Fotos: David Künzler
Erste Charge: 38 Lammrücken. Für sie zählt das Zwischenmenschliche. Auf der einen Seite ist die Rede von Marco Böhler («Stucki» Basel, 19 Punkte), auf der anderen Seite von Rolf Bohren, Metzger in Grindelwald. Höchstpersönlich besucht der Küchenchef aus Tanja Grandits’ Team jeweils seinen Fleischlieferanten im Berner Oberland. Und weil sie beide gerne jagen, skifahren, essen und trinken, gehen ihnen die Gesprächsthemen auch nie aus. «Wir trinken jedes Mal mindestens einen Kaffee zusammen – wenn möglich, geht's sogar für ein Mittagessen in die Beiz», sagt Böhler. So war es jüngst wieder, als er rund zehn Tage vor Ostern 38 Lammrücken abholen ging, «die erste Charge für diesen Frühling.» Grosses Bild oben: v.l. Marco Böhler, Metzger Rolf Bohren, Bauer Hermann Wyss.
Erster Grosseinkauf vor zehn Jahren. Vor etwa zehn Jahren haben sich Koch und Metzger kennengelernt. Damals arbeitete Bohren noch bei seinem früheren Arbeitgeber Hans Boss, der in Grindelwald ebenfalls Fleisch von bester und vor allem konstanter Qualität verkaufte. Marco Böhler erinnert sich mit einem Schmunzeln an den ersten Besuch in der Metzgerei: «Ich betrat den Verkaufsraum, und eine ältere Dame wollte mich vorlassen – weil sie meinte, sie mache ganz bestimmt den grösseren Einkauf!» Doch täuschte sich die gute Frau, denn er hatte 50 Lammrücken vorbestellt!
Drei Jäger gründen eine GmbH. Im November 2022 schloss Metzgermeister Boss sein Ladengeschäft, nachdem er 12 Jahre lang vergeblich nach einem Nachfolger gesucht hatte. Seine Mitarbeiter Rolf Bohren, dessen Cousin Adi Bohren und als Dritter im Bunde Jens Stauffer taten sich darauf zusammen und bezogen den heutigen Metzgersraum. Dieser liegt etwas versteckt in einer Garage des wuchtigen Betonbaus des «V-Bahn-Terminal» in Grindelwald, Ausgangspunkt für tausende von Fahrten ins Jungfraugebiet. Nur ein aus Jux hingeklebtes Preisetikett am Fenster verrät, dass hier die «Eiger Wild-Metzg GmbH» zu Hause ist. Vor Ort verarbeitet das Trio – allesamt Jäger – Tiere, die sie selbst erjagt haben. Zudem zerteilen sie Lämmer, Kälber und Schweine für verschiedene Bauernbetriebe in der Gegend.
Das Lamm landet auf einem grünen Teller. Fleisch sei erstens ein teures Produkt, und darum zweitens Vertrauenssache. «So wie Kaviar, Trüffel oder Fisch auch», sagt Marco Böhler. Er nimmt einen Lammrücken in die Hand und zeigt, worauf es ankommt: Das Fleisch ist etwa vier Wochen gelagert und zeigt eine tiefrote Farbe. Rund um den Knochen ist kein überschüssiges Blut, der Rücken ist praktisch geruchlos. Mit den Fingern zählt er die Koteletts ab und meint: «Das gibt bei uns ungefähr 18 Hauptgänge!» Voraussichtlich möchte er die Stücke mit Lattich und Schnittlauch kombinieren, «es wird einen grünen Teller geben.»
Schwarzwäldertorte von Marcos Mutter. Ungefähr sechs bis sieben mal jährlich trifft Böhler seinen Grindelwalder Metzger. «Dieses Jahr könnte es häufiger werden», fügt Rolf Rohren lachend an. Er wolle nämlich unbedingt bald mal bei Marcos Mutter im Schwarzwald vorbeigehen, um deren berüchtigte Schwarzwälder Torte zu probieren! Doch heute steht zuerst ein anderer Besuch an: bei einem der Bauern, von dem die Lämmer der «Eiger Wild-Metzg» her sind. Nach fünf Minuten Autofahrt stehen die zwei Männer mitten in einer Schafherde auf der Wiese, zusammen mit Bauer Hermann Wyss. Von hier aus blickt man bemerkenswerterweise direkt auf den V-Bahn-Terminal und die Metzgerei. Als Marco Böhler wissen will, wie viele Tiere der Landwirt denn besitze, kommt die Antwort im breitesten Oberländer Dialekt: «Sechzig oder siebzig, derzeit weiss ich das nicht genau.» Was er genau weiss: «Es sind 33 Mutterschafe!»
Fleisch aus der Schweiz ist von hoher Qualität. Grund dafür sind strenge Gesetze und die natürlichen Ressourcen. Die Schweizer Fleischproduktion hebt sich von derjenigen im Ausland ab. Das betrifft Betriebsgrössen, Haltung, Fütterung und Rassen. Auch bei Themen wie Tierwohl und Tierschutz geht die Schweiz einen Sonderweg.
Betriebsausflug nach Basel. Selbstredend wäre der zeitliche Aufwand wesentlich geringer, wenn Marco Bühler sein Lammfleisch für die Osterzeit einfach bei herkömmlichen Lieferanten bestellen und liefern lassen würde - für ihn ist es aber keine Option. Umgekehrt ist das Interesse des Metzgers an seinem Abnehmer mindestens so gross: Selbstverständlich sei er, sagt Rolf Bohren, schon im «Stucki» zu Gast gewesen. Mit Freude erinnert er sich an den Abend mit seinem Metzgerkollegen in Basel. «In zwanzig Jahren Zusammenarbeit war dies unser einziger Betriebsausflug - dafür liessen wir es aber richtig krachen.» Was sie bei Marco und Tanja gegessen hätten, sei fantastisch gewesen. So unvergesslich wie eine Weltreise, «Mir hat es sehr gefallen, was sie mit unserem Lamm dort machen!» Wie schön, wenn beide Enden der sogenannten Wertschöpfungskette so nah beieinander liegen.