Text: GaultMillau Schweiz
Unruhige Zeit. Die letzten Jahre waren für den Voralberger Marcus G. Lindner eine recht unruhige Zeit mit vielen Wechseln und mit einem unglücklichen Ende auf dem «Eggli» in Gstaad. Dabei ging da und dort vergessen, dass Lindner vor allem ein hervorragender Koch ist mit einem aussergewöhnlich breiten Repertoire – 18-Punkte-Restaurant, Grand-Hotel-Erfahrung und Ausflugsbeiz inklusive.
Umfangreiche Aufgaben. Seit dem Start im Hotel Bergwelt vergangenes Jahr in Grindelwald – ein ansprechendes einladendes Haus mit bodenständigem Alpen-Chic – scheint Lindner etwas zur Ruhe gekommen zu sein. Das Aufgabengebiet als Executive Chef ist naturgemäss umfangreich, die Ansprüche sind etwas moderater als auch schon, aber dass er nicht nur ein sehr guter, sondern auch ein sehr vielseitiger Koch ist, zeigt sich bei unserem Besuch schnell.
Viel Holz. Im Restaurant BG’s Grill steht tatsächlich eine beeindruckend grosse Feuerstelle, die täglich mit viel Holz eingeheizt wird, und auf der «grosses pièces» vom Kalb oder Rind, Lostallo-Lachs und Gemüse für eine Reihe gehobener Bistro-Gerichte zubereitet werden. Aber auch das Wiener Schnitzel am Nebentisch sieht so aus, dass wir es sofort bestellen würden, gälte das Interesse nicht dem Menü, das Lindner alle ein bis zwei Wochen neu schreibt, und mit dem er die Messlatte für ein Grill-Restaurant ziemlich hochlegt. Mit sicherem Gespür für Texturen und Aromen sind zu Beginn ein Langoustinen-Tatar in der Avocado-Rolle, ein Pilztartelette mit konzentrierter Umami-Kraft oder die gebratenen Stücke einer Waadtländer Saucisson mit Périgord-Trüffel und Kartoffel-Espuma zubereitet.
Egli und Saibling. Das simple knusprig-zarte Egli-Filet im Bierteig veredelt Lindner in Kombination mit einer Escabèche und knackiger Julienne von Zwiebel, Karotte und Paprika zu einem anregend-säuerlichen Vergnügen und einen Alpen-Saibling serviert er als Ceviche mit kräftiger Yuzu-Säure, Apfel und Gurke als erfrischenden, mit sicherer Hand zubereiteten Fischgang. Aus dem A-la-Carte-Angebot gibt es dann eine Portion «Glücklichmacher» aus der Disziplin «Comfort Food» in From eines Stundeneis mit kurz sautiertem Spinat, Pilzcreme und getrüffeltem Kartoffelpüree.
Das stärkste Gericht des Abends. Mit dem Hauptgang beweist Marcus G. Lindner ein gutes Gespür für Dramaturgie und Komplexität. Es ist tatsächlich das stärkste Gericht des Abends, und wir können den Impuls, es gleich noch ein zweites Mal zu bestellen, nur schwer unterdrücken: Das Kotelett und das Rückenstück vom hiesigen Jungschwein ist – natürlich auf dem Grill – perfekt rosa gebraten; knackigen Spargel, säuerlicher Rhabarber sowie Morcheln und Erbsen-Stampf gibt es als frühlingshafte Gemüsebeilage. Und schliesslich ist in der Tiefe des Jungschwein-Jus zu schmecken, dass hier ein grosser Koch am Herd steht.
Birne und Ziegenmilch. «Gewagt, gekonnt» liesse sich als Titel über das Dessert schreiben. Die Kombination aus Ziegenfrischkäse und Ziegenmilcheis mit gedörrter und marinierter Birne sowie Honig-Meringue hat einen geschmacklichen Dreiklang aus Süsse, Säure und einer herben Note, die etwas an Blauschimmelkäse erinnert und dem Gericht aber einen erinnerungswürdigen Charakter verleiht. Auch dafür sind 15 Punkte hochverdient.
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Bergwelt 4
3818 Grindelwald