Erst Konserve, dann Otoro. Den ersten Tuna des Lebens? In unseren Breitengraden ist es meist Thunfisch aus der Konservendose, den man in einer tomatigen Pastasauce oder mit ordentlich Mayonnaise im Sandwich isst. Erst später entdeckt man Sushi – vielleicht sogar mit dem kostbarsten Bauchstück, das Otoro genannt wird und im Idealfall vom Blauflossen-Thunfisch stammt. Es weist eine feine Fettmarmorierung auf, die mit Wagyu verglichen werden kann. Jedenfalls merkt man schnell: Tuna ist nicht gleich Tuna, offensichtlich gibt es da verschiedene Qualitäten, Sorten und «Cuts».  

Bluefin für 1,2 Millionen Franken. Eine Ahnung hiervon haben all diejenigen Gastronomen, die zu Neujahr in Japan jeweils an der traditionellen Thunfisch-Versteigerung teilnehmen. Dieses Jahr kam für umgerechnet 1,2 Millionen Franken ein 278 Kilogramm schwerer Blauflossen-Thunfisch unter den Hammer! Die Gastrounternehmung Onodera sicherte sich zum fünften Mal infolge den Auktions-Fisch mit dem Höchstpreis – nicht zuletzt eine Marketingmassnahme, wie Fisch-Fachmann Luca Bianchi vom gleichnamigen Feinkost-Lieferanten weiss: «Wer ein solches Prachtsexemplar ersteigert, dem ist die Aufmerksamkeit der Medien sicher!» 

News Themen der Woche KW01 News Bilder des Tages Japan, Neujahrs-Thunfisch-Auktion in Tokio New Year tuna auction in Tokyo Photo shows a bluefin tuna that fetched 207 million yen $1.3 million during the year s first auction at the Toyosu fish market in Tokyo on Jan. 5, 2025. PUBLICATIONxINxAUTxBELxBIHxBULxCZExDENxESTxFINxFRAxGEOxGERxGRExHUNxISLxIRLxITAxLATxLTUxLUXxLIExMKDxNORxPORxPOLxROUxSVKxSUIxSRBxSLOxESPxTURxUKxUAExONLY A14AA0003943021P

Mediale Aufmerksamkeit garantiert: Der fü 1,2 Millionen in Tokyo ersteigerte Tuna.

Luca Bianchi - Bianchi AG Zufikon - März 2024 - Copyright Olivia Pulver

Fachmann für Fisch: «Der Yellowtail macht 90 Prozent des Verzehrs aus.»

Gelbflossen-Tuna für Sushi. Fachmann Bianchi hilft auch gleich bei einer Einordnung der unterschiedlichen Tuna-Arten: Beim eingangs erwähnten Dosenfisch handelt es sich in aller Regel um «Skipjack», auch «echter Bonito» genannt. Er gehört zwar zur Familie der Makrelen und Thunfische, streng genommen aber ist der vergleichsweise kleine Fisch (maximal 35 Kilogramm) nur ein naher Verwandter desjenigen Tunas, der bei uns fangfrisch angeboten wird. «Für Sushi und Sashimi wird in Europa meist Gelbflossen-Tuna verwendet», erklärt Luca Bianchi. Der Yellowtail mache ungefähr 90 Prozent des Verzehrs aus. 

Familienunternehmen Balfego. Weitere Arten: der Weissflossen-Thunfisch, der in den USA beliebt ist, Dann der sehr seltene Bigeye und nicht zu vergessen der Blauflossen-Tuna, den Bianchi als unbestrittenen «König der Tunas» bezeichnet. Nur rund ein Prozent der weltweiten Fänge fallen auf diese Spezialität, nicht selten wird sie im Mittelmeer aus dem Wasser gezogen. Gerade das in Spanien ansässige Familienunternehmen «Balfego» (deren Tuna in der Schweiz exklusiv von Dubno vertrieben wird) hat das Verfahren für den Edelfisch perfektioniert: Erschöpft von seiner langen Reise durch den Atlantik (er folgt den Fischschwärmen) wird der Tuna nahe Gibraltar eingefangen. In riesigen, im Meerwasser frei schwimmenden Zuchtbecken wird dafür gesorgt, dass er wieder an Gewicht zulegt. Harpuniert und herausgezogen werden die bis zu 650 Kilo schweren «Brocken» erst, wenn eine Bestellung auf dem Tisch liegt. Durch diese Vorgehensweise wird nicht zuletzt der Beifang von Delfinen und Walen verhindert, eines der grössten Probleme bezüglich Thunfisch. Zudem ist es in den letzten Jahren, – auch dank den in Europa streng umgesetzten Quoten der ICCAT (International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas) – gelungen, dass sich die Bestände deutlich erholt haben. 

Stefan Heilemann, Widder, 2023

Seit Jahren Fan von Balfego: Stefan Heilemann.

Stefan Heilenmann, Wildmenu, Balfegó Thunfisch, Gamba blanca aus Portugal, Gurke, Dill, Meerettich

Balfego-Thunfisch, Gamba Blanca, Gurke, Dill & Meerettich by Heilemann.

