Text: Urs Heller
«Baan Phraya» & die zauberhafte Miss Pom. Für das überraschendste Gourmet-Erlebnis im «Mandarin Oriental» muss man mit dem eleganten Teakholz-Hotelboot über den Fluss, zu einem uralten Thai-Haus. Es stand jahrelang leer, wurde jetzt aber zu einem wunderschönen Restaurant umgebaut. Am Herd eine kleine, junge Frau mit riesiger Brille und einem Übermass an Talent: Patchara Pirapak aus Yasothorn. Chef Pom nennt man sie hier und ist fasziniert von ihrer Küche: Sie interpretiert die uralten Rezepte ihrer vor vier Jahren verstorbenen Grossmutter neu, fahndet in ganz Thailand nach kleinen, feinen Produzenten. Im «Baan Phraya» wurde schon früher gut gegessen: Phraya Mahai Savanya, ein ranghoher Offizier im Dienste von Rama V, residierte hier, und seine Frau Khunying bekochte mit riesiger Begeisterung Minister und Generäle. Bild oben: Chef Pom & ihr Pomelo Salat mit Hokkaido-Jakobsmuscheln.
Fish Sauce – nach 100jährigem Familienrezept. Khun Poms Küche? Zauberhaft angerichtet, mit genial ausbalancierter Schärfe, voller Überraschungen. Den Kombucha mit blauem Brombeer-Honig (!) und das Thai Honeycomb Cookie mit einer Prise Bitterorange kriegen wir zum Sonnenuntergang draussen auf der Veranda. Drin im Haus dann Miss Poms «Signature Dish»: Ein unglaublicher Pomelo-Salat mit Hokkaido-Jakobsmuscheln und Tiger Prawns. Überragend die Chili-Paste und die Fish Sauce dazu, zubereitet nach einem 100jährigen Familienrezept. «Gaeng ron» steht seit Generationen für eine sanfte Kokossuppe; Chef Pom hat das Rezept umgeschrieben, ersetzt die üblichen Glasnudeln durch Tintenfischstreifen, mal roh, mal geräuchert.
Bamboo Fish im Bambus-Rohr. Spektakulär der Bamboo Fish: Er wird auf Holzkohle zubereitet und in einem Bambusrohr präsentiert, mit Bergen von frisch gezupften Kräutern aus dem Garten. Die «Grilled Surat Thani Prawns» stammen aus dem Taipee River; Chef Pom serviert zwei Saucen dazu und empfiehlt, die beiden zu vermischen. Machen wir und sind begeistert, natürlich auch vom Wagyu Short Rib, zu dem ein sanftes Massaman-Curry in den Teller gegossen wird. Pom hat an der Front einen Verbündeten: Restaurantchef Uthit Songthao erklärt bei jedem Gang geduldig die einzelnen Komponenten. Er ist Gewinner des «Michelin Thailand Service Awards». Gefeiert wurde auch Chef Pom: Für die angesehene Bangkok Post ist sie «Woman of the Year»!
«Kinu by Takagi»: Zehn Stühle, zehn Gänge. Mandarin Oriental bittet in seinen wichtigsten Hotels weltweit zum Kaiseki-Menü an die Theke, ab 7. April auch in Luzern («Minamo», Chef Toshiro-San). In Bangkok wird aus der höchsten Liga angerichtet: Chef Takagi Kazuo (zwei Sterne in Ashiya bei Kyoto) schreibt die Karte, Norisha Maeda (zwei Sterne in Macau) ist sein «Master Chef» in Bangkok. Die Inszenierung ist genial: Nur zehn Stühle am langen Tresen, zehn Gänge, vor den Augen der staunenden Gäste zubereitet, Thailänderin im Kimono, die den Sake aus der grossen Flasche ausschenken. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die Spielregeln: Die Gäste haben sich punkt 18 Uhr im «Kinu» einzufinden; prima für die Thais, gewöhnungsbedürftig für Europäer. Dafür gibt’s zum Essen einen roten Löffel; man muss hier also kein Stäbchen-Akrobat sein. Stäbchen kriegt man zum Abschied, mit eingraviertem Namen.
