Fotos: Olivia Pulver
«Fuck it, ich machs!» Im «Kulturlokal Rank» spielt die Musik. So der Slogan des noch jungen Restaurants. Das ist wörtlich und im übertragenen Sinne zu verstehen. Hier treten nationale und internationale Künstler auf, vor allem Jazz-Musikerinnen und Musiker. Der «Rank» ist aber auch ein Restaurant am Puls der Zeit. Nachhaltig, aber nicht verbissen. Cool, aber nicht abgebrüht. In der Küche steht eine junge Frau, die diese unkomplizierte Nonchalance kaum besser verkörpern könnte: Michaela Frank ist mit gerade mal 25 Jahren Küchenchefin geworden. «Als die Anfrage kam, habe ich zuerst abgesagt», erzählt Michaela. Sie war noch mitten in der Ausbildung zum Chefkoch, ihre erste Reaktion war also kein Ausdruck mangelnden Selbstvertrauens, sondern realistische Einschätzung der Fakten. Hinter dem Rank-Projekt steckt die gleiche Crew, die auch den «Rechberg 1837» in Zürich betreibt. «Sie liessen nicht locker und sagten mir, ich könne ja alles lernen. Da sagte ich mir: Fuck it, ich machs! Und wenns nicht klappt, wandere ich aus.» Michaela ist noch hier und das sagt alles.
Produkte vom Demeterhof. Michaela nennt ihr Essen Feel Food. Es soll glücklich machen. Sie richtet nicht mit Pinzette und Lineal an, Präzision ist ihr bei der Produktauswahl wichtig. «Wir verwenden sehr viele Produkte vom Gut Rheinau. Die Betreiber sind mittlerweile Freunde von uns», erzählt sie. Der Demeterhof im Zürcher Weinland gilt als Pionier-Bauernhof, wenn es um biodynamische Landwirtschaft geht. «Wir haben von ihnen kürzlich eine Eringer Kuh erhalten. Ihre Art, Tiere zu halten und zu verwerten, ist die einzige, die für uns stimmt», sagt Michaela. Für sie ist es selbstverständlich, alle Teile zu verwenden. Aus dem Herz macht sie Pastrami, aus der Leber eine Paté. Die Schulter schmort gerade in einer Sauce aus Kokosmilch, Ingwer und Chili.
Signature Dish Congee. Letzteres braucht Michaela für ihr Congee. «Das ist Comfort Food aus China. Man isst ihn zu jeder Tageszeit und auch gerne wenn man krank ist. Immer mit verschiedenen Toppings», erzählt sie. Michaelas Mutter stammt aus Shanghai, Congee ist Kindheitserinnerung pur. «Das Gericht ist zunächst vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig.» Congee ist eine Art Reisbrei, Michaela toppt ihn mit Federkohl, schwarzem Rettich, Winterspinat, Krautstiel-Kimchi, Gewürznüssen und zarter Schulter von der Eringer Kuh. Die vegane Alternative macht sie mit einem Pilz-Ragout. Die Gäste haben sich längst an das Gericht gewöhnt, mittlerweile ist Congee ein Signature Dish im «Rank».
Spätzli mit Ingwersauce. Essen spielte in Michaelas Leben schon früh eine Rolle. «Essensrituale sind in China extrem wichtig. Deshalb hat meine Mutter immer grossen Wert darauf gelegt, zusammen zu essen.» Die Mutter kochte klassische chinesische Küche, manchmal gabs aber auch Schweizer Gerichte. «Sie machte dann Spätzli mit einem Kalbsgeschnetzelten an einer Ingwersauce», erinnert sich Michaela und muss schmunzeln. «Das schmeckte natürlich nicht so wie bei meinen Freunden zu Hause.» Die Kochlehre absolvierte Michaela im Paul Scherrer Institut in Villigen, einem Personalrestaurant mit extrem hohen Standards. «Dort habe ich meine Basics gelernt. Sie haben dort genügend Ressourcen, um sich um die Lehrlinge zu kümmern, und das Know-how ist da.»
In Nenads Brigade. Nach der Lehre kocht Michaela im Waldhaus in Flims und ist Mitglied der Junioren-Kochnati. Sie macht eine Stage bei Nenad Mlinarevic im Park Hotel Vitznau. Kurz darauf ruft der damalige «Koch des Jahres» an und fragt, ob sie fest ins Team kommen möchte. «Fix!», war Michaelas Antwort. Nach Vitznau folgt sie Nenad nach Zürich, macht beim Pop-up in der Stadthalle mit und kam mit der Zürcher Szene in Kontakt. Sie ist im Soi Thai dabei, hilft bei der Eröffnung im «Gül» mit. Danach kriegt sie ein Stipendium für Andreas Caminadas Förderprogramm Fundaziun Uccelin. Zwischenzeitlich arbeitet sie auch als Barista. Und während Corona stellt sie einen Lieferdienst auf die Beine, kocht in der Küche ihres Vaters für Hungrige im Raum Baden. «Da merkte ich, Comfort Food ist mein Ding.»
Toastys to go. Eineinhalb Jahre nach der Eröffnung des «Ranks» hat Michaela den Dreh raus. Neben Musik, Lunch und Dinner gibt es auch noch einen Take-away: Toastys über die Gasse. Mit Pulled Pork und Miso-Mayo, Piccanha und Cole Slaw oder den Cheesy Bite mit Käse von Jumi und Zwiebelchutney. Trotz flachen Hierarchien ist sie Chefin, auch Personalführung gehört zum Job. «Das ist nicht einfach. Aber ich mache das mit einer Menschlichkeit, die die Leute auch sehen. Wenn ich etwas nicht weiss, finde ich es raus. Verhalte ich mich falsch, entschuldige ich mich.» Und: Michaela hat ein funktionierendes Back-up-Team. «Ich kann jederzeit Carlos Navarro vom Rechberg anrufen, wenn etwas ist. Es ist schön zu wissen, dass jemand da ist, der dir hilft.»