Text: David Schnapp | Fotos: Digitale Massarbeit
Party-Nudel Hartmann. Der ruhige freundliche «Magdalena»-Chef Dominik Hartmann scheint auf den ersten Blick keine ausgesprochene Party-Nudel zu sein, aber dieser erste Eindruck täuscht. Der Schwyzer ist ein Spezialist für gute Stimmung. Das spürt jeder, der in seinem vegetarischen Restaurant (16 Punkte, zwei Sterne) schon mal gegessen hat: Der hervorragende Teamgeist überträgt sich unmittelbar auf die Gäste. Und selbstverständlich war auch die erste Kitchen-Party im «Magdalena» am Montagabend in Rickenbach bei Schwyz von dieser Fähigkeit geprägt, mit stiller Freundlichkeit für gute Stimmung zu sorgen.
Freundschaft statt Konkurrenz. Schon lange bevor die ersten Gäste eintreffen, herrscht in und um das Restaurant mitten im Wohnquartier beste Laune, die nicht mal eine kleine, schnell vorüberziehende Gewitterfront trüben kann. Für seine Party hat Dominik Hartmann Kollegen eingeladen, «die ich gut finde, und mit denen ich auch sonst zu tun habe». Hinter den einzelnen Kochstationen steht eine neue Generation junger Starchefs, die auf freundschaftliche Beziehungen statt Konkurrenzdenken setzen.
Wettkampf im Foodtruck. Nach einem ersten Tequila-Shot am späteren Nachmittag kommt es im Foodtruck von V-ZUG unter grossen Gelächtern aller Beteiligten zu einem «Nocken-Battle» – gesucht wird die schönste Nocke von einem Schokoladen-Sorbet. Das «Igniv»-Duo Jöel Ellenberger und Silvio Germann tritt in dieser besonderen kulinarischen Disziplin gegen Dominik Hartmann an, Germann geht als Sieger vom Platz, aber man ist sich einig, dass «Magdalena»-Patissier Jonathan Pichler eigentlich der «König der Nocken» sei.
Leuchtende Pilze. Währenddessen staunt Stefan Heilemann («Widder») über das Gericht seines Zürcher Kollegen Markus Stöckle («Rosi»), der mit Partnerin Elif Oskan («Gül») angereist ist. Der hochkreative Koch hat es nach «vier Monaten Experimentierphase» geschafft, ein fluoreszierendes Pilz-Gelée herzustellen, das nun unter einer UV-Lampe grell-gelb leuchtet und zweifellos auf der Liste der besten Gerichte des Abends ganz vorne steht. «Markus ist ein Genie, und das Verrückte ist, dass es bei ihm am Ende einfach immer auch saugut schmeckt», sagt Stefan Heilemann. Stöckle hat unter dem Titel «Magic Mushroom» eine Kombination aus «Schwammerl»-Dashi, gerösteten Shiitake und eben dem Gelée, das Stöckle als «Kaisereier» bezeichnet, eine Art Pudding, der traditionell in seiner bayrischen Heimat im Dunst (Dampf) gegart wird und deshalb in historischen Kochbüchern «Dunstcreme» genannt wird.
Muntere Holländer. Stefan Heilemann setzt für seinen Party-Auftritt lieber auf Comfort-Food bester Machart, in einem Briochebrötchen findet sich geschmorter Schweinebauch, etwas Chili und ein gut gewürzter Krautsalat. Auf der Suche nach dem verrücktesten Gericht des Abends landen wir unweigerlich bei Jeroen Achtien («Sens», Vitznau): Der muntere Holländer, der im Sommer in Brunnen ein neues Lokal eröffnet, kombiniert im Stickstoff gefrorene, ungestopfte Gänseleber mit Austern, Jalapeño, grillierte Ananas und mit Togarashi marinierte Sonnenblumenkerne. Die ungewöhnliche Kombination schmeckt hervorragend – Süsse, Säure, Schärfe und der Foie-Gras-Schmelz sind eine erstaunlich gelungene Verbindung.
