Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder, Joseph Khakshouri, Rémy Steinegger, HO

Perfektes Hochdeutsch. Sein Name klingt, als wären die Vorfahren seit Generationen im Tessin heimisch, aber Marco Campanella spricht perfektes Hochdeutsch: Aufgewachsen auf der deutschen Seite des Bodensees, war die Küche immer schon die natürliche Umgebung des sympathischen Kochs mit dem gepflegten Bart. «Meine Eltern haben 32 Jahre lang ein italienisches Restaurant geführt, mit dem Geruch von Pasta und Tomatensauce bin ich aufgewachsen – er bedeutet immer noch Heimat für mich», erzählt der 27-Jährige. Als Kind sei er jeden Tag nach der Schule zu Hause in die Restaurantküche gestürmt und habe mitgeholfen Salate anzumachen oder Teller zu dekorieren.

 

Perfekter Start. Marco Campanella gehört zu den grossen Talenten der Schweizer Gastronomie, an seiner ersten Stelle als Küchenchef im Gourmetrestaurant «La Brezza» des Swiss Deluxe Hotels «Eden Roc», hat er Fachleute und Publikum gleichermassen und schnell überzeugt. Schon nach wenigen Monaten gab es 16 Punkte und die Auszeichnung «Entdeckung des Jahres» vom GaultMillau sowie einen Stern vom «Michelin». Das sei das Ergebnis einer hervorragenden Teamleistung, sagt das junge Talent: «Ich bin meinem Sous-Chef Luca Ceriani und meinen Jungs enorm dankbar, dass sie mit mir zusammen wie eine junge, dynamische Familie anpacken», so Campanella.

Marco Campanella

Sorgfalt in jedem Detail: Marco Campanella nimmt es beim Kochen genau.

Krapf, Dalsass, Fliegauf, Caminada. «Ich wollte immer schon lernen, wie man eine perfekte Tomatensauce macht», sagt Campanella über seine Motivation, Koch zu werden. Seine Eltern hätten das nicht von ihm erwartet, «mein Vater hat mir eher abgeraten», sagt der ehrgeizige junge Küchenchef. Aber er habe ihm auch geraten, das zu tun, was ihm Spass mache. Campanella lernte in einem Traditionsbetrieb die Geheimnisse der schwäbischen Küche kennen, wie man zum Beispiel den Spätzleteig so lange schlägt, bis er Blasen wirft. Danach zog es ihn bald in die Schweiz. Zu seinen wichtigsten Lehrern hier gehörten Rolf Krapf, der frühere «La Brezza»-Chef, Martin Dalsass, Rolf Fliegauf und Andreas Caminada.

 

Tomaten und Sardinen. Campanella hat Ideen aller seiner Lehrmeister weitergetragen, er serviert in seinem Menü perfekte Ravioli mit Asche-Streifen und Carbonara-Füllung, kombiniert klassische Koch-Techniken gekonnt mit modernen Espumas und möchte, dass «eine Karotte wie eine Karotte schmeckt». Seine Küche ist weltoffen, geschmacksintensiv und hat doch diese leichte «Italianità», die zum Koch selbst und natürlich zum Tessin passt. Wie zum Beispiel bei dem Tatar aus drei verschiedenen Tessiner Tomaten und drei unterschiedlichen Zubereitungsarten (roh, konfiert, leicht getrocknet) mit einem Tomatenwasserschaum, Basilikumeis und roh marinierten Sardinen – ein sehr starkes Gericht.

Keine künstlichen Grenzen. Seine Inspirationen erhält der wache, aufmerksame Koch aus verschiedensten Quellen. «Etwa alle zwei Tage gehe ich mit meinem Sous-Chef Kräuter sammeln – Schafgarbe, Klee oder Portulak», erzählt Marco Campanella. Das Tessin biete viele Möglichkeiten, aber das junge Talent will sich keine künstlichen Grenzen setzen. Die Inspriation zum Pre-Dessert aus erfrischendem Kräutersorbet, hauchfein mit Schokolade überzogen, holte er sich auf einer längeren Asienreise im letzten Herbst: In Vietnam hat er gesehen, wie mit Metallformen Waffeln zubereitet werden. Er liess sich von einem lokalen Handwerker sternförmige Formen herstellen, und nutzt diese jetzt, um seinem Pre-Dessert eine charakteristische Form zu geben.

Hotel Eden Roc Ascona

Viele Möglichkeiten im Tessin: Das Hotel Eden Roc in Ascona.

Mut, Ehrgeiz und Handwerk – Marco Campanella hat alle Eigenschaften, die ein guter Koch braucht, um ein Grosser zu werden. Auch seine Idee davon, was wichtig ist in einer Spitzenküche, zählt dazu. «Ich achte auf Details: Ein Blümchen, das den Kopf hängen lässt, möchte ich nicht auf dem Teller», sagt er zum Beispiel. Oder: «Wir Köche sind in erster Linie für die Gäste da. Natürlich ist es schön, wenn man Auszeichnungen bekommt, aber darüber will ich nicht zu lange nachdenken.» Sein Ziel sei Kontinuität zu erreichen, erklärt der 27-Jährige. Fünf bis sieben Jahre gibt er sich, um im «La Brezza» eine eigene, unverwechselbare Handschrift zu entwickeln. Es wird spannend werden, Marco Campanella dabei zuzusehen.

 

>> GaultMillau und Partner American Express scouten junge Chefs, die die Zukunft vor sich haben. Die ersten Namen auf der neuen Liste «Talente 2019» Ale Mordasini, («Krone» Regensberg) und Giuseppe D’Errico («Ornellaia» Zürich). Und jetzt Marco Campanella («La Brezza» im Hotel Eden Roc, Ascona) Fortsetzung folgt.