Interview: Daniel Böniger
Christian Gujan, machen Sie einen alkoholfreien Januar?
Nein.
Und warum diese so klare Antwort?
Ich hatte dieses Jahr überhaupt keine Ferien - und jetzt im Januar habe ich endlich mal einige Tage frei. Vielleicht gehe ich ins «Disfrutar» in Barcelona, das hat ja gerade drei Michelin-Sterne bekommen, und ich kenne die Betreiber. Auch Mexiko mit seinen Restaurants ist als Destination noch im Rennen. Da möchte ich auf ein gutes Glas Wein nicht verzichten.
Die Reise wird auf jeden Fall kulinarischer Natur sein?
Ich reise eigentlich immer nur an Orte, wo man auch gut essen kann. Die Restaurants, die ich besuchen möchte, stehen immer als erstes fest.
Haben Sie Anfang 2023 einen Dry January gemacht?
Auch nicht, ich bin nicht der Typ für Abstinenz auf Ansage. Natürlich habe ich schon mal einen alkoholfreien Monat gemacht, während der ersten Corona-Pause im Bündnerland, wo ich aufgewachsen bin. Einmal habe ich mich ebenso lang vegan ernährt. Beides waren aber eher spontane Entscheide.
Gibt es denn einen Trend hin zur Abstinenz? Ihr «Glou Glou» in Luzern ist ja ein Weinbistro.
Unsere 18 Plätze drinnen kriegen wir voll. (Lacht.) Allerdings ist es uns letzten Sommer schon auch aufgefallen, dass alkoholfreies Bier boomt. Und dass unsere Virgin-Drinks, wie etwa der «Bellini Null», bei den Gästen auf Zustimmung stossen. Das hat aber nicht zuletzt damit zu tun, dass wir eine offene und interessierte Kundschaft haben.
Als das «Glou Glou» zum GaultMillau Pop des Jahres erkoren wurde, was kam da ins Glas?
Gegen Ende des Abends Mezcal und andere böse Getränke! Und natürlich gab es das eine oder andere Glas Champagner. Der französische Schaumwein ist ja auch auf unserer Getränkekarte wichtig, die ansonsten mit 95 Prozent Schweizer Produkten bestückt ist.
Was ist Ihnen sonst von der Verleihung geblieben?
Der ganze Tag war intensiv und unglaublich schön. Ich bekomme jetzt noch Hühnerhaut, wenn ich daran denke. Anfangs hiess es, es kämen vielleicht 70 Leute. Plötzlich war die Rede von 90, dann von 120 Personen - am Schluss waren 140 Gäste vor Ort. Meine Familie, die Eppissers aus Myanmar, Sebastian Rösch, das Team von Maison Manesse. Erst, als sich der Abend dem Ende zuneigte, wurde mir richtig bewusst, dass so viele bekannte Gesichter da gewesen waren. Es war für mich der schönste Tag des Jahres 2023!
Lesen Sie hier mehr über das Fest zum POP des Jahres.
Was war privat Ihr Highlight des Jahres?
Da muss ich bei den ganz einfachen Dingen bleiben. Dass es meiner Familie gut gegangen ist, und damit auch mir! So hatte ich den Kopf frei für all meine Projekte.
Denken Sie überhaupt in Jahreseinheiten mit zwölf Monaten?
Eigentlich nicht. Die Gastronomie ist inzwischen so schnelllebig, dass man einen solchen Horizont gar nicht planen kann. Auch auf der Gästeseite ist man ja seit Corona um Längen flexibler geworden.
Trotzdem möchte ich fragen, was 2024 auf Sie zukommt.
Uns wird sicher zunächst die Bar Fritz beschäftigen, unser zweites Standbein, das wir noch im Dezember zusammen mit Corinne Husmann und Robert Zupan eröffnet haben. Die Baslerstrasse, wo das Lokal sich befindet, wird ja manchmal im eher negativen Sinne als Luzerner Version der Zürcher Langstrasse bezeichnet. Ich habe in Zürich selbst ja längere Zeit an diesem Hotspot gelebt - für mich steht er für Farbigkeit und Fröhlichkeit. Und diese Atttribute passen natürlich gut zum «Fritz».
Weitere Projekte im nächsten Jahr?
