Text: David Schnapp Fotos: Lucia Hunziker
Agron Lleshi, der «Jägerhof» ist geschlossen. Sie sind seit Mitte Dezember ohne Aufgabe. Wie sieht Ihre Woche aus?
Im letzten Herbst sind wird umgezogen, und seit der Schliessung der Restaurants im Dezember kümmere ich mich um unser neues Zuhause und meine Familie. Ich mache mit meinen vier Kindern Hausaufgaben und koche für sie täglich frisch. Und zweimal pro Woche üben mein Stellvertreter und ich mit unserem Lehrling für die Abschlussprüfung. Für die jungen Köche ist das eine schwierige Situation, es fehlt ihnen ein halbes Jahr Praxis im Hinblick auf ihren Lehrabschluss.
Wie haben Sie den Shutdown erlebt?
Geschäftlich sieht es nicht gut aus, es geht nur Geld raus, aber Einnahmen gibt es keine. Immerhin haben wir letztes Jahr gut gearbeitet und leben jetzt vom Ersparten. Vom Staat haben wir bisher weder Kurzarbeitsentschädigung noch Härtefallgelder erhalten. Und irgendwann geht uns das Geld aus. Das ist eine wirklich blöde Situation.
Wissen Sie schon, wie es weitergeht?
Wir warten jedes Mal gespannt, wenn der Bundesrat wieder eine Ankündigung macht. Meine Leute und ich sind bereit, sofort wieder loszulegen, wenn wir dürfen. Ich befürchte bloss, das wird nicht so schnell sein, wie wir hoffen.
Haben Sie Dinge, Abläufe, Gerichte grundsätzlich überdacht?
Ich plane zusätzlich zum Gourmetmenü eine Reihe von A-la-Carte-Gerichte: zum Beispiel eine Bouillabaisse, Zander mit Spargel und Hollandaise, Wienerschnitzel mit Preiselbeeren oder Moules et Frites. Ich will Gerichte anbieten, die jeder gern hat. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass viele Leute, die auf Kurzarbeit waren, nicht gerade ein ganzes Menü bestellen wollen. Aber diesen Gästen möchte ich auch etwas anbieten können.
Was bleibt unverändert?
Das Gourmetmenü ist mir wichtig, dafür haben wir schon viele Auszeichnungen erhalten und daran feile ich weiter. Ich bleibe bei meiner ehrlichen Küche, die vom Produkt und vom Geschmack lebt und ohne Firlefanz auskommt.
Haben Sie schon ein erstes Menü geschrieben?
Sagen wir so: Ich habe ein paar Ideen, aber ich setze mich demnächst mit meinem Sous-Chef zusammen, um unsere Kreativität zu bündeln. Aber ich freue mich auf die Spargeln, den Bärlauch, die Frühlingszwiebeln, die Tomaten im Sommer… Wir versuchen immer mehr auf regionale, saisonale und frische Produkte zu setzen.
Wie verwenden Sie Bärlauch, da gibt es ja sehr unterschiedliche Philosophien?
Ich sammle ihn in meinem eigenen Garten und entweder setze ich ihn frisch ein, oder er wird gewaschen, blanchiert und im Pacojet-Becher eingefroren. Dann lässt er sich fein pürieren und für Suppen oder zum Beispiel für Bärlauch-Gnocchi verwenden.
Gab es Momente in den letzten Monaten, in denen Sie sich grundsätzlich in Frage gestellt haben?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe ein junges aufgestelltes Team, wir waren bisher gut unterwegs und haben eine grosse treue Stammkundschaft.
Kann man Kochen eigentlich verlernen, wenn man monatelang keine Praxis hat?
Das glaube ich nicht, ich koche jeden Tag frisch für die Familie – Risotti und Suppen zum Beispiel. Und ich habe auch schon für Freunde fünf oder sieben Gänge im «Jägerhof»-Stil gekocht. Da scheine ich nichts verlernt zu haben (lacht).
Was halten Sie eigentlich vom grossen Take-away-Boom, ist das ein Modell für die Zukunft?
Ich wundere mich ja. Wenn ich mittags durch die Stadt laufe, ist alles voller Leute. Sie sitzen überall zusammen – am Boden, auf Bänken – und essen Take-away-Gerichte. Aber Restaurants, wo man mit Abstand am Tisch sitzt, sind geschlossen. Das leuchtet mir nicht ein. Abgesehen davon, ich wollte kein Essen verpacken, das am Ende nicht der Qualität entspricht, die man von uns erwartet. Das Risiko, unseren guten Ruf aufs Spiel zu setzen, war mir zu gross.
Wie schätzen Sie die Lage ein – was passiert, wenn die Restaurants wieder aufgehen?
Wir bekommen ständig Karten, Mails, WhatsApp-Nachrichten. Ich habe Gäste, die schon einen Tisch reserviert haben für den ersten Lunch, wenn wir wieder öffnen können. Sogar das erste Weihnachtsessen für 15 Personen ist schon gebucht. Der «Jägerhof» ist eine beliebte Adresse in der Stadt St. Gallen, ich bin deshalb zuversichtlich, dass uns das Publikum treu bleibt.