Text: David Schnapp

Nenad Mlinarevic und Valentin Diem, Sie betreiben zwei erfolgreiche Restaurants in Zürich. Wenn es am 11. Mai 2020 wieder losgeht nach dem Lockdown: Was passiert in der «Bauernschänke» und in der «Neuen Taverne»?

Nenad Mlinarevic: Zunächst einmal waren wir überrascht, dass es jetzt plötzlich so schnell gehen soll, wir haben uns auf den Juni eingestellt. Um es kurz zu machen: Wir werden die «Neue Taverne» am Donnerstag, 14. Mai wieder aufmachen, vorerst ohne Lunch-Menü, das Restaurant ist nur abends geöffnet. Wir gehen davon aus, dass viele Leute im Home Office bleiben und die Frequenz in der Stadt deshalb nicht sprunghaft ansteigt. Am Samstag nehmen wir zudem erstmals die Terrasse in Betrieb, es wird eine Lunch- und Snackkarte geben sowie einen normalen Abendservice.

 

Und wie öffnet die «Bauernschänke»?

Valentin Diem: Die «Bauernschänke» geht frühestens im Juni wieder auf. Durch die Auflagen des Bundes können wir auf Grund der Platzverhältnisse so wenig Kapazität ausschöpfen, dass es sich nicht lohnen würde, das Lokal jetzt zu öffnen. Wir sind mit dem Metermass durchs Lokal gelaufen und dann sind zwei Meter plötzlich viel. Wir würden mehr als zwei Drittel der Sitzplätze verlieren, das ist kaum zu machen. Unser Glück ist, dass die Liegenschaftsverwaltung der Stadt Zürich unsere Vermieterin ist und uns schnell und pragmatisch einen grossen Teil der Miete erlassen hat. Das ist eine echte Hilfe, die etwas bringt.

 

In der «Neuen Taverne» ist die Umsetzung der Sicherheitsauflagen aber kein Problem?

Mlinarevic: In der «Taverne» haben wir mehr Platz, dort können wir den Schutz der Gäste garantieren und gleichzeitig unter diesen neuen Bedingungen Erfahrungen sammeln. Die Taverne wird unser Testobjekt, wo wir schnell herausfinden, ob die Gäste kommen, was ihnen wichtig ist und was nicht. Unabhängig davon, was das Gesetz sagt, muss man jetzt das Vertrauen der Gäste gewinnen und die Hygienemassnahmen konsequent umsetzen.

Was heisst das für die Küche?

Mlinarevic: In der «Taverne» sehen die Gäste ja rein in die Küche, wir haben auch bisher schon sehr sauber und diszipliniert gearbeitet. Da wir die einzelnen Komponenten immer wieder probieren müssen, haben wir jetzt zum Beispiel ein System mit Löffeln, die immer nur einmal benutzt werden dürfen. Es braucht jetzt noch etwas mehr Disziplin jedes einzelnen. Eventuell werden wir mit Handschuhen arbeiten, Masken fände ich hingegen nicht sinnvoll, gerade weil man probieren und auch riechen können muss. Wir drucken aber für jeden Gast die Menükarte aus; Karten, die von Tisch zu wandern, will niemand, und die Klinke der Eingangstüre wird regelmässig desinfiziert – oder die Türe bleibt bei schönem Wetter ganz offen.

 

Darf der Service dem Gast Teller hinstellen, oder muss der ihn selbst von einem Beistelltisch nehmen, wie vorgeschlagen wurde?

Diem: Das ist wie so vieles noch gar nicht klar und wird erst in den nächsten Tagen definiert. Ich weiss aber nicht, wie der Verband Gastrosuisse auf die Idee gekommen ist, diese Variante als Lösung zu präsentieren. Man geht ja immer noch in ein Restaurant, um sich fallen zu lassen und bedient zu werden. Man muss aufpassen, dass es sich nicht irgendwann anfühlt, als sässe man in einer Kantine.

 

Ganz abgesehen von der schönen, neuen Hygienewelt: Wie verändert sich das Essen im Restaurant mit Corona?

Mlinarevic: Unsere Betriebe setzten bisher auf die Freude des geteilten Essens, aber das «Sharing» wird im Moment wohl nicht so gefragt sein. Wir werden deshalb in der «Neuen Taverne» vorerst keine Gerichte servieren, bei der aus einer Schüssel für alle geschöpft wird. Jeder Gast bekommt seinen Teller, zum Teilen gibt es allenfalls Dinge wie unser Trüffel-Brioche, das in einem Bissen gegessen werden kann.

