Text: Kathia Baltisberger Fotos: Julie de Tribolet/Olivia Pulver
Spitzenküche im «Café». Alleine schon wegen der roten Mähne muss sie einem sofort ins Auge stechen: Marie Robert. Die Frisur ist zwar eine Art Markenzeichen, aber eigentlich nebensächlich. Denn diese Frau kann kochen. Ihr Revier ist allerdings keine grosse Hotelküche, sondern das «Café Suisse» in Bex im Kanton Waadt. «Es ist natürlich kein Café im eigentlichen Sinne. Es ist schon ein Restaurant», stellt Marie Robert klar. Sie wollte lediglich den ursprünglichen Namen beibehalten. Was sie im 6000-Seelendorf kocht, bleibt nicht unbemerkt. Der GaultMillau verleiht ihr die Auszeichnung «Köchin des Jahres 2019» und vergibt 16 Punkte – das sind gleich zwei Punkte mehr als noch im vergangenen Jahr. Die Reaktion der erst 30-jährigen Jeune Restaurateur? «C’est trop cool!», freut sie sich vor versammelter Menge – sichtlich überrascht.
Lehre in Lausanne. «Damit hätte ich nie gerechnet, das ist absolut genial», sagt Robert und relativiert noch im selben Atemzug. «Da steckt auch viel Arbeit dahinter.» Dass sie einst Köchin werden möchte, das wusste Marie schon früh, obschon niemand aus ihrer Familie in der Gastronomie tätig war. Schon als Kind kreierte sie Desserts - wenn auch nicht immer mit Erfolg. Später folgte dann die Lehre im «Bleu Lézard» in Lausanne. Nach zwei Jahren wechselte sie ins Beau-Rivage. Nach dem Abschluss machte sie einen Zwischenstopp bei Starchef Thierry Marx in Frankreich, weil sie noch mehr über Finesse in den Gerichten lernen wollte. «Das war eine andere Welt und ich war vielleicht noch etwas zu jung dafür, aber ich habe dort Disziplin und Strammstehen gelernt.» Es bleibt ihre einzige Anstellung.
Elegante Villa Kunterbunt. Doch Marie ist ein Freigeist, sie will machen, was ihr gefällt und nicht stundenlang Kartoffeln schälen. Also eröffnete sie einfach ihr eigenes Restaurant. «Als ich das Café Suisse gesehen habe, sagte ich sofort: Das nehme ich!» Verständlich: Das Lokal mit der grossen Treppe und den beiden Galerien ist zauberhaft. An ihrer Seite managt Ex-Freund Arnaud Gorse den Service. Neben fantastischem Essen gibt es zwischendurch auch mal eine Tombola - verrückt, dieses «Café»! Von einer grossen Restaurantküche hat Marie Robert nie geträumt. «Ich respektiere sehr, was in einer solchen Küche geleistet wird. Aber ich habe mich nun Stück für Stück zu meinem eigenen Chef gearbeitet, das ist das, was mir gefällt.» Marie Robert sagt über sich selbst, dass sie längst nicht alles wisse. Vieles, was sie macht, ist ein Ausprobieren, ein Tüfteln. Vieles entwickelt sich erst mit der Zeit. «Ich hatte schon immer das Auge fürs Anrichten, doch mir fehlte der Geschmack. Der hat sich im Verlauf der Jahre erst entwickelt.» Dennoch hat sie ihren Stil ausgefeilt. «Verspielt, frisch, amüsant und spontan», so beschreibt sie ihre Küche selbst.
Hart im Nehmen. Als «Köchin des Jahres» reiht sich Marie Robert ein in die Liste hervorragender weiblicher Chefs: Virginie Basselot, Bernadette Lisibach, Silvia Manser oder Tanja Grandits. Sie alle kochen hervorragend, doch in der Küche sind die Frauen nach wie vor in der Unterzahl. «Ja, es gibt wirklich zu wenig weibliche Chefs.» Eine Erklärung dafür hat Marie Robert nicht. «Natürlich sagt man, unser Métier ist hart, aber ich persönlich empfinde es gar nicht als so hart. Ich denke, es gibt Menschen, die sind etwas härter im Nehmen, andere sind zarter besaitet.» Und auch auf die kulinarische Gretchenfrage – ob denn Karriere in der Küche und Kinder miteinander zu vereinen sind – sagt Robert deutlich. «Ja, ich denke, das ist machbar.» Für junge Köchinnen, die es auch diesen Weg wollen, hat Marie einen Tipp: «peu à peu» – man solle klein anfangen und kleine Schritte machen. Dann klappts auch mit dem Titel «Köchin des Jahres».
>> Le Café Suisse
Rue Centrale 41
1880 Bex