Text: David Schnapp Fotos: Joan Minder
Neues Thema. Er hatte schon angekündigt, dass «Blumenkohl mit Brösel und Ei» nicht das Niveau sei, das er sich für sein neues Restaurant vorstelle. Seit gestern ist die «Neue Taverne» von Starchef Nenad Mlinarevic und seinen Partnern Valentin Diem und Patrick Schindler geöffnet, und die ersten Gäste haben schon erlebt, was Nenad unter «Gemüseküche» versteht. Das nämlich ist das Thema des Restaurants, wo bis vor kurzem noch spanische Küche serviert wurde.
Sauerteigbrot, Sofrito, falsches Poulet. Zu den ersten Kleinigkeiten, die im schmucken Lokal aus der offenen Küche geschickt werden, gehört Sauerteigbrot von «Eigenbrötler» Daniel Amrein mit einem Sofrito aus Wurzelgemüse und Pilzen, daneben knackiger Chicorée, abwechselnd mit scharfer Bimimbap-Paste und kühlendem Labaneh bestrichen oder ein Pouletspiess vom japanischen Holzkohlegrill – statt Fleisch steckt darauf allerdings ein Produkt auf Erbsenbasis, das mit Sesam und Limettenabrieb leicht asiatisch gewürzt ist.
Keine Dogmen. Die Küchen Asiens sind sowieso ein weiträumiges Inspirationsfeld für die Gemüseküche, die sich Nenad Mlinarevic und sein Küchenchef Livio Felber (l., grosses Bild oben), vorstellen. Zu den Höhepunkten eines ersten Essens gehören die Pizokel. Der Bündner Klassiker aus Mehl, Eiern und Quark wird cremig mit Wirsing und Lauch kombiniert, erhält dann aber mit einer Art XO-Pesto eine exotische Note. Ihren kräftig, jodigen Geschmack erhält die Meeresfrüchte-Sauce unter anderem durch getrocknete Jakobsmuscheln oder Shrimps, womit gleich auch klar ist, dass Gemüse in der «Neuen Taverne» ohne Dogmas zubereitet wird. Gerade Saucen dürfen auch mal tierische Spurenelemente enthalten wie die Casarecce mit Broccoli und Saucisson-Fond. «Dadurch wird das Gericht etwas herzhafter», sagt Nenad.
Hommage an Frantzén. Eine kraftvolle, rein vegetarischen Köstlichkeit ist das gebratene Brioche, das mit schwarzem Trüffel, Pilz- und Parmesancreme garniert wird und durch seine Umami-Konzentration reinster Soulfood ist – Essen, das die Seele wärmt. Das Gericht ist eine Hommage an den schwedischen Drei-Sterne-Chef Björn Frantzén, den Nenad vor einigen Monaten in Stockholm besucht hat.
Tofu, geräuchert, grilliert. Dass der talentierte Zürcher Koch seinen eigenen, hohen Ansprüchen schon kurz nach Türöffnung gerecht wird, ist nicht unbedingt eine Überraschung, aber doch ein erstaunlicher Kraftakt. Jeder Küchenchef weiss: Neueröffnungen sind hart, und wenn man dabei gleich noch einen neuen kulinarischen Weg beschreiten will, wird es nicht einfacher. Selbst dem Tofu gewinnt der 38-Jährige noch eine neue Seite ab: geräuchert, mit Birkenmelasse glasiert, auf Holzkohle kräftig grilliert, wird er mit säuerlich eingelegtem Kürbis und Miso-Sonnenblumenkern-Emulsion selbst für überzeugte Fleischliebhaber interessant.
Gemüse für jeden Tag. Dass Gemüse das neue Fleisch ist, wird mittlerweile bei vielen Köchen sichtbar. Französische Stars wie Alain Passard oder Michel Bras sind damit weltberühmt geworden, «Noma»-Mitbegründer René Redzepi hat einer ganzen Generation gezeigt, was mit Fermentation alles möglich ist, und in der Schweiz entwickeln etwa die neue 19-Punkte-Köchin Tanja Grandits oder «Memories»-Chef Sven Wassmer viele ihrer Gerichte auf pflanzlicher Basis. Mit der «Neuen Taverne» will Nenad Mlinarevic eine Gemüseküche mit Anspruch, aber für jeden Tag entwickeln. Die ersten Anzeichen für einen Erfolg sind da: Das Essen schmeckt ausgezeichnet und die Reservationsbücher sind schon gut gefüllt: Bereits am ersten Abend waren über 90 Gäste angemeldet.
>> Neue Taverne, Glockengasse 8, 8001 Zürich, Tel. +41 44 221 12 62
http://www.neuetaverne.ch