Text: David Schnapp
Zwei Tage bis zur Hochzeit. Bei unserem Gespräch steckt Michael Schuler gerade mitten in den Hochzeitsvorbereitungen, zwei Tage später soll die Ehe mit seiner Freundin Leila geschlossen werden. Trotzdem ist der erst 28-Jährige erstaunlich gelassen und erzählt, warum er schon als Zwölfjähriger genau wusste, dass er Koch werden wollte. Heute ist Schuler, der in Sulz am Neckar, zwischen Stuttgart und der Schweiz aufgewachsen ist, eines der grossen Talente in der Schweizer Gastronomie. Als Küchenchef des «Alex Lake» in Thalwil (The-Living-Circle-Gruppe) löst er eine komplexe Aufgabe ebenso souverän, wie er Heiraten und Interviews locker unter einen Hut bringt.
Alles aus einer Küche. Auf die Frage, was ihn jeden Morgen motiviere, aufzustehen, sagt Schuler, «kochen ist für mich nicht nur ein Beruf, das mache ich so gerne, dass mir das Aufstehen nie schwerfällt». Im «Alex» wird aus einer Küche alles geschickt: Frühstück, A-la-Carte- und Gourmet-Restaurant sowie Zimmer-Service. Da kann es schon sein, dass an einem schönen Sommerabend 14 Gäste im Freiluft-Bereich des 15-Punkte-Restaurants Aqua sitzen, weitere 100 im Verlaufe des Abends auf der grossen «Alex»-Terrasse Platz nehmen und zwischendurch wird auch noch ein Burger für den Zimmer-Service zubereitet werden muss. «So wird es nie langweilig», sagt Michael Schuler mit aller Gelassenheit und erklärt gleich, dass die Abwechslung für ihn eine der schönsten Aspekte an seinem Beruf sei: «Jeder Tag ist anders, jeder Fisch ist etwas anders, und es gibt so viel zu entdecken, dass kochen immer interessant bleibt.»
Von Asien bis Frankreich. In seinen Gerichten verbindet Schuler die Aromenwelten Asiens – «ich mag die Säure, die Schärfe, die Frische» – mit den tiefen, klassischen Saucen der französischen Küche. «Wenn man diese beiden starken Gegensätze kombiniert, ergeben sich spannende neue Möglichkeiten», findet der junge Koch. So serviert er einmal Saint Pierre mit rotem Curry und Kohlrabi, während eine bretonische Auster mit einer kräftigen Thai-Salsa eine neue Richtung kriegt. Zum Gambero Rosso wiederum gibt es Sesam, Wakame-Algen, Yuzu, Limettenvinaigrette, Miso-Mayo und Dashi-Sud – das Resultat ist eine abwechslungsreiche, anregende und geschmacksintensive Küche. «Die Esskulturen sind auf der ganzen Welt so unterschiedlich – das zu erkunden, ist unglaublich spannend», beschreibt Schuler seinen kulinarischen Entdeckergeist.
«Am meisten Spass.» Schon als Zwölfjähriger habe er gewusst, dass er Koch werden wolle, sagt Michael Schuler. «Ich habe gerne meiner Mutter und meiner Oma in der Küche geholfen, das hat immer am meisten Spass gemacht.» Trotzdem sei die Begeisterung zu Hause über die Berufswahl anfänglich nicht sehr gross gewesen – lange Arbeitszeiten und mittelmässige Entlohnung wurden als Argumente gegen die Kochlehre vorgebracht «Meiner Mutter zuliebe habe ich dann noch andere Praktika gemacht, bin aber am Ende in der Küche geblieben», erzählt Schuler.
Chef auf Augenhöhe. Nach fünf Jahren – zuletzt als Sous-Chef – an der Seite von Stefan Heilemann (18 Punkte, zwei Sterne im Restaurant Widder, Zürich) ist Michael Schuler jetzt erstmals selbst für eine grosse Küche verantwortlich – vierzehn Köche und vier Abwascher arbeiten unter seiner Führung. «Mir ist eine freundschaftliche Atmosphäre bei der Arbeit wichtig. Meine Leute und ich teilen auch Privates und verbringen Freizeit zusammen. Bei Stefan konnte ich sehen, dass man es mit diesem Stil ziemlich weit bringen kann. Und wenn man so viel gemeinsame Zeit bei der Arbeit teilt, sollte die Stimmung entsprechend gut sein», sagt Schuler. Manches müsse er zwar noch herausfinden, «aber auf Augenhöhe mit den Leuten zu reden und nicht von oben herab auf sie einzureden, ist für mich der richtige Weg», so der 28-jährige Küchenchef.
>> GaultMillau und American Express scouten junge, begabte Köche, die die Zukunft vor sich haben für die Liste «Talente 2022». Fortsetzung folgt.
Fotos: Thomas Buchwalder, Nik Hunger, HO