Wir machen nochmals einen Umbau im «Glou Glou». Aus den zwei Takeaway-Betrieben soll auch baulich ein einziges Restaurant werden. Sicher werden wir im «Lido Beach House Luzern» ein paar Events organisieren, und vielleicht kommt sogar ein Pop-up-Projekt im Sommer dazu. Und ich freue mich auf unseren Betriebsausflug ins Schloss Schauenstein zu Andreas Caminada.
Das heisst, Sie bleiben dem «Glou Glou» treu? Man hat Sie schon in vielen Restaurants angetroffen.
Diesmal ist der Fall anders, nur schon wegen meinen beiden jungen Köchen. Sie sind für mich fast wie meine Kinder. Und brauchen meinen Support! Die beiden sind ja erst um die 20, ich bin mittlerweile 44. Sie werden übrigens nicht glauben, wie jung mich die zwei halten.
Müssen Sie das jugendliche Feuer der beiden in Zaum halten?
Meist ist es umgekehrt, und sie müssen mich bremsen. Wenn ich beispielsweise ständig mit neuen Produkten und Gerichten komme, die ich gerne ins Angebot einbauen würde. Leider ist bei unserer Infrastruktur nicht jede Idee umsetzbar. Das ist auch der Grund, weshalb ich verstehen könnte, wenn sie irgendwann weiterziehen - auch wenn es mir das Herz brechen wird. Wir unternehmen ja auch privat gerne Dinge zusammen und besuchen andere Restaurants, Winzer oder Produzenten.
Was konnten Sie den Köchen bisher mit auf den Weg geben?
Ich konnte Ihnen, glaube ich, vermitteln, mit welchen schönen Produkten wir täglich arbeiten dürfen. Ich kenne diesbezüglich fast keine Grenzen nach oben - weshalb unsere Warenkosten auch vergleichsweise hoch sind. Als wir kürzlich Ragout aus Wagyu-Zunge gemacht haben, konnte ich sehen, wie sie echte Freude daran hatten! Auch Hirn-Nuggets mit Kimchi-Salat hatten wir schon auf der Karte, die 15 Portionen gingen problemlos weg! Solche exotischen Zubereitungen sehen die jungen Köche bei mir wahrscheinlich häufiger, als wenn sie in irgendeiner Highend-Küche arbeiten würden.
Ihre Gäste in Luzern sind offensichtlich für vieles offen. Vermissen Sie Zürich überhaupt nicht?
Meine Güte, ich habe Zürich geliebt, war Tag und Nacht unterwegs. Und tatsächlich hatte ich so meine Anfangsschwierigkeiten mit Luzern - nach meinen drei Jahren im KKL bei Michèle Meier musste ich oft noch Google Maps verwenden, um mich von A nach B zu bewegen. Ich kehrte danach nochmals kurzzeitig an die Limmat zurück, bis es mich wieder nach Luzern verschlug - und erst da habe ich mich wirklich in die Stadt verliebt. Sehen Sie, die Leute sind entspannter als in Zürich. Der See mit den unglaublich nahen, imposanten Bergen ist unvergleichlich. Kommen noch die kurzen Arbeitswege hinzu.
Sie haben immer wieder zwischen verschiedenen Konzepten gewechselt. Wenn ich künftig Erfolg haben möchte, eröffne ich da besser ein gehobenes Gourmetlokal oder eine einfache Bar?
Ich glaube, erfolgreich ist man dann, wenn man mit Herzblut dabei ist. Da spielt die Sparte, in der man sich positioniert, letztendlich keine grosse Rolle.
Was zur letzten Frage führt: Wie behält man denn die Freude am Beruf in dieser wirklich nicht ganz einfachen Branche?
14-Stunden-Schichten, Wochenenddienste, et cetera - man muss lernen, all diese widrigen Umstände zu akzeptieren. Und sich in einem zweiten Schritt zu freuen beginnen, dass man den Gästen ganz viel Freude mit Essen und Trinken bereiten kann. Diese guten Erlebnisse am Tisch sind das, was das Gastgebersein ausmacht.
>> CHRISTIAN GUJAN, 44-jährig, betreibt seit Mai 2022 das «Glou Glou» in Luzern. Das Weinbistro wurde von GaultMillau jüngst als «POP des Jahres» ausgezeichnet. Zu den Stationen des gebürtigen Bündners als Gastgeber gehörten Rigiblick, Mesa und Maison Manesse in Zürich sowie das Lucide in Luzern.