Tuna-Carpaccio mit Entenmuscheln. Zu den Liebhabern des Edel-Tunas gehört Stefan Heilemann, 18 Punkte-Chef im «Widder» in Zürich, der 2010 diese Delikatesse während seiner Ferien in Portugal entdeckt hat: «In der Vila Joya hat man mir lauwarmes Tuna-Carpaccio mit Entenmuscheln und asiatischer Vinaigrette serviert, das ich nie mehr vergessen habe!» Allerdings vergingen von da an noch zwei Jahre, bis er und sein damaliger Chef Rolf Fliegauf im «Ecco» Ascona ihre Bezugsquelle gefunden hatten und Balfego auf die Karte setzen konnten. 

Balfego: Am besten lauwarm. Bis heute arbeitet er mit der spanischen Top-Firma – aus Überzeugung: «Unvergleichlich, wenn das fettige, vergleichsweise helle Otoro-Stück, leicht aufgewärmt, auf kräftige Säure von Zitrusfrüchten oder edlem Essig trifft.» Dass der Fisch ungefähr 40 Grad haben soll, kommt nicht von ungefähr: «Es ist wie bei Butter – erst leicht warm entfaltet sich der ganze wunderbare Geschmack!», so Heilemann. Typisches Gericht beim Widder-Chef: Balfego und Gamba Blanca mit Dill, Gurke und Meerrettich als frische, farbige Vorspeise.  

Gericht: Balfego Tuna Daikon Mioga Shishito Pepper. Chedi, Andermatt, Japanese Restaurant

Balfego-Tuna mit Daikon und Shishito-Pfeffer im Japanese Restaurant, Chedi Andermatt. 

BE WTR bei Fabio Toffolon (l) und Dominik Sato , im Chedi Andermatt

Die Zwillinge mögen Tuna – aus Europa: Fabio Toffolon (l.) und Dominik Sato.

«Taco mit Tuna». Mit Belfago arbeiten auch die Zwillinge Fabio Toffolon und Dominik Sato. Im «Chedi» in Andermatt gibt es ihn beispielsweise im «N25-Kaviar-Pop-up» auf dem Gütsch als Tatar; die Gäste wickeln das Fischfleisch zusammen mit Shiso, Reis und Kaviar in ein Noriblatt, fertig ist der «Taco»! Im «The Japanese» gab es auch schon Tatar vom Bluefin-Ataki (Rückenstück mit wenig Fettanteil), das mit einem abgeflämmten Stück Chutoro (mittelfettiges Bauchstück) belegt worden ist. Der Gast soll die unterschiedlichen Stücke direkt vergleichen können. 

Auch Japaner schwören auf europäischen Tuna. Wieso verwenden Toffolon und Sato in ihrem japanisch inspirierten Restaurant (18 Punkte) eigentlich keinen Tuna aus Japan? Das wäre doch passender? «Erstens ist dieser bei uns nicht zu bekommen», sagt Fabio Toffolon schmunzelnd. Zweitens könnte die Qualität auch dort nicht höher sein als bei Tuna von der iberischen Halbinsel – nicht umsonst gehe der Grossteil des in Europa gefangenen Tunas nach Asien. Die Tiefkühlung des Fisches (in der Schweiz zur Bekämpfung allfälliger Krankheitserreger vorgeschrieben) übernehmen die Chedi-Zwillinge gleich selber: «Wir wickeln den Fisch dafür in Klarsicht- und Alufolie – wir finden, dass er so seine Farbe beim Auftauen besser erhält als im Vakuumbeutel.»  

Mike Wehrle Tuna

Für besondere Gelegenheiten bestellt Mike Wehrle den Bluefin ganz.

Otoro, Chutoro, Akami

Die drei Qualitäten vom Bauchstück: Otoro, Chutoro & Akami (v.l.).

Nose to tail! Auch Backen und Kopf werden verwendet. Akami (oft als «Loin» bezeichnet), Chutoro oder Otoro? Mike Wehrle mag alle drei «Cuts». Ein-, zweimal pro Jahr bestellt der Culinary Director des Bürgenstock Resorts darum einen ganzen Fisch für besondere Anlässe. Der schwerste bisher kam auf stolze 220 Kilogramm, «ein riesiges Viech!». Auf Eis gelagert in einer riesigen Styroporkiste sei der Tuna geliefert worden. Glück hatten so die Köche des Hauses: Sie kamen in den Genuss des besonders saftigen, fettreichen Stücks zwischen Kiemen und erster Flosse, das idealerweise gegrillt wird. «Dazu braucht es nur noch eine Prise Maldon-Salz und Ponzusauce.» Aber auch Kopf und Karkassen wurden verarbeitet, zu einer kräftigen asiatischen Fischbrühe. «Ein Bluefin ist ein Festessen», so Wehrle, «und soll es auch bleiben.»  

Perfekter Lunch: Salade Niçoise. Ob dies ändern wird, wenn in voraussichtlich zwei, drei Jahren Tuna auch gezüchtet werden kann? Die Zukunft wird es weisen. Bis dahin darf es in der Alltagsküche auch bei Heilemann und Co. durchaus auch mal Tuna aus der Dose sein: «Ein schöner Salade Niçoise mit gekochten Eiern, grünen Bohnen, Kartoffeln, Tomaten und Thunfisch ist im Sommer doch wirklich ein perfekter Lunch», sagt Stefan Heilemann. 

 

Fotos: Nik Hunger/Helge Kilchberger/Imago/Olivia Pulver/Thomas Buchwalder/HO/Fabian Häfeli