Text: Urs Heller I Fotos: Andrea Furger, HO
Am Strand und im Schnee. Die 26 (!) Ragazzi, die für den erst 30jährigen Chef Antonio D’Ambrosio (grosses Bild oben) in der «Langosteria» kochen, haben ein abwechslungsreiches Leben: Im Sommer Paraggi, ein Traumstrand in Santa Margherita di Liguria vor den Toren Portofinos, im Winter St. Moritz, auf Salastrains mitten im Skigebiet. Gemeinsam ist das kulinarische Programm: Seafood, angekarrt und eingeflogen aus der ganzen Welt, aus Milano, Alaska, Norwegen und Galicien. Also steht man staunend an der Fischtheke: King Crabs, Gamberi rossi, Scampi Reale und Carabiñeros liegen da auf Eis, in rauhen Mengen und unglaublich frisch. Die Zubereitung ist unkompliziert und gradlinig: Vorzugsweise auf dem Robata-Grill, meistens kombiniert mit feiner Pasta und der «Haussauce»: Datterino giallo! «Langosteria» erobert mit diesem lifestylig-luxuriösen Konzept die Welt: Mutterhaus in Milano, Filialen in Paris (im noblen «Cheval Blanc», neben Arnaud Donckele), in London (im «Raffles», neben Mauro Colagreco) und demnächst auch in Übersee.
Mister Moncler macht’s möglich. 26 Köche, 80 Mitarbeiter, eine fantastische Küche, riesige Kühlräume – wer soll das bezahlen? Verraten wir gerne: Moncler-Besitzer Remo Ruffini, ein riesiger St. Moritz-Fan, macht den Traum möglich, Mastermind Enrico Buoncuore und Chief Operating Manager Marco Pannacci setzen ihn um. Nach strenger Hausordnung: Die Signature Dishes werden in allen Restaurants serviert. Die «local chefs» können eigene Kreationen vorschlagen; auf die Karte kommen sie nur, wenn der Executive Chef in Mailand, Mimmo Saranno, das Gericht durchwinkt. In St. Moritz hat Langosteria die Chesa Chantarella («CheCha») übernommen. Hier war vorher die Engadiner Koch-Legende Reto Mathis der Gastgeber: Kaviar, Trüffel und noch viel mehr.
Die Garzeiten am Berg. «Wir sind eine grosse Familie», sagt Napoli-Fan Antonio D’Ambrosio, «in der Langosteria konnte ich meinen Traum verwirklichen: Ich wollte schon immer Küchenchef werden.» Antonio zeigt uns in St. Moritz seine Schatzkammern: Ein riesiger Kühlschrank nur für Austern, ein riesiger Kühlschrank nur für Kaviar und Tartufi; den Schlüssel fürs «Kaviar-Depot» hat nur er. Die grosse Challenge für die «Cuochi»: «Die Garzeiten am Berg sind ganz anders. Wir mussten fast alle unsere Rezepte anpassen. Für die perfekten Gnocchi musste ich tagelang pröbeln.» Zum Ärger der Mitarbeiter: Beim Mitarbeiter-Essen im Keller der «Langosteria» gab’s kiloweise Gnocchi aus Antonios Versuchslabor.
«Crudo di mare» & Antonios «Polentina». Wer Meergetier so frisch ins Haus kriegt, kann es auch roh servieren. «Crudo di mare» heisst denn auch die erste Sektion auf der Karte. Sashimi und Ceviche von der Ricciola (Bernsteinmakrele), ein doppeltes Tatar: Unten «tonno rosso», oben Scampi, drum rum eine leicht süssliche Gazpacho aus gelben Datteri-Tomaten. Alternative: «Plateau Langosteria» von der Oyster Bar: Fines de Claire. Gillardeau, Belon, Gamberi rossi, Scampi, Gamberi reali, Jakobsmuscheln. Die Party kann beginnen! In der Sektion «Specials» ein fantastisches Gericht: Eine «Polentina bianca»: Ein Ragout von kleinstgeschnittenen Gambaretti, Seppioline, Polpo und Vongole liegt auf zweierlei Polenta, zum Weglöffeln gut! Auch empfehlenswert: Carpaccio di Orata (Goldbrasse), Tempura di Rombo (Steinbutt).
Königsdisziplin: Meergetier x Pasta! Chef Antonio holt sich den 15. GaultMillau-Punkt nicht mit Trüffel und Kaviar, sondern mit der präzisen Umsetzung des «Langosteria»-Codes: Meergetier & Pasta! Die Tagliatelle mit Scampi reali aus Norwegen und die Paccheri mit Branzino (Wolfsbarsch) sind der Renner des Hauses, die Linguine mit bretonischem Hummer die Luxusvariante. Aber da gibt es noch einen kleinen Geheimtipp: Spaghetti in bianco con le canocchie! Diese Heuschrecken-Krebse, sind nur schwer zu kriegen und nur kurze Zeit haltbar, aber man sollte sich diese Delikatesse nicht entgehen lassen. Ein richtiger «Pasta-Krebs». Beeindruckend: Auch wenn die Jungs draussen in der Küche an schönen Tagen überrannt werden (3500 Gäste pro Woche), zubereitet wird alles von Grund auf, erst nach Bestellungseingang! Pasta-King ist Chef Carlo. Den hat die «Langosteria» im Badrutt’s Palace abgeworben.
Tarte tatin aus 20 Schichten! Auf zwei Köche in der riesigen Brigade ist Antonio D’Ambrosio besonders stolz: Chef Simone ist sein Mann am Robata-Grill, mit siebtem Sinn für die perfekte Garzeit. Scampi reali alla brace und der feuerrote Carabiñeros aus Galicien sind unsere Favoriten. Ettore ist der Pasticcere im Haus. Sein Meisterwerk: Tarte tatin aus «Pink Lady»-Äpfeln, 20 (!) dünne Schichten, gepresst und auf einem Sablé breton serviert, mit einer eleganten Vanilleglace-Nocke & Crumble. Dazu feine Cannoncini. Serviert wird mittags auf der Sonnenterrasse, abends am Kamin.