich zu verbessern. Das ist das, was ich von mir und meinem Team erwarte. Wir kochen nicht Auszeichnungen hinterher, sondern das, was uns und den Gästen Spass macht. Ausserdem sind die Sterne und Punkte keine Prognose, sondern eine Anerkennung für das, was man geleistet hat im vergangenen Jahr. 

Hat sich die Personalsituation im Roots im vergangenen Jahr weiter verschärft?
Nein, sie hat sich verbessert. Gerade die zwei Sterne waren ein enormer Treiber. Danach kamen viel mehr Bewerbungen rein, auch Blindbewerbungen. So konnten wir die Küchensituation entschärfen. Im Service haben ein paar Hände gefehlt. Jetzt servieren wir aus der Küche mehr mit und machen gewisse Gerichte am Tisch fertig. Es hat ein Umdenken stattgefunden. Die Leute überlegen sich mehr, was ihnen wichtig ist. Und das ist häufig die Freizeit. Wir können die Mitarbeiter nicht mehr so extrem arbeiten lassen wie früher. Gleichzeitig kann man auch nicht immer jammern, wenn es mal streng wird. Es braucht eine Balance. Wenn ein Stein im Weg liegt, soll man nicht aufgeben, sondern schauen, wie man diese Hürde überwältigen kann und wie man daran wächst. Das ist ein Problem, das die gesamte Gesellschaft betrifft. Dass man mal ausharrt, ist heute nicht mehr so. 

In Basel spricht man über Tanja Grandits, Peter Knogl und Sie. Aber ansonsten wird Basel nicht wirklich als Food-Stadt wahrgenommen. Woran liegt es?
Das liegt einerseits am Basler selbst. Er muss nicht immer zeigen, wo er gerade ist und was er isst. Es braucht nicht immer eine Insta-Story. Understatement ist sein Ding. Aber eine Stadt wie Zürich hat auch eine ganz andere Community. Die Gastronomie ist wie ein Schneeballsystem: Jemand reisst etwas an, man spricht drüber und es geht sofort weiter. Das hat Basel zu wenig. Tanja Grandits hat nach dem Charity-Event für die Ukraine den Whatsapp-Chat beibehalten, damit wir Gastronomen einen Austausch haben. Wir müssen etwas machen, um es voranzutreiben. Leider haben wir Köche nicht genug Zeit dafür. Aber Basel ist schon eine Genussstadt. 

Restaurant Roots, Pascal Steffen, Basel © HO

Für Gemüse feuert Steffen gerne das Big Green ein. Zum Beispiel für Spitzkohl. 

Machen Sie für uns den Foodscout: Welche Orte lohnen sich besonders? 
Jedes Mal, wenn ich im «Roots» esse, ist es gut (lacht). Das Pop-up Lago 105 ist cool. Das ist ein Zwischennutzungsprojekt, es gibt Cocktails und Tacos (läuft noch bis 31.12.2022, Anm. d. Red.). Dann gehe ich häufig in die «Taverne Johann», vor allem zum Lunch. Ich mag die Philosophie und dass frisch und regional gekocht wird. Das «Lauch» ist ein Vegi-Restaurant und die machen das wirklich gut. Und die Markthalle mit den vielen Food-Ständen lohnt sich auch immer. Die Gerichte dort sind authentisch. Das «Klara» hat ein ähnliches Konzept und lohnt sich ebenfalls.

Sie setzen seit Jahren Gemüse ins Zentrum. Geben Sie uns ein paar Tipps für zu Hause. Wie mache ich aus einem Kohl ein Highlight? 
Also ein Gemüse blanchieren geht gar nicht. Da spülst du allen Geschmack und die Nährstoffe raus. Dünsten oder Glasieren wären bessere Methoden. Einen Kohl mache ich gerne auf dem Big Green Egg. Ich lege zum Beispiel einen Spitzkohl auf den Grill und lasse ihn, bis er aussen ganz schwarz ist. Der Kohl gart im eigenen Saft und karamellisiert von innen. Am besten lässt man den Kohl gleich über Nacht im Green Egg. Am nächsten Tag nimmt man das Schwarze weg und hat innen ein super zartes Kohlherz. Dazu passt eine Ponzu, eine Bisque oder eine Beurre blanc. Das funktioniert auch mit einem Rot- oder Weisskohl. 

