Fotos: Joan Minder, Ye Fan, Francesco Tonelli; Aquarell: Francesco Clemente
(Fast) alle Geheimnisse. Mit «Eleven Madison Park: The Plant-Based Chapter» schreibt Daniel Humm Küchengeschichte. Denn das auf 11'000 Stück limitierte Werk über das weltweit erste vegane Drei-Sterne-Restaurant lüftet (fast) alle Geheimnisse seiner auf rein pflanzlichen Zutaten beruhenden Arbeit der letzten vier Jahre. Es ist ein gewichtiges Werk, 4728 Gramm genau bringt es auf die Waage. Drei Bände in Grün, Gelb und Blau, dazu ein roter Schuber, erinnern an ein Kunstwerk von Mondrian. Der rote Schuber, so hat es Daniel Humm vor einigen Monaten in New York erzählt, sei auch eine Reverenz an seine Schweizer Heimat. Der Einfluss der Kunst auf die Arbeit des 48-jährigen Kochs ist in seinen hochästhetischen, oft minimalistischen Gerichten deutlich zu erkennen. Zudem hat der Künstler Francesco Clemente, der auch das Erscheinungsbild der neu eröffneten Clemente Bar geprägt hat, Zeichnungen beigesteuert.
Auftakt zum Kapitel «Frühling»: Aquarell von Francesco Clemente.
«Celebration»: Variation vom Spargel aus dem Frühlingsmenü.
«Backstage» im «Eleven Madison Park»: Szenen aus der Küche.
Zeichnungen, Fotos & Rezepte. «The Plant-Based Chapter» besteht aus einem Buch mit Rezepten, einem weiteren mit einer Art Mappe mit Aquarellzeichnungen aus Humms Notizbuch und einem Fotoband, der im Reportagestil hinter die Kulissen des «besten Restaurants der Welt» von 2017 blickt und die Entwicklung der neuen kulinarischen Richtung in stimmungsvollen Bildern dokumentiert. Das Gewicht dieser dreiteiligen Sammlung ist dabei dem Anlass durchaus angemessen, Humm hat es als erster Koch überhaupt geschafft, auf dem Niveau von drei Michelin-Sternen eine konsequent pflanzenbasierte Küche zu etablieren.
Eine neue Art von Spitzenküche: Weltstar Daniel Humm.
Saisonaler Aufstrich: Morchel-Butter aus zehn Teilrezepten.
Aufwendig und komplex: Artischocke «Barigoule» mit Tofu und grünem Knoblauch.
Zehn Teilrezepte für Butter. Was das aus küchentechnischer Sicht bedeutet, lässt sich dank der gewohnt minutiös rezeptierten und klar fotografierten Gerichte – klassisch unterteilt in die vier Jahreszeiten – perfekt nachvollziehen. Selbst Salzmengen sind bei den oft aus mehr als einem Dutzend bestehenden Zubereitungen grammgenau aufgeführt. Bei grossen Köchen sind ausserdem die Grundrezepte von besonderem Interesse: Alleine diese «Basics» umfassen 44 Seiten und dürften in vielen Küchen Denkanstösse geben. Faszinierend ist zudem, nachvollziehen zu können, wie aufwendig und komplex diese Küche trotz ihrer scheinbaren Schlichtheit ist. Allein das Rezept für die saisonal wechselnde Butter – im Frühling auf Basis von Morcheln – besteht aus zehn Teilrezepten. Die «Celebration», die jedes Menü mit der Variation eines saisonalen Gemüses in eine Reihe kleiner Gerichten eröffnet, ist im Frühling dem Spargel gewidmet, und zieht sich über vier Seiten.
Woran keiner gedacht hat. Daraus lässt sich auch leicht folgern, dass dies kein Buch mit Rezepten ist, die sich zu Hause einfach nachkochen lassen. Auch wenn sich einzelne Komponenten oder Teilrezepte natürlich gut in der eigenen Küche umsetzen lassen. Aber vor allem ist «The Plant-Based Chapter» ein Statement – egal ob man es als Objekt auf den Couchtisch legt oder als Sammlerstück in Ehren hält. Mit diesem Werk legt der Schweizer Weltstar Daniel Humm, gewissermassen schwarz auf weiss, den Beweis vor, dass Spitzenküche auf eine Art umsetzbar ist, an die zuvor noch keiner gedacht hat.