Text: David Schnapp Fotos: Nik Hunger
Harziger Start. Manuel Steigmeier ist ein erstaunlicher junger Koch. Der erst 24-jährige hat im Juli 2017 in Sulz bei Künten sein erstes eigenes Restaurant eröffnet – zusammen mit seiner Partnerin Alexandra von Allmen. Alle Eckdaten des neu gebauten Lokals, auf der Fläche eines früheren Ausflugsrestaurants, deuteten dabei auf eine herausfordernde Aufgabe hin. Das Restaurant «Fahr» liegt am Rande eines Naturschutzgebietes an der Reuss. Hier kommt niemand zufällig vorbei, «es fährt kein Bus und nachts leuchten kaum Strassenlaternen», sagt er. «Ich war anfangs möglicherweise zu blauäugig», gibt der ruhig wirkende junge Mann heute offen zu. «Der Start war harzig, und so wie wir kochen, sind wir im Kanton Aargau Sonderlinge», sagt er.
Anfängerfehler. Mit einigen Anpassungen, haben die beiden engagierten Gastronomen aber ihr Restaurant auf Erfolgskurs gebracht und sich in die Herzen der Gäste gekocht. Bald wurden Journalisten und Tester auf den talentierten Aargauer aufmerksam: 14 Punkte im GaultMillau und eine Reihe von begeisterten Zeitungsberichten waren die Folge. Manuel Steigmeier spricht dennoch ehrlich über seine Anfängerfehler: «Wir hatten zu viel Personal, und wir hatten unterschätzt, dass viele Gäste nicht bereit sind aus einem Menü auszuwählen. Sie möchten zum Hauptgang einfach ihr Stück Fleisch.»
Steakkarte mit Luma Beef. Das Menü ist geblieben, man stellt es sich aus einer Auswahl von zwölf Gerichten selbst zusammen. Für anspruchslose Esser gibt es eine Steakkarte mit Fleisch von Luma Beef. Steigmeiers Küchenphilosophie erklärt er selbst so: «Wir verwenden kaum Luxusprodukte und nur Fisch aus der Schweiz», sagt er. Gemüse und Früchte kommen möglichst aus der Region. Nur eine Ausnahme macht er: «Der holländische Rhabarber ist geschmacklich so viel intensiver, da nehmen wir diesen.»
Mittagessen für die Brüder. Manuel Steigmeier ist Koch aus Leidenschaft und Überzeugung. Schon als Zehnjähriger hat er angefangen für seine vier älteren Brüder einfache Mittagessen zuzubereiten, wenn die Eltern bei der Arbeit waren. «Ich hatte immer schon Freude am Kochen, das fing damit an, dass ich meiner Mutter in der Adventszeit beim Guetslibacken geholfen habe», erzählt der junge Mann. Seine Lehre hat er dann im «Bären», Birmenstorf (14 Punkte), bei Sous-vide-Pionier Harry Pfändler gemacht, es folgte ein Job bei David Martinez im Zürcher «Clouds», die Wirtefachprüfung und schliesslich schon der eigene Betrieb.
Humm, Frantzén, Caminada. Steigmeier konnte also nicht jahrelang bei grossen Köchen abschauen, wie man es macht. Seine Inspirationen hole er mal von Instagram, mal aus Büchern wie «Modernist Cuisine». Und «ich bewundere Köche wie Daniel Humm oder Björn Frantzén, die hervorragend, aber reduziert kochen», sagt er. Aus beruflicher und unternehmerischer Sicht sei Andreas Caminada ein Vorbild: «Er hat von null auf etwas Grosses geschaffen, das finde ich fantastisch.»
Irritierender Dill. Neun Angestellte beschäftigen Alexandra von Allmen und Manuel Steigmeier heute. Sein Führungsprinzip beschreibt der Koch als kooperativ und teamorientiert. «Die Leute sollen Spass haben und Freude am Beruf empfinden. So geht man anders durchs Leben», ist er überzeugt. Wer seinen Job gern mache, der habe auch in der Freizeit die Augen offen und komme auf neue und spontane Ideen, so Steigmeier. Und es mache keinen Sinn, jemanden zu bremsen, der gewisse Stärken habe. «Desserts sind zum Beispiel nicht meine Kernkompetenz, da lasse ich meinen Patissier Thorsten Krause wirken», so der Küchenchef. Dass der auch mal Kräuter wie Dill ins süsse Finale einbaut, sei zwar zeitgemäss, könne aber im kulinarisch eher konservativen Aargau schon mal für Irritation sorgen, erzählt Steigmeier.
Forelle, Lamm, Holunder. Manuel Seigmeiers Kreationen wirken schlicht und werden sehr grafisch angerichtet: Forelle aus regionaler Zucht mit Kirschen, Rotweinzwiebelcreme und Quark oder grillierte Lammhuft mit Aprikosenjus und feinen orientalischen Noten durch Gewürze, Pistazien und Kichererbsen. «Es ist schwieriger mit wenigen Komponenten auf dem Teller zu überzeugen, weil das Wenige dann perfekt sein muss», sagt Steigmeier. Die Konzentration auf das Wesentliche wird auch beim Dessert sichtbar. Es besteht im Grunde genommen aus einem einzigen Produkt: Holunder – die Blüten als Gel, die Blätter als Glace und die Beeren eingemacht – ist auf dem Teller akkurat drapiert.
Der Weg ist das Ziel. Seine Gerichte entstünden im Team, sagt Manuel Steigmeier. Während der Arbeit werde mit Ideen jongliert, jeder bringe sich ein und am Ende entscheiden Geschmack und Optik. Und auch wenn der junge Aargauer zu einer neuen Generation von Köchen gehört, die auf das Team setzen und nicht mehr in der Küche herumschreien: «Am Ende muss ich natürlich entscheiden», sagt er. Wichtig sei ihm der Weg bis zu einer Entscheidung, den müsse man als Küchenmannschaft gemeinsam gehen.
>> Restaurant Fahr
GaultMillau und Partner American Express scouten junge Chefs, die die Zukunft vor sich haben. Die ersten Namen auf der neuen Liste «Talente 2019» Ale Mordasini, («Krone» Regensberg), Marco Campanella («La Brezza», Ascona), Giuseppe D’Errico («Ornellaia» Zürich), Thomas Bissegger («1904 Designed by Lagonda», Zürich und Dominik Sato («Seepark», Thun). Fortsetzung folgt.