Text: David Schnapp Fotos: Lucia Hunziker, Digitale Massarbeit, Sampics

Erfolgreiches Tandem. Sie haben eine höchst ungewöhnliche, aber auch aussergewöhnlich erfolgreiche Arbeitsbeziehung: Koch des Jahres Tanja Grandits und ihr Küchenchef Marco Böhler haben im Tandem aus dem «Stucki» in Basel eines der besten Restaurants der Schweiz gemacht. Während sie die grossen Linien skizziert und die kulinarische Handschrift prägt, hält er den alltäglichen Wahnsinn in einem grossen Haus mit über 30 Angestellten unter Kontrolle.

 

«Darüber sprechen wir nicht.» Marco Böhler feiert im Mai sein 15-Jahre-Jubiläum im «Stucki», wo der fleissige Schwarzwälder 2005 als Entremetier begonnen hat. Der 35-Jährige stammt aus einer Gastronomenfamilie, seit 1893 führen die Böhlers den «Hirschen» im Münstertal. Und wenn der «Stucki»-Küchenchef eigentlich frei hätte, kocht er sonntags zu Hause im Gasthof «Entrecôte, Pommes und Schwarzwälder Spezialitäten», wie er sagt. Für Böhler ist klar, dass er als einziges Kind irgendwann in den Familienbetrieb zurückkehren wird. «Das Haus gehört uns seit fünf Generationen, das gibt man nicht einfach auf», sagt er. Und auch seine Chefin weiss das. Aber er macht sich darüber keine Gedanken – «dafür fehlt mir die Zeit». Und Tanja Grandits sagt pragmatisch: «Darüber sprechen wir vorläufig einfach nicht.»

Tanja Grandits und Team Stucki Basel

Einheit in Schwarz: Tanja Grandits mit ihrem grossen «Stucki»-Team.

Denken wie ein Unternehmer. Währenddessen behält Böhler den Überblick: Im «Stucki» ist er für die Ausbildung von fünf Lehrlingen ebenso zuständig wie für den Kontakt zu Lieferanten und Produzenten. Ist ein Ofen kaputt, nimmt der Küchenchef zunächst mal selber den Schraubenziehen in die Hand. Er kümmert sich um die Heizung und selbst um die Beschaffung von Spülmittel: «Wenn ich sehe, dass Reiniger irgendwo 33 Prozent günstiger ist als sonst, fahre ich mit dem Lieferwagen hin und besorge ein paar Kanister davon.» Böhler denkt und handelt unternehmerisch, als gehörte das Restaurant ihm. Auch das macht ihm zu einer herausragenden Nummer zwei.

 

Menschlichkeit und Respekt. Als eine seiner wichtigsten Aufgaben sieht er allerdings nicht ökonomische oder technische Fragen an sondern menschliche. Das in der «Stucki»-Küche niemand rumschreit, ist für ihn Grundvoraussetzung: «Wir haben so viele Kulturen im Team und jeder ist auf seine Art speziell. Meine Aufgabe ist es, mit jedem klarzukommen, jeden zu unterstützen. Und mir liegt viel am gegenseitigen Respekt. Der muss auch für den Abwascher vorhanden sein, darauf achte ich sehr», sagt Böhler in seiner typischen bescheidenen, aber bestimmten Art.

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Einsatz an allen Fronten: Böhler im V-ZUG-Foodtruck...

Kalbshaxe (24 Stunden bei 64° souvide gegart, auf dem BGE glasiert mit Marinade aus Soyasauce, Sherry, braunem Zucker, Salz und Rosmarin) Marco Böhler, Grillieren mit Freunden am Big Green Egg, im Garten des Restaurant Stucki, Basel, 04.05.2018, Foto Lucian Hunziker

… und mit einer Kalbshaxe am Grill.

Böhlers Freiraum. Während seiner Lehre hat der Koch viele Wettbewerbe bestritten, war beim Kremlin Cup in Moskau oder bei den Chicago Classics. Tanja Grandits sagt über ihn, sie sei noch nie jemandem begegnet, der so viel über Techniken und Produkte wisse. «Marco kann aus dem Stehgreif die exakten Temperaturen für das Kochen der verschiedenen Zuckergrade nennen, weiss aber auch, wie man eine Terrine perfekt einsetzt», erzählt die Chefin. Und sie lässt ihm Freiraum: Böhler ist ein Meister der klassischen Küche und bereitet schon mal für Stammgäste exklusiv einen Fasan zu. Auch die Kalbshaxe, die immer wieder auf dem «Stucki»-Menü auftaucht, ist ein echter Böhler. «Marco kann vieles, was ich nicht kann und dafür bewundere ich ihn sehr», sagt Tanja Grandits.

Tanjas Führungsprinzip. Vorläufig ist das «Stucki» ohne seinen versierten einsatzfreudigen Küchenchef Marco Böhler nicht denkbar. Aber als umsichtige, feinfühlige Teamleaderin weiss Tanja Grandits, dass ein grosses Projekt wie ihres auf vielen tragenden Säulen stehen muss. Neben Böhler sind auch Patisserie-Chef Julien Duvernay und die beiden Sous-Chefs Fabian Wehrli und Andre Kneubühler hervorragende «Schattenmänner», die ganz selbstverständlich Verantwortung übernehmen. So wie sie in ihrer Küche eine eigene, unverwechselbare Handschrift entwickelt hat, führt Tanja Grandits auch: unkonventionell, aber unbestreitbar erfolgreich.