Text: Urs Heller Fotos: René Ruis, Lucian Hunziker

Ein Starchef, den nur wenige kennen. Die Koffer waren gepackt, die Wohnung geräumt, der Nachfolger bestimmt und das Ticket bezahlt. Eigentlich wollte David Klocksin nach fünf Jahren im Mövenpick 20/20 auf Weltreise gehen, aber dann kam Corona. Der Chef bleibt im verborgenen Restaurant im ersten Stock also noch etwas länger am Herd. Zürichs Foodies sollten sich allerdings beeilen: Klocksin ist einer der Besten in der Stadt. Im Frühling 2021 will er wirklich weg. Spätestens nach den vier munteren Amuse-bouches war uns klar: Wir werden ihn vermissen!

 

Das Carbonara-Ei. Klocksins «Prolog»? Das Beef Tatar mit Randen-Drops, die Gänseleber-Praline mit rotem Portwein und der allerdings etwas gar kalt servierte Taschenkrebs auf einem Brikteig mit Wassermelone, Yuzu und Sesam waren prima, Starter No. 4 eine kleine Sensation: ein goldenes Ei, gefüllt mit allem, was eine gute Carbonara ausmacht, dazu noch eine Petersiliencrème; viel Power auf kleinstem Raum!

Koch David Klocksin

Fermentiertes Gemüse, Bergamotte, wilde Blüten und ein toller Sud.

20/20 Restaurant Mövenpick, Zürich, am 31.05.2017, Foto Lucian Hunziker

Hommage an Ueli Prager: Das rustikale 20/20-Design.

Die «Generation Gemüse». David Klocksin gehört zur «Generation Gemüse», seine fermentierte Grünzeug-Parade hat Klasse, der Fond mit Bergamotte und Basilikum ganz besonders. Auch beim hauchdünn aufgeschnittenen Oktopus aus Portugal lag das Beste drunter: Ein raffinierter Sardellen-Sud, mit Zitrone und halbgetrockneten Tomaten. Dann «Ceviche light», eigentlich eine Hommage an den Swiss Lachs aus Lostallo. Die beiden Tranchen wurden sorgfältig angebraten und geräuchert; die klassischen Ceviche-Komponenten sind hier nur Beilage.

 

Languste & Luzerner Schwein. Die portugiesische Insel Tristan da Cunha liegt im südlichen Atlantik und ist berühmt, weil Napoleon Bonaparte hier interniert war. Für Foodies zählt eher die Gegenwart. Die Tristan-Langusten sind so hervorragend, dass man sie auch roh geniessen könnte. Chef Klocksin entschied sich fürs Braten und kombinierte ziemlich frech: Sau aus dem Luzernischen gab’s als Gegenpol, genauer den Bauch vom Edelschwein, gegart, gepresst und gebraten. Gemeinsamer Nenner: Karotten, Ingwer, grünes Curry. Das blitzsauber gebratene Simmentaler Kalbsfilet sah «unverdächtig» aus – wenn da nicht noch diese Röllchen gewesen wären. Tatsächlich: Der Chef verwertet auch die Kalbszunge, gepökelt und gebraten. In endloser Kleinarbeit gepuhlte Erbsli, Lardo und Eierschwämmli gab’s dazu.

Die Jersey Blue Crème. Finale? Mit Schokolade, Himbeere, Kaffir und Buttermilch ist der Gast eher auf der sicheren Seite. Wer die Challenge mag, ordert den Käsegang: Eine Jersey Blue Crème, lauwarm serviert, mit Baumnuss, Sherry und Rosmarin. Mutig oder zu mutig? Um die passende Weinbegleitung muss man sich im «20/20» keine Sorge machen. Steht Mövenpick drauf, ist Mövenpick drin. Heisst: Exzellente Auswahl zu verblüffend tiefen Preisen.

 

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