Text: David Schnapp Fotos: Simon Kurt/Digitale Massarbeit
An der Quelle. Dass auch Spitzenköche nur mit Wasser kochen, ist wohl eine beliebte Redensart, es ist aber auch ein Detail im Küchenalltag, das etwas Aufmerksamkeit verdient hätte. Und wer könnte das besser darstellen, als ein Chef, der buchstäblich an der Quelle sitzt: In Mitja Birlos Küche im 7132 Hotel in Vals – direkt unter dem Entremetier-Posten – gibt es eine Metalltür, die den Zugang zu einem ziemlich wichtigen Wasseranschluss freigibt. Das besondere Nass kommt aus der St. Petersquelle und versorgt die weltberühmte Therme mit 30 Grad warmem Wasser. Für seine Küche aber holt Mitja Birlo das warme Nass aber tatsächlich unten in der Therme.
Wichtige Zutat. «Bevor ich nach Vals gekommen bin, habe ich mir beim Kochen nie Gedanken übers Wasser gemacht», gibt Mitja Birlo freimütig zu. Aber natürlich sei dies eine wichtige Zutat – für Fonds und Suppen, Brot oder Sorbets und als Medium zu Garen. Für sein Restaurant Silver aber hat der sympathische 18-Punkte-Koch dann angefangen auszuprobieren, ob Wasser einen Unterschied macht. Quellwasser kommt in dem Bergdorf zwar auch zum Hahn raus, aber es wird dafür gefiltert, während aus der St. Petersquelle Wasser mit einem hohen Gehalt an Sulfat, Calcium und Magnesium sprudelt, nachdem es sich über zwanzig Jahre lang den Weg durch den Berg gesucht hat.
Die Seele von «Washoku». Dass Wasser einen entscheidenden Unterschied machen kann, weiss man in der japanischen Küche längst. Für die detailversessenen Japaner ist weiches Wasser die Hauptzutat einer Dashi, und diese wiederum ist so etwas wie die Umami-reiche Seele von «Washoku», der traditionellen Kochkunst in dem asiatischen Land. Mitja Birlo setzt zwei Dashis an, eine mit normalem und eine mit Quellwasser. Dafür kommen auf einen Liter Wasser je zehn Gramm Kombu-Algen und fein gehobelte Flocken vom getrockneten, fermentierten Bonito – einer Thunfisch-Art. Die beiden Brühen lässt Birlo abgedeckt zehn Minuten ziehen, bevor er zum Geschmacksvergleich einlädt.
Verblüffendes Experiment. Das Ergebnis ist erstaunlich: Die Quellwasser-Dashi ist eindeutig spritziger, weicher und insgesamt interessanter als das Hahnenwasser-Pendant. «Dashis sind eine interessante Grundlage in der Küche, der Umami-Moment ist schon aussergewöhnlich», erklärt Birlo den Vorteil der japanischen Grundbrühe. Im Vergleich mit einem stundenlang gekochten und reduzierten Hühnerfond beispielsweise, erreiche man mit der Dashi die gewünschte aromatische Tiefe viel schneller, und der Geschmack selbst sei weniger wuchtig, was die japanische Rezeptur attraktiv mache, erklärt der Koch. Im Moment macht er Versuche mit Dashi als Pochierflüssigkeit für Fisch. «Weil der Geschmack aber so fein ist, muss man sehr vorsichtig damit umgehen», sagt Birlo. Dashi sei aber auch die Basis für eine Ponzu, die im «Silver» mit Sojasauce, Yuzusaft, Mirin sowie Meerrettichsaft und -Öl gewürzt wird.
Brot und Wasser. Auch das knusprig-warme Sauerteigbrot im «Silver», das mit Zwiebelpulver und Röstzwiebeln gewürzt wird, setzt Mitja Birlo mit Valser Quellwasser an. «Hier kann ich nicht sicher sagen, ob das geschmacklich einen Unterschied macht, aber ich bilde mir ein, dass das Wasser die Triebkraft verbessert», erklärt der gebürtige Deutsche. Der Umgang mit dem Valser Wasser sei bisweilen ein «schmaler Grat», der intensive mineralische Geschmack könnte in manchen Gerichten auch störend wirken, findet der Küchenchef. Weil aber Wasser und Stein die zentralen Themen in diesem besonderen Bergdorf sind, bekommen die Gäste im «Silver» zum Start ins Menü einen kleinen Steinbecher, der mit leicht gekühltem und mit Kohlensäure versetztem Quellwasser gefüllt ist.
Tannen und Kirschen. Zurzeit steht auf Mitja Birlos Karte ein Dessert, dessen zentrale Elemente ein Kirsch-Mousse mit Joghurt, marinierte Kirschen sowie ein Sorbet auf der Basis von jungen Tannen-Sprösslingen sind. Das Aroma der süssen Steinfrüchte und die Kontrastwirkung durch das waldig-harzige und leicht mineralische Glace ergänzen sich hervorragend. Auch das Sorbet setzt Birlo zu Versuchszwecken mit Quellwasser an, und dass dies nicht nur eine gute Geschichte, sondern einen spürbaren Unterschied macht, zeigt er bei einem weiteren kleinen Geschmackstest.
Harmonie aus der Quelle. Mitja Birlo hat wieder zwei Sorbets angesetzt, auch hier ist die Differenz überraschend klar: Das Quellwasser-Sorbet wirkt harmonischer, der Tannengeschmack ist spürbar runder, während Säure- und Bitternoten beim Hahnenwasser-Sorbet deutlich spitzer hervortreten. Zum Schluss dieses kurzen Ausflugs in die faszinierende Valser Wasserwelt fasst ein gut gelaunter Mitja Birlo die Versuche zusammen: «Alle Köche kochen nur mit Wasser, wir hingegen kochen mit Valser Wasser», sagt er lachend.