Fotos: David Birri
Der neue Luxus. Dass das Tessin ein Schlaraffenland ist, merkt man spätestens am «Mercato del Gusto» in Ascona. «The Living Circle» hat zum zweiten Mal einen Gourmet-Markt auf die Beine gestellt, und zwar auf dem eigenen Bauernhof. «Terreni alla Maggia» heisst das Gut, auf dem Risotto-Reis, Mais und Weizen wachsen. Es sind die neuen Luxus-Produkte, die die Tessiner Chefs zu schätzen wissen. 16 Köche mit insgesamt 154 GaultMillau-Punkten und 13 Michelin-Sternen sind gekommen – die «hauseigenen» von «The Living Circle», aber auch viele Kollegen aus der Region. Grosses Bild oben: Mattias Roock (Castello del Sole) und Stefan Heilemann (Widder Hotel)
Risotto aus dem Sbrinz. Lokalmatador ist Mattias Roock. Der Deutsche kocht im unmittelbar an die Terreni angrenzenden Swiss Deluxe Hotel «Castello del Sole». Vom 18 Punktechef gibt es natürlich Risotto. Was sonst! Der Chef steht fleissig vor zwei riesigen Laiben Sbrinz und rührt den Risotto um. «Bei uns gibt es jeden Tag Risotto», sagt Roock. Heute serviert er einen mit grünen Spargeln und frischen Erbsen. «Reis und Weisswein stammen aus den Terreni alla Maggia. Beim Käse setze ich auf Sbrinz von Rolf Beeler und nicht auf Parmesan. Geschmacklich ist das genauso gut. Und regionaler geht es eigentlich nicht.»
Waffeln und Kaiserschmarrn aus Polenta. Auch die Kollegen aus Zürich sind gekommen: Stefan Heilemann, 18-Punktechef im «Widder Hotel» in Zürich hat zwei Stände zu bedienen. Er verarbeitet die Tessiner Polenta zu einer Waffel am Spiess, sein Patissier André Siedl ist für das Dessert zuständig (Honig-Schaum und Cassis-Sorbet vom Schlattgut). Auch Stefan Jäckel («Storchen») hat sich für die Polenta entschieden. «Ich mache aus dem Mais eine Art Kaiserschmarrn», erklärt der 17-Punktechef. Der dritte Zürcher im Bunde ist Luigi di Gregorio. Der Neapolitaner ist der Neue im «Alex» in Thalwil. Seit Februar ist er dort Küchenchef. Ganz so neu ist er dann aber doch nicht. «Ich habe zwei Jahre bei Executive Chef Tino Staub im Team gearbeitet», sagt di Gregorio. Sein ehemaliger Vorgesetzter steht neben ihm und drapiert Sommertrüffel und Pistazien auf den Arancini. «Ich bin heute Commis und Chauffeur», sagt Staub.
2 x Rindstatar. Beim «Mercato del Gusto» gilt das Gleiche wie bei einer guten Hausparty: Wenn man keinen Ärger mit den Nachbarn will, muss man sie einladen. Rolf Fliegauf aus dem «Ecco» im Giardino und Marco Campanella aus dem «La Brezza» im Eden Roc kommen noch so gerne. «Es ist eine Ehre für uns, dass wir eingeladen sind», sagt Fliegauf. Die beiden 18-Punktechefs haben sogar ein sehr ähnliches Gericht dabei: Beide wollen mit einem Rindstatar bei den Marktbesuchern punkten. Fliegauf kombiniert mit Quinoa und Jalapeño, Campanella mit konfierten Tomaten. «Ich finds nicht schlimm, dass wir ein ähnliches Gericht haben. Solange meins besser ist», scherzt Fliegauf. Campanella kontert gekonnt: «Wenn die Gäste meins nicht mögen, sage ich ihnen einfach, das Rezept sei von dir.» Schliesslich hat Campanella einst unter Fliegauf gelernt.
Grossandrang bei Germann. Vor einem Marktstand ist die Schlange besonders lang: bei Silvio Germann. Auch der amtierende «Koch des Jahres» ist ins Tessin gereist. Andreas Caminada und sein Schloss gehören seit rund zwei Jahren zur Living-Circle-Familie. Silvio Germann («Mammertsberg») wiederum zur Caminada-Familie. Der Luzerner hat Kastanien-Gnocchi mit Nussbutter im Gepäck. «Wir haben die ganze Woche vorproduziert. Tag und Nacht.» Ein einfaches, aber unglaublich schmackhaftes Gericht. «Es muss nicht kompliziert sein. Wir machen nur drei Handgriffe und sind trotzdem im Seich», sagt Germann. Um kurz nach 13 Uhr ist der «Koch des Jahres» ausgeschossen.
Für Nachschub ist gesorgt. Mattias Roock hat es da ein bisschen besser. Rund 1800 Portionen Risotto hat er bereits geschickt, als sich die Pfannen langsam leeren. Praktisch, wenn das eigene Restaurant nur wenige Meter entfernt ist. Roock schickt zwei Mitarbeiter los, die mit dem Elektrowägeli noch ein paar weitere Portionen aus der Hotelküche holen. Auch Rolf Fliegauf hat vorgesorgt. «Letztes Jahr war bei mir schon um halb eins fertig. Jetzt habe ich mehr Portionen mitgebracht.» 1089, um ganz genau zu sein.
Viele Einheimische vor Ort. Wer über den Markt schlendert, merkt schnell, wie gemischt das Publikum ist. Das ist auch Jürg Schmid, Verwaltungsratspräsident von «The Living» Circle, und Simon V. Jenny, General Manager im «Castello del Sole», aufgefallen. «Es hat viele Touristen, aber auch sehr viele Einheimische», bemerken sie – und sind offensichtlich stolz auf das, was die Gruppe und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hier geschaffen haben. Das Angebot am «Mercato del Gusto» ist auch äusserst attraktiv. Für ein Starchef-Gericht bezahlt man gerade mal fünf Franken. So kann man sich durch alle Gerichte durchprobieren: Swiss Lachs mit Erdbeer-Gazpacho, grillierte Aubergine mit Linsencreme oder French Toast mit Kirschkompott.
Keine Hemmschwelle. Das gemischte Publikum freut auch die Köche. «Die Hemmschwelle ist sehr tief, alle sind willkommen. Und so kommt auch mal eine Klientel in den Genuss unserer Gerichte, die sich das sonst vielleicht nicht leistet», sagt Rolf Fliegauf. Neben den Starchefs sind 38 Produzenten auf Platz: von Honig über Gewürze bis zu Schokolade gibt es alles, aber ausschliesslich Qualitätsprodukte. Das Tessin, die Restaurants und «The Living Circle» können sich und ihre Produkte von der besten Seite zeigen. Und auch der Tessiner Wettergott zeigt sich von der versöhnlichen Seite. Zum ersten Mal seit langem kam an diesem Wochenende die Sonne raus.