Text: Kathia Baltisberger | Fotos: Olivia Pulver
Herbst im «Rosa Pulver». Michael Dober steht in der Küche des «Rosa Pulver» in Winterthur und richtet das neue Herbstdessert an: Eine Bayrische Crème aus gerösteter Hefe, dazu gibts Quitten und ein Glace aus weisser Schokolade. Zwischendurch schnabuliert Dober einen der getrockneten Quittenschnitze, die für das Topping gedacht sind. «Man muss ja auch mal probieren, bevor man neue Gerichte schickt», sagt Michael Dober scherzhaft. Der 32-jährige St. Galler ist einer der besten Köche der Eulachstadt. Das «Rosa Pulver» war zunächst ein Zwischennutzungsprojekt auf dem Kasernenareal, seit einigen Jahren ist Dober mit seiner Crew mitten in der Altstadt sesshaft geworden.
Vom Papier auf den Teller. Der 14-Punktechef kostet seine Gerichte natürlich nicht erst kurz bevor er sie seinen Gästen serviert. Dennoch ist das Probieren nicht der erste Schritt beim Kreieren von neuen Menüs. «Wir wechseln die Karte ungefähr alle sieben Wochen. Wenn ich neue Ideen habe, tüftle ich erst zu Hause. Neue Gerichte will ich immer zuerst theoretisch auf dem Papier haben, erst dann probiere ich es aus.» Steht das Menü in groben Zügen, testen die Kollegen und es geht ans Fine Tuning. Im «Rosa Pulver» geht man die Dinge gemeinsam an.
Vom Konditor zum Koch. Dass Michael Dober einst als Küchenchef in einem GaultMillau-Restaurant arbeiten wird, war als Kind noch nicht abzusehen. Seine Familie führt in Flawil SG eine Confiserie. Aufgewachsen ist er umgeben von Éclairs, Profiteroles und Hefestollen – ein Traum für jedes Kind. «Das habe ich gar nicht so empfunden. Für mich war das selbstverständlich. Und wir mussten früh helfen. Der Betrieb meiner Eltern hat mir gezeigt, dass man mit Arbeit und Fleiss viel erreichen kann», erzählt Dober. Dem Süssgebäck abgeneigt war er trotzdem nicht. «Am liebsten mochte ich St.-Honoré-Torte, Glacetorten und Mandarinen-Givrée.» Mit all dieser Inspiration direkt vor der Nase entschied sich Michael Dober für eine Lehre als Konditor. «Ich habe auch als Koch geschnuppert. Aber ich war noch ein so kleiner Bub, da war ich überfordert mit der Atmosphäre in der Küche. In der Backstube habe ich mich wohler gefühlt.»
Adam, Lampart, Oslo. Die Kochlehre hing Dober dennoch unmittelbar an. Nicht, dass ihm die Arbeit als Konditor nicht gefallen hätte. Aber: «Ich glaube, ich war einfach nicht so talentiert. Dieses genaue, filigrane Arbeiten war nicht so meins», schätzt er seine Leistung von damals ein. Nach der Kochlehre heuerte er bei Ivo Adam im «Seven» in Ascona an und ging später nach Zermatt ins «After Seven». Darauf folgten eine Station im «Lampart’s» in Hägendorf, im «Maison Manesse» in Zürich und eine Stage im «Maaemo» in Oslo. «Ich bin ein Mensch, der sich nicht gerne auf das Negative fokussiert. Deshalb habe ich von überall etwas mitgenommen. Im Seven bin ich in diese Fine-Dining-Welt eingetaucht, im Lampart’s war alles strukturiert und streng, aber organisatorisch habe ich viel gelernt. Im Maison Manesse lernte ich eine kreative Küche kennen und wie man mit Texturen und Aromen spielt.» Die erste Stelle als Küchenchef hatte Dober dann im «Fritz Lambada» inne. Er übernahm von seinem damaligen Chef Simon Schneeberger.
Zivildienst auf dem Hof. Heute verfolgt Dober seinen eigenen Küchen- und Führungsstil. Wichtiger als das Wie ist ihm das Was. Im «Rosa Pulver» kommen vorwiegend Bio- oder Demeter-Produkte auf den Teller. Die Zusammenarbeit mit den Produzenten vom Gut Rheinau oder dem BungertHof liegen ihm am Herzen. «Während des Zivildienstes habe ich 40 Tage auf dem Bauernhof gearbeitet. Das war für mich genau so wertvoll wie eine Station in einem renommierten Restaurant.» Auch heute fährt die Rosa-Pulver-Crew einmal pro Woche raus nach Berg am Irchel auf den BungertHof und pflückt, was die Saison hergibt.
Nose-to-Tail wird ernst genommen. Fleisch kommt im «Rosa Pulver» nur reduziert auf den Teller. Und wenn, dann ist Nose to Tail keine Marketing-Floskel. Den Beweis liefert Dober in jedem Menü. «Wir servieren vor den eigentlichen Gängen immer einen kleinen Snack, für den wir Abschnitte und Reste verwerten», erklärt Dober. Dem Rindstatar mit konfiertem Eigelb geht ein Eiweiss-Omelette mit Champignons und Carpaccio voraus. Und im «Rosa Pulver» kommt man auch immer mal wieder in den Genuss besonderer Tiere wie Steinbock, Wildschwein oder Wels. «Der Wels ist ein richtig feiner Fisch, aber niemand will den. Er ist unglaublich hässlich und meistens sehr gross.» Dober reicht den Wels als Quenelle zum Hauptgang, einem Kürbis mit fermentierter Kürbis-Hollandaise. Der Snack zum Voraus ist ein Wels-Fischstäbli.