Trüffelbrioche Neue Taverne

Zum Teilen: Trüffel-Brtioche in der «Neuen Taverne».

Eröffnung Restaurant Bauernschänke, Nenad Mlinarevic

«Mehr Erlebnis»: Chef Nenad vor der «Bauernschänke».

Ist Corona das Ende des grossen Sharing-Trends?

Diem: Vielleicht gibt es in sechs, sieben Monaten wieder mehr Sharing, im Moment aber ist das sicher nicht gefragt. Aber verschwinden wird es nicht. Das ist ja immer noch die Urform des Essens und in der Schweizer Alltagsrealität fest verankert. Fondue wird es wohl noch lange geben. Wir haben Sharing auch nie als Trend verstanden, sondern als Teil einer familiären, lockeren Atmosphäre. Zu Hause serviert man ja auch nur selten fertig angerichtete Teller. Man teilt das Essen aus Schüsseln, die auf den Tisch gestellt werden.

 

Wie sieht die Zukunft der «Bauernschänke» aus, wo ihr vor zwei Jahren mit einem Sharing-Konzept gestartet seid?

Mlinarevic: Unabhängig von der jetzigen Situation wollten wir das Restaurant weiterentwickeln. Durch die Pause können wir das jetzt gründlich tun und nicht nur an einzelnen Stellschrauben drehen. Wir wollen weg vom Sharing-Menü und hin zu einem A-la-Carte-Angebot, wo jeder bestellt, worauf er Lust hat. Und wenn die Gäste etwas weiter auseinander sitzen, gibt es auch Platz für mehr Erlebnis, indem wir zum Beispiel ganze Fische am Tisch filetieren oder ein Tatar vor dem Gast zubereiten. Das Gesamterlebnis in der «Bauernschänke» soll noch besser werden.

 

Und warum diese Konzeptänderung?

Diem: Wir haben genau analysiert, wer eigentlich unsere Gäste sind, und was sie wollen. Das Ergebnis hat uns gezeigt, dass einige unserer Annahmen beim Start falsch waren. Zu uns kommen viele Leute, die etwas von Essen und Wein verstehen, und denen das auch etwas wert ist.

 

Die «Bauernschänke» wird also nach oben positioniert?

Mlinarevic: Die einzelnen Gerichte und Teller werden etwas feiner komponiert und angerichtet, aber es gibt weiterhin Essen, das Spass macht. Das Weinangebot wird etwas klassischer, auch das entspricht unserer Kundschaft. Teurer werden soll es hingegen nicht.

Take Away Auswärts Daheim

Nenad für zu Hause: geliefertes Essen von Auswärts Daheim.

Was bedeutet die Reduktion der Gästezahl wirtschaftlich für einen Betrieb wie die «Neue Taverne»?

Mlinarevic: Wir rechnen zurzeit mit maximal 32 bis 40 Gästen pro Seating, manche Tische können wir vielleicht zwei mal besetzen und kommen so auf höchstens 60 Gäste pro Abend. Davor waren es bis zu 120. Wir werden mit etwas weniger Personal arbeiten, aber vorerst ist Bescheidenheit angesagt: Im Moment wollen zwar alle Vollgas geben, wenn es am 14. Mai wieder losgeht, aber wenn man ehrlich ist, geht das gar nicht.

 

Wird Essen nach wie vor nach Hause geliefert?

Diem: Wir haben uns mit dem Konzept «Auswärts Daheim» ja noch schnell ein neues Business gestartet. Lieferservice hat ganz andere Regeln als Restaurationsbetriebe. Und da wir auf diesem Gebiet in kurzer Zeit viel gelernt haben, der Erfolg sich eingestellt hat, und das Feedback der Kunden ausgezeichnet ist, machen wir damit weiter. Das ist ein neues Standbein, auf das wir im Moment nicht verzichten wollen. Und wir können so auch etwas für unser Team tun.

 

Worauf müssen sich Gastronomen in naher Zukunft einstellen?

Mlinarevic: Vielleicht haben manche Leute im Home Office kochen gelernt und gehen jetzt weniger ins Restaurant – oder sie haben gemerkt, wie schwierig das ist, und schätzen unsere Arbeit deshalb umso mehr. Im Moment scheint mir alles möglich.

 

>> Nenad Mlinarevic und Valentin Diem betreiben gemeinsam die Restaurants «Neue Taverne» und «Bauernschänke» (beide 15 Punkte) im Zentrum von Zürich. Mit ihrer Firma Auswärts bieten sie ausserdem Catering- und Lieferservices an.

 

Bilder: Lukas Lienhard, Olivia Pulver, Pascal Grob