Text: David Schnapp | Fotos: Thomas Buchwalder
Seltenes Bild. Das gibt es nicht mehr in vielen Schweizer Hotels oder Restaurants zu sehen. Wenn Matteo Sgarbi den Rollwagen mit dem Gasbrenner und der Kupferpfanne vor dem Tisch aufbaut und anfängt, das Mise en Place zu erklären, ist ihm nicht nur die Aufmerksamkeit der Gäste direkt vor ihm, sondern des ganzen Raums gewiss. «Am Tisch Pasta zuzubereiten, ist für einen Italiener, als würde er zu Hause kochen», sagt der 39-Jährige aus Bologna lachend – und in ausgezeichnetem Deutsch.
Grosse Leidenschaft. Seit 2019 leitet er im 7132 Hotel in Vals das 15-Punkte-Restaurant Red, das mit Matthias Schmidberger eben einen neuen Executive Chef bekommen hat. Dabei ist Matteo Sgarbi ein Quereinsteiger, «ursprünglich habe ich eine Handelsschule besucht, war einige Zeit Barkeeper und bin erst 2011 in die Hotellerie gewechselt. Vieles habe ich vom Zuschauen gelernt, der Rest ist einfach grosse Leidenschaft», sagt der Maître, während er nun mit Pol-Roger-Champagner, etwas Pasta-Kochwasser, Hummerkarkassen, getrockneten sowie frischen Cherry-Tomaten, Chiliöl, Pfeffer – «aber kein Salz!» – die Basis für die Spaghetti Royale legt, die hier nicht mehr von der Karte wegzudenken sind.
Liebe zur Spaghetti. Die «Table Side»-Zubereitung ist weitgehend aus den Schweizer Restaurants verschwunden, es fehlt oft an Zeit und an Personal für diese Tätigkeiten, die ein Gespür für den Auftritt vor dem Gast, aber auch kochtechnische Fähigkeiten verlangen. Im A-la-carte-Restaurant 7132 Red gehört das Kochen am Tisch hingegen zum Konzept, und das passt perfekt zu einer Karte voller Klassiker der Küchengeschichte.
Jedes Detail zählt. Der Hummer wird vom Küchen-Team nur kurz blanchiert und dann am Tisch von Matteo Sgarbi fachgerecht zerlegt und schliesslich in der Sauce fertig gegart. Sobald sie die richtige sämige Konsistenz hat, muss die al dente gekochte Pasta bereit sein, dann fügt der kochende Kellner erst die Spaghetti der Marke Giuseppe Cocco aus Fara San Martino in den Abruzzen hinzu, zum Schluss kommt das Hummerfleisch zurück in die Pfanne. Dabei kümmert sich Hotelbesitzer Remo Stoffel um jedes Detail: Die richtige Pasta hat der Unternehmer geduldig in langen Tests selbst ermittelt, auf den Tisch kommt zudem nur bretonischer Hummer, der frisch aus Lebendbecken im Keller des Hauses gefischt wird.
Ein Unfall schreibt Geschichte. Ein weiterer unverzichtbarer Klassiker im A-la-carte-Restaurant ist die Crêpe Suzette. Der Legende nach wurde sie durch einen Zufall Ende des 19. Jahrhunderts erfunden, als der Kochlehrling Henri Carpentier in Monte Carlo für den späteren englischen König Edward VII. am Tisch Pfannkuchen machen sollte, und ein Likör plötzlich Feuer fing. Matteo Sgarbi hingegen weiss heute genau, was er tut, wenn er erst langsam und sorgfältig den Zucker in der Pfanne mit etwas Orangenabrieb und -Saft karamellisiert. «Wenn ich das am Abend einmal mache, dann riecht das ganze Restaurant so unwiderstehlich, dass danach fast jeder Tisch Crêpe Suzette bestellt», sagt er.
Perfekter Klassiker. Schliesslich setzt der Maître kunstgerecht mit Grand Marnier die Sauce in Flammen, bevor er die dünnen zarten Crêpes faltet, in der aromatischen Sauce wendet und mit kandierten Orangenzesten und Vanille-Eis serviert. Dabei hat der sympathische Kellner aus Bologna eine klare Vorstellung von seiner Arbeit beim Gast: «Ein Klassiker muss perfekt sein», sagt er freundlich und bestimmt.