Chef’s Sashimi & Tottori-Wagyu. Die Highlights im Kyro-ryori-Menü? Tsukuri alias «Chef’s daily catch sashimi». Wir kriegen Scheiben vom Toro (aus dem Tuna-Bauchlappen) und vom Red Snapper; letzterer kriegt auf einem Holzkohle-Öfeli und mit dem Bunsenbrenner noch den Extra-Kick. Eine kleine Lektion gibt’s auch noch: «Frisch geriebener Wasabi ist nicht so scharf. Man streicht ihn auf den Fisch und taucht dann alles zusammen in die Schale mit Soja», sagt Chef Maeda. Die «Beilage» ist auch begeisternd: Eine japanische Auster in einem erfrischenden Ponzu-Gelee. Im Hauptgang dann wenig überraschend Wagyu-Beef. Allerdings vom anderen Stern: Tottori A5! Wagyu aus der Tottori Prefecture ist Rolls Royce-Klasse, kaum zu kriegen. «Aber Chef Takagi hat eben die guten Verbindungen», freut sich sein Statthalter.
«Le Normandie»: Alain Roux & sein berühmter Homard bleu. «Le Normandie», ein todchices Rooftop-Restaurant mit Blick auf den Choa Praya River, ist in erster Linie Treffpunkt der Bangkok-Elite, und die will zwingend einen berühmten Sternekoch im Haus. Den kriegen sie: Die Familie Roux vom «The Waterside Inn» in Bray-on-Thames, drei Michelin-Sterne seit 38 Jahren (!), liefert die Rezepte und mit Phil Hickman auch gleich den Küchenchef dazu. Vater Michel Roux war der erste Koch mit drei Sternen im Vereinigten Königreich und trug den Ehrentitel O.B.E. (Officer of the Most Excellent Order of the British Empire»), Sohn Alain setzt sein Werk fort. Das Rezept für das berühmteste Roux-Gericht ist 51 (!) Jahre alt. «Tronçette de Homard bleu poèlée au Porto blanc». Die Raffinesse steckt in der Sauce: Ingwer und andere asiatische Gewürze, von Papa Roux auf seiner ersten Thailand-Reise entdeckt, nach England mitgebracht und ins Rezept integriert. Auch gut: Der Turbot, serviert in einem Weinblatt mit Verjus-Emulsion und das Bananen-Soufflé. Weniger gut: Die ausgetrocknete, panierte Milke und die Polenta ohne jeden Charakter zum dafür untadeligen Perlhuhn.
Der Mandarin Oriental-Code: 4:1! Die Konkurrenz am Chao Phraya River ist unglaublich. Luxushotel um Luxushotel eröffnet, aber natürlich will das Mandarin Oriental, eröffnet am 14. Mai 1887, auch den 150. Geburtstag als «Platzhirsch» feiern. «Wir dürfen nicht zum Museum werden», sagt der in Vevey aufgewachsene General Manager Anthony Tyler. Also wurden 90 Millionen USD investiert und der «River Wing» vollständig umgebaut. Operation geglückt: Die 331 Zimmer und Suiten sind moderner, heller und grösser geworden, ohne die Stammgäste, die zum Teil seit Jahrzehnten hier absteigen, zu verärgern. Das «Mandarin» hat seine Position als Gourmet-Hotel ausgebaut (elf Restaurants & Bars!) und spielt seinen grössten Trumpf weiterhin hin aus: 1300 Mitarbeiter, im Schnitt 14 Jahre im Haus, machen mit einem Lächeln einen hervorragenden Job, vom Frühstück auf der Terrasse (Noodle soup & pork!) bis zum letzten Drink nach Mitternacht in der legendären «The Bamboo»-Bar (mit Live Jazz). 1300 für 331 Zimmer? Das ist eine «4:1 staff-to-guest service ratio». Wahrscheinlich Weltrekord.