Text: Knut Schwander | Fotos: Olivia Pulver
Leuchtturm der Region Montreux-Vevey. Das Restaurant Bellevue der Hotelfachschule Glion, zweifellos eines der schönsten Lokale Europas, heisst jetzt Maison Décotterd (zwei Restaurants, eine denkmalgeschützte Bar-Lounge). Die Sicht ist nach wie vor unbeschreiblich, die Einrichtung erlesen, der Service aufmerksam und liebenswürdig. Dennoch ist jetzt alles anders. Nach dem exquisiten Pariser Chic (die Ehre gebührt Chantal Wittmann, Maître d’Hôtel MOF, die das «Bellevue» punkto Empfang und Service in die höchsten Sphären geführt hat), ist hier jetzt echt helvetische, herzliche Gastfreundschaft angesagt, wie sie in von Patrons geführten Gasthäusern üblich ist: Madame im Saal, Monsieur in der Küche. Die «Maison Décotterd» ist der neue Leuchtturm in der zauberhaften Gourmetregion Montreux-Vevey.
Décotterds Konzept: Lokale Exzellenz. Stéphanie Décotterd empfängt die ankommenden Gäste persönlich. Der Chef dreht seine Runde am Ende des Essens des Menüs und wird im Saal mit enthusiastischen Komplimenten überhäuft: Für die intensiv nach Liebstöckel duftenden Ravioli mit Freiburger Vacherin etwa, die kunstvoll arrangiert mit einer herrlichen, generös mit Spänen von Herbsttrüffel aus dem Waadtländer Norden serviert wurden. Ganz grosse Klasse! Zuvor bewunderten wir die wie ein Gemälde angerichtete Escabèche von Eglifilets aus dem Léman an intensiv grüner Sauce von Petersilienwurzel und Gundelrebe mit knuspriger Galette und Oscietra-Kaviar.
Erst das Reh. Dann der Loeffel. Nicht ganz so spektakulär, aber in jeder Hinsicht begeisternd folgten das zarte Reh von der Jurakrete mit Eierschwämmen, mit konfiertem Fenchel gespicktem Rotkohl und einer mit Bénichon-Senf gefüllten Cuchaule-Kugel, die aussah wie ein Berliner aus der Confiserie. Wir bestaunten die Käse-Gourmandise (in Option zur Schweizer Käseplatte), ein in seiner Original-Holz-Verpackung präsentierter, heisser, flüssiger Vacherin Mont d’Or mit Grenaille-Kartoffeln und Eierschwämmen. Lob verdiente schliesslich GaultMillaus «Patissier des Jahres 2021» Christophe Loeffel, der mit einem Grünapfel in Form einer luftigen Kugel und eines mit Feldkümmel kühn und gekonnt aromatisierten Sorbets den virtuosen Schlusspunkt setzte.