Text: Barbara Halter Fotos: Véronique Hoegger

Run auf die Zen-Nonne. Sie ist mit acht Kisten im Gepäck angereist. Darin hat es Zutaten wie Sojasauce, Khaki-Essig oder frische Ginseng-Wurzeln – aber auch sechzig Sets aus Holzschalen und Tabletts. Jeong Kwan ist auf Einladung der Asia Society Switzerland und des Zürcher Rietberg Museums in die Schweiz gekommen. Im Rahmen der aktuellen Buddha-Ausstellung veranstaltet sie im «Rietberg» ein Tempelessen, wie es sonst nur den Nonnen und Mönche vorbehalten ist. Sie selbst lebt als Nonne im Zen Buddhistischen Kloster Baekyangsa. Die verschiedenen Anlässe mit ihr in der Schweiz waren innert kürzester Zeit ausverkauft – Schuld an daran ist wohl Netflix.

Jeong Kwan von Netflix Chefs Table in Zürich

Jeong Kwan presst Gurke aus. Die Tempelküche ist vegan, verzichtet wird auf Produkte wie Zwiebeln und Knoblauch.

Jeong Kwan von Netflix Chefs Table in Zürich

Sojasauce und Essig: Jeong Kwan stellt beides selber her. Sie sind mindestens sechs Jahre alt.

No english. Die Dokumentation Chef’s-Table machte Jeong Kwan weltweit bekannt. Wer die Serie gesehen hat, ist fasziniert von den traumhaften Aufnahmen aus dem Kloster und der Präsenz von Jeong Kwan. Diese spürt man auch in der direkten Begegnung, sie bewegt sich ruhig und konzentriert – so wie es der Zen-Buddhismus lehrt. «Alles was man tut, geschieht mit Hingabe. Ob ich koche oder meditiere ist dasselbe», sagt sie im Interview, bei dem eine Übersetzerin dabei ist. Sie selbst spricht nur Koreanisch. 

 

Frittierter Gingseng. Wir treffen Jeong Kwan in der Küche des «Rietbergs» während den Vorbereitungen für das Tempelessen. Sie mischt mit den Händen in einer grossen Schüssel Gurkenstücke, Pflaumensirup, süss eingelegte Khaki, Sojasauce und Chilipaste, probiert und nickt kauend. Unterstützt wird sie von einem achtköpfigen Team aus Asien, die Hälfte davon sind Küchenchefs. Zwei von ihnen frittieren gerade frischen Ginseng. Die Wurzel schmeckt sehr bitter, wird aber durch die Hitze etwas milder. Sie werden nach dem Hauptgang als Dessert zum Nirvana-Lotusblüten-Tee gereicht. «Die Zubereitung der Speisen für ein Tempelesse ist einfach, aber die Rituale dahinter sind komplex.»

Jeong Kwan von Netflix Chefs Table in Zuerich

Hier mischt Jeong Kwan Gurkenstücke, Pflaumensirup, süss eingelegte Khaki, Sojasauce und Chilipaste.

Jeong Kwan von Netflix Chefs Table in Zuerich

Ein Hingucker auf dem Holztablett sind die Lotuswurzel-Scheiben.

Eins mit der Frucht. Jeong Kwan ist 17 Jahre alt, als sie 1979 dem Kloster beitritt. Die allererste Aufgabe der Novizin ist das Waschen und Kochen von Reis, dies muss mit Ruhe und Hingabe geschehen. «Der Reis ist nicht nur für die Mönche und Nonnen bestimmt, sondern wird auch Buddha dargeboten», sagt sie. Im zweiten Jahr lernt sie den Gemüseanbau, der ebenfalls essentiell ist. «Beim Kochen muss ich über jede Zutat Bescheid wissen. Wann wurde zum Beispiel eine Auberginenpflanze ausgesät, wie lange ist sie gewachsen, was ist der Charakter ihrer Frucht? Wenn ich all das berücksichtige, werden die Aubergine und ich bei der Zubereitung eins und es entsteht ein gutes Gericht.»

Milde Würze. Die Tempelküche ist vegan, auf Knoblauch, Zwiebel, Schnittlauch, Frühlingszwiebel und Lauch wird verzichtet. «Diese fünf Zutaten erregen den Körper zu fest und erschweren die Meditation.» Um dem Körper eine Leichtigkeit zu geben, werden die Speisen mild gewürzt, «nicht zu salzig, nicht zu scharf». Trotz all dem hat jedes Gericht einen sehr vollen Geschmack. Diese Intensität kommt vom fermentierten Gemüse, der Sojasauce, von Doenjang (dem koreanischen Pendant zu Miso) oder den eingelegten Früchten wie Quitten, Khaki, Pflaumen oder Bitterorangen. All diese Zutaten stellt Jeong Kwan selbst her und lässt sie lange reifen. «Alles was ich mitgebracht habe, ist mindestens sechs Jahre alt.» 

Jeong Kwan von Netflix Chefs Table in Zuerich

Das Tempelessen fand im Rahmen der Ausstellung «Nächster Halt Nirvana» im Museum Rietberg statt.

Jeong Kwan von Netflix Chefs Table in Zuerich

Auf den Tofu wird eine Art Szechuan-Pfeffer gelegt, der vier Jahre in Sojasauce eingelegt wurde.

Leichte Speisen. Ein Tempelessen wird schweigend eingenommen. «Man soll beim Essen Dankbarkeit gegenüber der Natur und den Menschen empfinden, die die Lebensmittel vom Garten bis auf den Tisch bringen.» An jedem Platz liegen sieben Holzschalen, die wie Babuschkas ineinanderpassen. Vor und nach dem Essen reinigt jeder seine Schalen. Traditionell werden vier verschiedene Speisen gereicht, beim Tempelessen im «Rietberg» sind es neun. Den Bauch schlägt man sich trotzdem nicht voll. Wie die Zen-Nonnen und -Mönche verlässt man mit leichtem Magen den Tisch. 

 

www.rietberg.ch