Was war im vergangenen Jahr Ihr bester Gang im Roots?
Die Schwarzwurzel mit Hagebutte kam sehr gut an. Ich habe die ganze Wurzel verwertet. Aus der Schale habe ich einen Crunch gemacht, aus dem Rest ein Ragout mit Hagebutten und dazu gab es eine Rapsemulsion. Aktuell habe ich einen gerösteten Topinambur mit Federkohl und Perigordtrüffel im Menü, der auch für viele ein Highlight ist. Dazu mache ich eine Brotsauce aus Luzerner Weggen. Das Sauerteigbrot lasse ich extra in Willisau backen. Ich setze die Sauce wie ein Fleischjus an, aber nehme Brotrinde statt Knochen. Das Gericht ist vegan und haut die Gäste aus den Socken. 

Restaurant Roots, Pascal Steffen, Basel © HO

«Das Wesentliche geht vergessen: Der Gast kommt zu uns, weil er etwas Gutes essen will», sagt Pascal Steffen über Gäste, die beim Menü zu viel studieren.

Gemüse spielt die Hauptrolle, Sie schrecken aber auch nicht vor Taubenherz zurück. Wie kam das an?
Ich habe Mühe, wenn die Leute sagen, das ekelt sie. Alle reden immer von Nose to tail, aber bei ihnen selber hört es auf. Man kann keine Nachhaltigkeit predigen und Herz und Zunge will niemand essen. Ich als Koch muss mir überlegen, wie ich solche Stücke in ein Gericht einbinden kann. Wenn man das richtig dosiert und zubereitet, dann schmeckt das nicht so intensiv nach Innereien. Und eine Marinade oder eine Chimichurri nimmt den speziellen Eigengeschmack. Das erwähnte Taubenherz war so komplex in die Rande eingeschlossen, das hätte man gar nicht bemerkt. Man weiss nur, es ist Fleisch, aber sicher kein Entrecôte. Die Gäste lassen sich darauf ein, wenn man ihnen die Geschichte dazu erzählt und sie finden das immer sehr fein. 

Ist das auch der Grund, weshalb die  Menükarte im «Roots» nur aus einer Art Mind Map aus Produkten besteht?
Wenn ein Gast genau wissen will, was es gibt, sagen wir ihm das schon. Aber man muss den Leuten die Blockade im Kopf nehmen. Er soll uns die Freiheit lassen. Wir machen, was wir gut können und wo wir dahinter stehen können. Die Gäste sollen sich in meine Hände begeben. Er soll gar nicht entscheiden müssen, was er essen will. Sonst überlegt er und überlegt er und am Ende nimmt er das, was er kennt. Das zeigt, dass wir uns zu viele Gedanken machen. Und dabei geht das Wesentliche unter: Der Gast kommt zu uns, weil er sich auf eine kulinarische Reise einlassen will, wir gestalten für ihn das Rahmenprogramm. Der Gast soll es in vollen Zügen geniessen können und einen grossartigen Abend mit uns verbringen.

Welche Restaurants stehen 2023 auf Ihrer To-Do-Liste?
Das Restaurant Hôtel de Ville in Crissier steht schon so lange auf meiner Liste. Da muss ich nächstes Jahr hin. 

 

>> Die Channel-Serie zum Jahresende: Sechs begabte Chefs ziehen Bilanz. Heute: Pascal Steffen. Der talentierte Luzerner kocht seit 2017 im «Roots» in Basel. Kurze Zeit später wurde er die «Entdeckung des Jahres». Heute hat er 17 GaultMillau-Punkte. 

 

Fotos: Adrian Ehrbar, Lucia Hunziker, Olivia Pulver