Text: Elsbeth Hobmeier I Fotos: Remo Nägeli
Freizeitprogramm: Training! Der Mittwoch ist ihr freier Tag in der Wüthrich Metzg AG in Münchenbuchsee. Von wegen frei: Dann fährt Ariane Aeschlimann zum Training ins Ausbildungszentrum nach Spiez. Die zierliche 24-jährige ausgebildete Fleischfachfrau, die sich «lieber als Metzgerin» vorstellt, greift dort zum Beil. Fleisch ausbeinen und dressieren, Special cuts schneiden, küchenfertige Produkte herstellen, eine BBQ-Platte mit zehn verschiedenen Grillspezialitäten vorbereiten, Fingerfood-Apérohäppchen kreieren. So lautet das Übungsprogramm, das sie unter Begleitung von Sascha Fliri absolviert. Er ist der Leiter Schulbetrieb des Schweizer Fleischfachverbands. Das Beil wiegt happige eineinhalb Kilo. «Wenn ich allzu viel übe, ist mir schon mal der Arm eingeschlafen», sagt die junge Frau. Um die Muskeln zu stärken, geht sie jetzt in die Physiotherapie. Und um die psychische Herausforderung möglichst gut zu meistern ins Mentaltraining. Ariane Aeschlimann, Metzgertochter aus Uettligen bei Bern und zurzeit Fleischfachfrau in Münchenbuchsee, hat ein klares Ziel. Dafür gibt sie alles: Sie tritt für die Schweiz an den EuroSkills in Danzig an, im Kampf um die Medaille in ihrer Sparte. Dies als einzige Frau unter sieben Kandidaten.
Kunstwerke aus Fleisch. Am 1. September reisen 17 junge, ambitionierte und hochqualifizierte Schweizer Fachleute verschiedenster Berufe nach Polen. In Danzig treten sie zu den «Skills» an und kämpfen auf europäischer Ebene um die Medaillen. Ariane: «Zuerst sind wir im Vorbereitungscamp, am 5. September ist die Eröffnungsfeier und am 6. gehen die Wettkämpfe los.». Wie muss man sich den Wettkampf vorstellen? «Für jede meiner fünf Disziplinen ist je fast ein halber Tag veranschlagt». Also Ausbeinen, dressieren, küchenfertige Produkte zubereiten, Fingerfood, Grillplatte. Eine BBQ-Platte mit Entrecôte und Grillwürsten? «Nein, nein», lacht Ariane Aeschlimann, «das wäre etwas allzu einfach». Sie zeigt Fotos von Übungsstücken: Ein Lammnierstück in weissen Lardo gewickelt, zusammengehalten von einem grünen Band aus Schnittlauch. Oder eine Rindsroulade mit kunstvollem Innenleben aus Gemüsekeilen und Fleischfarce. Und kleine Wunder von Spiessli, auch in vegetarischer Version. «Ich muss auch ein Poulet auf verschiedene Arten ausbeinen und werde in Sachen Special Cuts geprüft». Im Training lerne sie, auf was es ankommt. Sie weiss: Es muss schön präsentieren, der möglichst wenige Abfall soll sauber getrennt werden, das ganze Tier soll verwertet werden. «Food waste ist ein grosses Thema, man darf keine Resten übriglassen.» Eine weitere Hürde: Wettkampfsprache ist Englisch! Ariane wird nicht so schnell nervös. Nur wenn es zeitlich eng werde, spürt sie «ein gewisses Flattern».
Spezialistin für Fleischplatten. Welche Arbeit mag Ariane Aeschlimann am liebsten? «Ganz klar das Legen von Fleischplatten», kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Ihre Begabung dafür spürte sie bereits in der Kochlehre, ihrer Erstausbildung. Deswegen beschloss sie, noch eine Lehre als Fleischfachfrau anzuhängen. Und an ihrem jetzigen Arbeitsort, der Wüthrich Metzg in Münchenbuchsee, ist sie verantwortlich für die Fleischplatten, die Zubereitung küchenfertiger Spezialitäten wie Suure Mocke, Pastetlifüllung und Spätzli, überhaupt für das gesamte Catering. «Je schöner die Platten werden, desto mehr werden bestellt», freut sie sich. Dann schichtet sie wahre Kunstwerke aus hauseigenen Produkten wie geräucherter und getrockneter Hostet-Schinken, verschiedenste Rohwürste, Pasteten, Terrinen, Haus-Salami und -Fleischkäse. Ihr Arbeitgeber unterstützt sie auch im Hinblick auf die EuroSkills. «Das ganze Wüthrich-Team wird nach Danzig anreisen und mich motivieren. Auch meine Eltern und mein Freund werden da sein», freut sie sich.
Die Metzgerei der Eltern. Ariane Aeschlimann ist aktives Mitglied in der Landjugend und im Turnverein. Im Juni leitete sie als Festwirtin die riesige Festwirtschaft des Mittelländischen Turnfests in Wohlen bei Bern. Und jetzt ist neben der täglichen Arbeit fast jede Minute verplant für die bevorstehende EuroSkills-Herausforderung. Ist danach endlich etwas Relaxen angesagt? «Wohl kaum, im Herbst fange ich die zweijährige Weiterbildung zur Betriebsleiterin Fleischwirtschaft an». Später einmal übernimmt sie vielleicht die elterliche Metzgerei in Uettligen. Aber zuerst steht der Wettbewerb in Danzig im Fokus der beeindruckend engagierten, jungen Frau. Auch da sieht sie sehr klar: «Natürlich gebe ich alles für einen Sieg», sagt sie, «aber wenn es nicht klappen sollte, ist es ein grosser persönlicher Gewinn. Ich kann auf dem Weg dorthin so viel lernen und so viel Spannendes erleben. Das ist am Ende sogar wichtiger als die Medaille».