Text: Urs Heller I Fotos: Digitale Massarbeit, Nik Hunger
Nur Gemüse. Gilt auch fürs Personalessen. Rickenbach SZ, 1204 Einwohner. Keine Grossstadt. Aber neuerdings eine Grossstadt-Küche. Der Einheimische Dominik Hartmann, nach Lehrjahren bei grossen Chefs (Andreas Caminada, Fabian Fuchs) in den Schwyzer Talkessel zurückgekehrt, wagt den Absprung. Der Liebling der Gäste und der Tester («Entdeckung des Jahres 2021» und 16 Punkte bei GaultMillau, zwei Sterne bei Michelin) weiss jetzt nach zwei Jahren im «Magdalena», was er wirklich will: Eine kompromisslos gemüsebasierte Küche! Gilt auch fürs Personalessen. Hartmann: «Es braucht etwas Mut, weil ich jetzt ganz anders koche, als ich das im «Equitable» und bei Andreas auf dem Schloss gemacht habe. Aber Gemüse ist meine Passion.» 100% vegi in der Pampas? Seine beiden Partner, Ehefrau Adriana und Marco Appert, ziehen mit. Die Gäste wohl auch. Ein erster Stresstest steht bevor: Das Team Hartmann kocht am St. Moritz Gourmet Festival im «Badrutt’s Palace». 100 % vegi of course. Grosses Bild oben: Dominik Hartmann (l.), Adriana Hartmann, Marco Appert.
Gemüse von der Haushaltslehrerin. Rinderhaxe, Pastorenstück vom Bürgenstock-Rind, «Magdi»-Burger – das war mal. Dominik Hartmann griff diese Woche persönlich zum Telefon, meldete sich bei der Familie Reichmuth auf dem Sattel ab: «Die vier Kilo schweren Saiblinge, die Herr Reichmuth immer für mich reserviert hat, kriegt jetzt ein anderer.» Die «Magdi»-Crew hat neue Verbündete und Lieferanten gefunden. Dominiks frühere Haushaltslehrerin Eva Betschart, die auf dem nahen Biohof Husmatt erstklassiges Bio-Gemüse anpflanzt: «Sie ist sehr offen für unser Konzept. Wir haben miteinander besprochen, was sie anpflanzen soll für die nächste Saison.»
Glasierte Zwiebel, geröstete Kerbelwurzel. Dominik Hartmann hat Mumm: Er stellt sein Konzept im Winter um. Die härteste Zeit für einen Vegi-Koch. Aber Gemüse hat bei ihm schon immer die Hauptrolle gespielt, also weiss er mit Kohl, Zwiebel, Wurzel- und Lagergemüse umzugehen. Zeigt sich bei seinem ziemlich genialen ersten fleisch- und fischlosen Menü: Eine fantastische Kabis-Essenz mit Zitronenöl. Ein Pilz-Sellerie-Tartelette und ein eingelegter «Eiszapfen» (Rettich) mit Joghurt-Dill-Crème zum Start. Geschmorter Kopfsalat und Kopfsalatsorbet in einem Sauerampfer/Minzöl-Sud. Gebratene Schwarzwurzel mit konfiertem Eigelb und Schwarzwurzelspoom (das perfekte Löffelgericht!). Rande & Rettich (das leicht modifizierte Signature Gericht der ersten Stunde). Und schliesslich zwei «Königsgänge»: Glasierte Zwiebel mit Zitronenconfit und Röstzwiebel-Beurre blanc. Und eine knackige Kerbelwurzel, fünf Tage in Koji und Miso eingelegt und 20 Stunden lang dehydriert. 185 Franken kostet im «Magdalena» das grosse Menü mit allem Drum und Dran; man bezahlt hier nicht für die teuersten Grundprodukte. Aber für den riesigen Arbeitsaufwand. Eine vegane Variante gibt es auf besonderen Wunsch ebenfalls.
Die Schweiz im Keller. Die drei vom «Magdi» haben wg. Erfolgs ziemlich aufgerüstet. Im Keller etwa, wo Marco Appert und Adriana Hartmann für ihre geschickte Weinbegleitung aus dem Vollen schöpfen können. «Best of Switzerland» auf der Karte: Pellegrin, Donatsch, Hermann, Adank, Tatasciore & Co. In der Küche auch: Sieben Mann setzen das Hartmann-Konzept um, darunter auch der sehr begabte Pâtissier Jonathan Pichler, der vorher bei Caminada gearbeitet hat. Zum «Imperium» gehört auch die «Magdalena»-Pop up-Bäckerei im «Bistro Bären» Schwyz, aber die hat einen kleinen Haken: Hat der Bäcker frei, muss Dominik Hartmann ran. Das führt dann zu kurzen Nächten: Um Mitternacht ins Bett, um drei Uhr zurück in die Backstube.
Der GaultMillau meint. Wir mögen junge Köche, die ihr Ding unerschrocken durchziehen. Die «Drei vom Magdalena» folgen dem Zeitgeist. Dass sie den Sprung in ländlicher Umgebung und nicht in einer grossen Stadt wagen, verdient Respekt. Die Qualität der einzelnen Gänge ist überragend. Wir haben Dominik Hartmann schon mal für «die Brigade der Stars» an der GaultMillau-Gardenparty am 14. August 2022 in Bad Ragaz gebucht.