Text/Fotos: David Schnapp
Erster Schwede mit drei Sternen. «Auf diesen Tisch habe ich lange gewartet», sagt Nenad Mlinarevic auf dem Weg durch die Strassen Stockholms, kurz nach 13 Uhr. Um 13.30 hat er eine Reservation im zurzeit wohl angesagtesten Retaurant Europas: Bei Björn Frantzén, der 2018 als erster überhaupt drei Michelin-Sterne für ein schwedisches Restaurant bekommen hat. Nenad musste einige mal probieren, bis das Online-Reservationssystem einen Platz freigegeben hatte.
Ein ganzes Haus als Restaurant. Das «Frantzén» ist nicht nur irgendein Restaurant mit Empfang, Gastraum und Küche. Dank einer Investorin konnte der Schwede ein ganzes kleines Bürogebäude in Stockholms Innenstadt zum Restaurant-Haus umbauen. Das Erlebnis beginnt schon im Vorraum, wo hinter Glas das Fleisch trockenreift, das es später im Menü zu essen gibt. «Ich habe schon zwei mal am alten Ort bei Frantzén gegessen, aber jetzt bin ich schon sehr gespannt», sagt Nenad an der Türschwelle. Zehn Jahre lang habe der Schwede für den dritten Stern gearbeitet, der Umzug in das neue Haus war wohl der letzte entscheidende Schritt.
Perfektion im Detail. Mit einem Lift geht es ganz nach oben und selbst diese kurze Fahrt ist durchdacht. Während sich der Aufzug in Bewegung setzt, wird das Licht heller und Musik setzt ein. Perfektion in jedem Detail. Oben angekommen geht es in eine Art Wohnzimmer mit offener Küche, wo erste Snacks serviert werden: Ein Trauben-Maccaron mit aufgeschlagener Foie Gras, Tartelettes mit Blumenkohl und Räucheraal oder mit fermentiertem Apfel, Sellerie und eingelegtem Trüffel sowie eine Kartoffelröhre mit Lachsrogen, Creme fraiche und Zwiebeln. «Es ist faszinierend, wie präzise sich die Aromen entfalten», sagt Nenad nach dem Start. «Zuerst schmeckt man den Blumenkohl, dann folgen Röstnoten und schliesslich die Rauchnoten des Fisches – das ist unglaublich präzise.»
Produkt im Mittelpunkt. Am Tresen bekommt der Schweizer Starchef nun einen kurzen Überblick auf das Menü anhand der darin verwendeten Produkte, die auf Eis ausgelegt sind; darunter lebende Langoustinen, eigens für das Restaurant hergestellter Kaviar, verschiedene Gewürze oder eingelegte Pilze. «Bei den Produkten gibt es hier keine Kompromisse, sie stehen im Mittelpunkt jedes Gerichts», weiss Nenad.
Offene Küche mit Feuerstelle. Nun geht es ein Stockwerk nach unten, dort befindet sich die Vorbereitungsküche, der Weinkeller mit rund 1100 Positionen sowie das eigentliche Restaurant mit offener Küche, Feuerstelle und einem Tresen mit Platz für rund fünfzehn Gäste. Dazu zwei Vierertische – mehr Leute werden hier nicht aufs mal bedient. Björn Frantzén begrüsst den Kollegen aus der Schweiz, später wird er ihm ein Extra-Gericht servieren, das erst fürs nächste Menü geplant ist: Jakobsmuschel, Kaviar und Beurre blanc mit Vin jaune und Nussbutter.
Seeteufel mit Pilzbrühe. Gang für Gang, wird in relativ zügigem Tempo serviert, dazu läuft Rockmusik. Beim Seeteufel mit Topinanburpüree und Brühe mit fermentierten Pilzen fragt Nenad nach, wie der Fisch zubereitet wurde. Sie hätten lange herumprobiert, bis das Resultat perfekt gewesen sei, erzählt ein Koch. «Es hat sich herausgestellt, dass eine Lake aus Wasser mit 4 Prozent das beste Resultat bringt. Der Fisch wird darin 12 Stunden gebeizt, dann kommt er etwa 8 Minuten in den Ofen und wird schliesslich kurz grilliert», erklärt Nenads Kollege aus Stockholm. Ein weiteres Highlight ist der «Frantzén»-Klassiker, der seit 2008 serviert wird: Sauerteigbrot mit Zwiebel- und Parmesancreme gefüllt und mit viel Périgordtrüffel sowie altem Balsamico belegt (grosses Bild oben).
Mass der Dinge. Der Schweizer «Koch des Jahres 2016» ist beeindruckt: «Diese Liebe zum Detail, die bei der Liftmusik beginnt und bei der Fischflüssigbeize noch lange nicht aufhört, ist enorm.» Je länger der Lunch dauert, desto eindeutiger wird, dass Björn Frantzén zurzeit wohl das Mass aller Dinge ist in Europa. «Es gibt kaum ein anderes Restaurant zurzeit, wo alles so durchdacht ist wie hier. Ich habe hier durchaus etwas gelernt. Wir meinen oft, Essen müsse einfach gut und kräftig abgeschmeckt sein, damit es gut ist. Aber hier sieht man, dass es die Balance der Schlüssel ist. Salz, Säure, Fett, die Texturen – jede Kleinigkeit ist bei diesen Gerichten wohlüberlegt», sagt Nenad. So ein Essen sei unglaublich inspirierend. «Am liebsten würde ich gleich in der Küche loslegen», sagt der Zürcher lachend.
Nenads Fazit. Die Gerichte von «Björn Frantzén wirken optisch erstaunlich unspektakulär, der Aufwand stecke im Geschmack, nicht in der Präsentation, findet Nenad. «Zusammen mit der lockeren Atmosphäre wirkt das eher, als würde man mit einem guten Freund einen Filmabend verbringen. Es erinnert kaum an ein Drei-Sterne-Restaurant, wie man es kennt», fasst Nenad zum Schluss seine Eindrücke zusammen.