Lammnacken und Kaviar. Auf seine Art von Comfort-Food setzt auch Daniel Zeindlhofer vom «Igniv» in Zürich: Sein Lammnacken vom Grill mit fermentierter Knoblauch-Mayonnaise, Backerbsen und einem ausgezeichneten Peperoni-Jus ist das erste Gericht, das die Gäste nach dem Eintritt zum «Party-Gelände» erhalten, schon kurze Zeit nach dem Start sind die 200 vorbereiteten Portionen verteilt. «Wenn das so gut ankommt, nehme ich das Gericht wieder auf die Karte», sagt Zeindlhofer. Nebenan platziert Patrick Mahler («Focus» im Park Hotel Vitznau) Oscietra-Kaviar von Kaviari auf zartem Kabeljau mit Spargelragout, Mandel- und Röstzwiebelcreme und einer Vin-Jaune-Beurre-blanc, während gegenüber eine Seifenblasenmaschine «Bubbles» produziert. Der bunte Hinweis führt zu Ines Triebenbacher, die Sommelière aus dem «Igniv», Zürich. Sie schenkt prickelnden Champagner aus – auch dies natürlich ein entscheidender Beitrag zur fröhlichen Schwyzer Party-Stimmung.
Die zwei vom «Igniv». Ausgesprochene Hochstimmung herrscht immer noch im Foodtruck von V-ZUG, der abtretende «Igniv»-Chef in Bad Ragaz, Silvio Germann, und sein Nachfolger Joël Ellenberger verstehen sich offensichtlich ausgezeichnet. «Es ist schade, dass wir nicht länger zusammenarbeiten können, wir harmonieren wirklich sehr gut», sagt Ellenberger, während Kollege Germann eine Schale mit Saibling, knusprig ausgebackenem Shiso-Blatt mit getrocknetem Eigelb und Beurre blanc auf Basis von fermentiertem Spargel fertigstellt. Die Buttersauce ist offensichtlich ein weiterer Party-Hit, auch Dominik Hartmann hat sie auf der Grundlage fermentierter Pilze in einem Gericht aus Mönchsbartsalat, sautierten Morcheln und geschmorten Baumnüssen im Programm.
Eis als Rose. Der Koch des Jahres, Mitja Birlo, hingegen hat sich für die Leichtigkeit einer «Tigermilch» entschieden, die er als Basis für sein Kingfish-Ceviche mit Süsskartoffel, Sanddorn und Kaffir-Limettenöl verwendet. Bei seinem Nachbarn Alexander Fink holen wir ein Dessert aus geröstetem Reis (als Ein in Rosenblütenform), Cassis-Ragout und Zitronenverbeine-Apfel-Sauce. Fink startet Ende Monat in Lenzburg mit «Skin’s – The Restaurant», das nicht nur wegen diesem süssen Gericht in diesem Jahr eine der interessantesten Neueröffnungen auf dem Schweizer Fine-Dining-Markt sein dürfte.
Kochkunst und Lockerheit. Und ganz zum Schluss überzeugen wir uns schliesslich bei «Magdalena»-Patissier Jonathan Pichler davon, dass die schönsten Glace-Nocken tatsächlich aus seiner Hand kommen. Das akkurat geformte Weizengras-Sorbet sitzt makellos auf einer Kombination aus Mandelcreme mit Rhabarber-Sphäre und -Ragout, die beweist, dass Pichler sein Handwerk – von der Nocke bis zur Creme, sozusagen – auf höchstem Niveau beherrscht. Die erste «Magdalena» Kitchen Party lebt ohnehin ausgezeichnet von dieser anziehenden Kombination aus erstklassiger Kochkunst und der erstaunlichen Lockerheit einer jungen Generation von Köchen, die ebenso leistungsfähig wie gut gelaunt auftritt.