Text: David Schnapp Fotos: Olivia Pulver

Eine Beiz ist Stadtgespräch. Eigentlich geht es nur darum, dass eine Quartierbeiz unter neuer Leitung nach zwei Monaten Umbauphase wiedereröffnet. Aber die «Bauernschänke» am Rindermarkt im Zürcher Niederdorf ist ein über 100 Jahre altes Traditionslokal, und die neue Leitung besteht aus einem illustren Trio: Nenad Mlinarevic, Valentin Diem und Patrick Schindler sind ein innovativer Haufen mit starken Ideen für zeitgemässe Gastronomie. Für das kulinarisch interessierte Zürich ist die «Bauernschänke» deshalb die Eröffnung des Jahres.

 

«Es muss schmecken.» Gestern ging es los mit einem Abend für Familie, Freunde und Stammkunden und bald ist klar: Etwas wie die «Bauernschänke» gibt es in Zürich noch nicht, manche sagen sogar: «Genau das hat der Stadt noch gefehlt.» Chef Nenad hat hier unternehmerische Verantwortung, ist aber auch für die Karte verantwortlich, die sein Küchenchef Thomas Brandner im Tagesgeschäft umsetzt. Nenad Mlinarevics kulinarisches Motto für die «Bauernschänke» ist schlicht: «Es muss einfach schmecken», sagt er.

Nenad Mlinarevic Bauernschänke

Gruppenbild mit Chef: Nenad Mlinarevic, Gino Miodragovic, Thomas Brandner, Lukas Widmer, Attila Kaptás (v.r.n.l.)

Nenads neue Rolle. Der hochtalentierte 37-Jährige nimmt eine neue Rolle ein: «Ich bin sehr gerne in diesem Restaurant und am liebsten bin ich mit den Jungs in der Küche.» Aber er geniesse es, auch mal einen Abend oder ein paar Tage nicht da sein zu müssen. «Dann weiss ich, dass Thomas und das Team die Gerichte so kochen, wie sie diese selber gerne essen würden.» Nenad sieht sich als Coach, Thomas Brandner ist sein Kapitän auf dem Platz. Der 28-jährige Österreicher war schon zweieinhalb Jahre im «Focus» und hat beim legendären deutschen Chef Heinz Winkler gearbeitet. Mit Gino Miodragovic steht in der «Bauernschänke»-Küche ein weiterer talentierter Sous Chef mit Referenzen von Andreas Caminada oder Sergio Herman («Pure C»). Das Team des Restaurants umfasst sechs Leute in der Küche sowie vier im Service.

 

Gerichte zum Teilen. Wurde im Altstadt-Lokal zuvor ziemlich traditionell gekocht, setzt man jetzt auf eine moderne, schmackhafte Küche mit leicht internationalem Flair und neuen Ideen. Die Gerichte kommen zum Teilen auf den Tisch, aber wer seine geschmorte Pata-Negra-Schweinebacke mit Mais-Tortillas, Spitzpaprika-Creme und einer würzigen Salsa mit Chili, Schalotten, Koriander und Petersilie ganz für sich alleine haben will, bekommt das selbstverständlich auch. «Wir wollen dem Gast so viel Freiheit wie möglich geben», sagt Neo-Wirt Valentin Diem.

Eine Wirtschaft mit Gourmetküche. Die neueröffnete «Bauernschänke» im Niederdorf.

Tacos zum Selbermachen: Mais-Tortillas mit geschmorter Pata-Negra-Backe und Salsa.

Diem, Schindler und Mlinarevic sind detailverliebte Qualitätsfanatiker. Auf der Karte von Sommelier Patrick Schindler finden sich neben klassisch ausgebauten Weinen eine ganze Reihe so genannter «Natural Wines», die mit ihrer Sperrigkeit keine Lieblinge für die Massen sein wollen, aber dennoch eine neue Dimension des Weintrinkens eröffnen. Und statt Cola, Fanta und Rivella gibt es hausgemachte nichtalkoholische Drinks – ein wichtiges Thema in der modernen Gastronomie.

 

Limonade mit Essig. Valentin Diem sagt über die «Bauernschänke»: «Ich wünsche mir, dass dieses Lokal ein Ort ist, wo man in hoher Qualität essen und trinken kann. Dabei soll man sich wohlfühlen und sich so geben, wie man ist.» Eine coole Weinkarte sei wichtig, aber ebenso wichtig seien eine gute Alternative dazu: Jetzt werden Yuzu-Ingwer-Limonade, Erdbeer-Rhabarber-Shrub – eine Limonade mit etwas Essig – oder ein weisser Eistee mit Zitrone ausgeschenkt – alles hausgemacht selbstverständlich.

 

«Brot und Tunke» vom Eigenbrötler. Nenads Menükarte baut auf den Erfahrungen vieler Jahre Spitzengastronomie auf, die er aber auf ein volkstümliches Mass hinuntergebrochen hat. «Wir haben 70 Prozent Schweizer Produkte, mit denen ich auch im ‹Focus› schon gearbeitet habe, aber es gibt auch Kaisergranat, Pata-Negra-Fleisch oder Kreuzkümmel und Vanille», sagt der «Koch des Jahres 2016». In der «Bauernschänke» wird frisch und mit besten Zutaten gekocht. Nur das Brot kommt aus einer externen Backstube. «Ich habe so grossen Respekt vor dem Handwerk des Bäckers, dass ich das lieber einem der Besten überlasse», sagt Nenad. Nun gibt es ein grossartiges Roggen-Weizen-Dinkel-Sauerteigbrot von «Eigenbrötler» Daniel Amrein und dazu «Tunke»: Tomaten- und Kräutercreme mit karamellisierten Zwiebeln und Gartenkresse.

Öfter, aber nicht immer in der Bauernschänke-Küche: Starchef Nenad Mlinarevic.

Schon 1300 Reservationen. Am Sechseläuten-Montag geht es mit der Bauernschänke richtig los, serviert wird mittags und abends, über 1300 Reservationen sind schon eingegangen: Das Interesse am kulinarischen «Talk of the town» ist riesig. Nach den ersten Eindrücken werden die hohen Erwartungen nicht enttäuscht. Das Rauchforellenmousse mit Dillcreme, Forellenrogen und hausgemachtem Knäckebrot schmeckt ebenso gut wie ganz zum Schluss das Dessert, das bolivianische Schokolade in Ganache, Meringue und Tuille, Kräuter in einem Sorbet und Joghurt in einer Creme kombiniert.

 

Unkompliziertes Fine Dining. Die «Bauernschänke» ist eine Bereicherung für Zürichs Gastronomie, so viel kann nach dem ersten Abend gesagt werden. Unkompliziertes Fine Dining in lockerer Atmosphäre und ein hohes Qualitätsniveau auf allen Ebenen – das sollte eine Erfolgsformel für die nähere Zukunft dieses Traditionslokals sein.

 

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Bauernschänke
Rindermarkt 24
8001 Zürich
www.bauernschaenke.ch