Text: Urs Heller Fotos: Olivia Pulver

«Autwybersummer». Die nächste Verabredung hatten wir am 13. September. Nik Gygax hatte noch vom Spitalbett aus optimistisch, wie er eigentlich immer war, zum «Déjeuner au Jardin» geladen. «Autwybersummer im Löie z Thörige» kündigte er an, «für Daheimgebliebene und Fernweh-Leidende, Meerfrüchte-Liebhaber und Geniesser erlesener Köstlichkeiten, mit dem Besten aus Wasser, Land und Luft, mit Leidenschaft zubereitet.» Daraus wird nichts: Wir treffen uns nicht mehr «au jardin». Wir treffen uns am Grab, und der Abschied von diesem wunderbaren Menschen und grossartigen Koch fällt uns unendlich schwer.

 

Immer wieder im Spital. Die schlechte Nachricht kommt nicht aus heiterem Himmel. Nik, am offenen Herzen operiert, musste immer wieder in Spitalpflege, oft wochenlang. Aber wir haben uns daran gewöhnt, dass er sich immer aufrappelte, immer wieder zurückkehrte an seinen geliebten Herd im «Löie», müde zwar, aber mit einem verschmitzten Lächeln und voller Pläne für das nächste kulinarische Abenteuer. Diesmal war der Tod stärker. Am Freitagmorgen wurde er von seinen Schmerzen und Leiden erlöst.

 

Die Liebe zur Bretagne. Nik Gygax war in Thörigen zu Hause. Aber es gab doch noch einen Ort, der ihm ein klein wenig lieber war: Die Bretagne. Dort verbrachte der Chef seine seltenen Ferien, im Kreis der Fischer, begleitet von seinem zotteligen Hund. Die Bretagne prägte auch seine Küche: Grand Dormeur, Cardinal des mers, Araignée de mer, Creuses aus Cancale, Couteaux, Königskrabben, Bar de ligne, Sole und Baudroie – alles kam bei ihm in die Pfanne oder auf den Grill, wurde grossartig zubereitet. Ich kenne keinen Chef, der so weit entfernt vom Meer wohnt. Und mit Meergetier so fantastisch umgehen konnte. Stammgäste wussten: Wer das Menu «La mer Celtique» bestellte, war danach für ein paar Stunden im Paradies.

Nik Gygax und Karin Coray im Garten Rest Löwen, Thörigen BE, 2014

Niks Heimat: Der stattliche Landgasthof in Thörigen am Tor zum Emmental. 

«Choche cha dä Cheib». Nik Gygax kenne ich seit Jahrzehnten. Er war Lehrling beim unvergesslichen Seppi Hunkeler im «Adler» Nebikon LU. In der Schule ganz bestimmt nicht der beste – aber am Herd ein Riesentalent. «Choche cha dä Cheib», sagte der «Adler-Seppi» trocken, als er mir seinen Stift vorstellte. Das hat der Nik im elterlichen Gasthof mitten in Thörigen immer wieder bewiesen. Er war ein Koch ohne Rezeptbuch, einer, der sich ganz auf seinen Instinkt und auf sein Gefühl verliess. Er verblüffte mit seinem siebten Sinn für Garzeiten und Saucen alle, auch seinen früheren Mitarbeiter Dani Humm, der es später in New York zum Weltstar brachte. «Nik ist ein unglaublicher Koch. Ich habe ihn immer bewundert und sehr viel von ihm gelernt.»

 

«Ewigi Liebi». Die 18 Punkte im GaultMillau waren ihm sicher, in guten wie in schlechten Zeiten. Nik und der GaultMillau – das war so etwas wie «ewigi Liebi». Deshalb fällt es uns so schwer zu sagen, was wir jetzt sagen müssen: «Tschou Nik. Danke für alles.»