Text: Daniel Böniger I Fotos: Gabriel Monnet

Starchefs kaufen saisonal ein. Erdbeeren im Winter aus Neuseeland? Da hätten viele Menschen zu recht so ihre Bedenken, sagt Niels Rodin. Aber bei den Zitrusfrüchten? Da spielten Herkunft und Saisonalität nur selten eine grosse Rolle. Der 48-jährige weiss, wovon er spricht - schliesslich baut er auf 3600 Quadratmetern in waadtländischen Borex, einem Vorort von Nyon, Zitrusfrüchte an. Seine Kundschaft: Starchefs wie Dominique Gauthier in Genf. Andreas Caminada in Schauenstein. Pierre-André Ayer in Fribourg. Anne-Sophie Pic in Lausanne. 

Hält sich an die Spielregeln der Biodynamie. Was macht Rodins Produkte für diese Köche interessant? «Gefragt ist neben den speziellen Sorten und den kurzen Transportwegen natürlich auch Bio- und Demeterqualität», sagt er. Zum biodynamischen Anbau gehöre es in der Tat, dass er Kuhhörner mit Mist vergrabe. Dass die verwendeten Präparate für die Pflanzen von Hand nach sonderlichen Regeln ins Wasser gerührt werden. Oder dass man sich nach den Mondphasen richtet. Am Anfang sei er diesbezüglich skeptisch gewesen, gibt er bei einem Rundgang durchs Gelände zu, «aber den Zitrusfrüchten scheint es zu behagen.» Für ihn ist es eine Selbstverständlichkeit, dass er die Gewächshäuser mit der eigenen Photovoltaik-Anlage beheizt. 

 

Niels Rodin, cultivateur de citrons en Suisse photographié à la "Ferme aux agrumes", mardi 7 novembre 2023 à Borex près de Nyon. (© Gabriel Monnet)

Bitterorangen sind zwar keine Delikatesse, ihr Wurzelstock ist aber winterhart.

Niels Rodin, cultivateur de citrons en Suisse photographié à la "Ferme aux agrumes", mardi 7 novembre 2023 à Borex près de Nyon. (© Gabriel Monnet)

Früher war er Banker, heute ist er (Zitrusfrüchte-) Bauer: Niels Rodin.

Niels Rodin, cultivateur de citrons en Suisse photographié à la "Ferme aux agrumes", mardi 7 novembre 2023 à Borex près de Nyon. (© Gabriel Monnet)

Viele Starchefs lieben die sauren «Perlen» aus den Fingerlimes.

Mit Hilfe eines kommunistischen Biologen. Nicht alle Früchte auf seinem Bauernhof - einer der ganz wenigen schweizweit, die ohne staatliche Subventionen auskommen - wachsen in Glashäusern. Nein, möglichst viele Früchte versucht er draussen anzupflanzen. Wohlgemerkt, auch jetzt im November sieht man da und dort Früchte im Grünzeug. Dabei spielen häufig Sorten eine Rolle, die im kommunistischen Russland vom Biologen Nikolai Vavilov entwickelt wurden. Aber auch die Veredelung, wie man sie von den Weinreben her kennt: Pflanzen, die er anbauen will, pfropft Rodin auf robuste Wurzelstöcke auf. Dies macht sie winterhart und den Ertrag kontrollierbarer.

Ungeniessbare, aber nützliche Bitterorange. Oft verwendet er für das Aufpfropfen Wurzelstöcke von dreiblättrigen Orangen, obwohl die Poncirus trifoliata selber ja eigentlich ungeniessbare Früchte macht. Und wann ist eine Zitrusfrucht ungeniessbar? Wenn sie zu viele Kerne hat, viel zu sauer oder viel zu bitter ist, sagt Niels Rodin. Bei besagten Bitterorangen sei neben extremer Bitterkeit sogar ein Aroma auszumachen, dass ein wenig an Erdöl erinnere - sie sind also nicht mal für einen Negroni zu gebrauchen. «Dafür sind mir normale Orangen lieber.»

Das nächste grosse Ding? Auf seiner Farm wachsen ungefähr 200 verschiedene Zitrusfruchtarten, mindestens zwei Stück jeder Varietät. Wie hat er ausgewählt, wo man doch von mindestens 6000 Sorten weltweit ausgeht? «Ich beschränke mich», so Rodin, «auf Früchte, die gut schmecken und essbar sind.». Darunter so exotische Sorten wie Ichang-Lemon. «Wenn die Küchenchefs da aufspringen, wird das vielleicht das nächste grosse Ding.» Oder Kabosu, ebenfalls asiatischer Herkunft, eine Verwandte der Yuzu, die allerdings leicht jodig schmeckt. «Sie passt hervorragend zu Fischgerichten!» 

 

Niels Rodin, cultivateur de citrons en Suisse photographié à la "Ferme aux agrumes", mardi 7 novembre 2023 à Borex près de Nyon. (© Gabriel Monnet)

Niels Rodin setzt auf Biodynamie, viel Handarbeit inklusive.

Niels Rodin, cultivateur de citrons en Suisse photographié à la "Ferme aux agrumes", mardi 7 novembre 2023 à Borex près de Nyon. (© Gabriel Monnet)

Tagesernte: Für Fingerlime bekommt Rodin bis zu 200 Franken pro Kilo.

Geranien für die Panna cotta. Die Basis fürs Geschäft bilden dabei eher gängige Sorten wie Yuzu, Kaffirlimette, Fingerlime - für bis zu 200 Franken pro Kilo! Und eine Art, die Buddhas Hand genannt wird und deren Früchte tatsächlich mehrere «Finger» ausbilden. Daneben bedient er verschiedene Nischen: So hat er da und dort in seinen Gewächshäusern Ingwer. Granatäpfel sind zu finden. Und verschiedenste Geranienarten, die je nach Sorte nach grünem Apfel, Coca-Cola oder nach Orange schmecken: «Mit einem einzigen Blatt kann man bis zu zwei Liter Panna cotta aromatisieren - das ist nicht zuletzt kostentechnisch für die Chefs interessant!» Bestäubt werden die Blüten übrigens von eigenen Hummeln, deren DNA nachweislich schweizerisch sind! So geht Regionalität im Extremfall. 

 

Niels Rodin, cultivateur de citrons en Suisse photographié à la "Ferme aux agrumes", mardi 7 novembre 2023 à Borex près de Nyon. (© Gabriel Monnet)

Die Glashäuser hat Rodin einem anderen Bauern abgekauft - und eine Photovoltaikanlage eingebaut.

Haben Orangen Terroir? Die meisten Pflanzen, könnte man zusammenfassen, sind sogenannte Exoten, denen Rodin hier in der Schweiz möglichst optimale Wachstumsbedingungen bietet. Und damit landet damit bei der Frage nach dem Terroir: Inwiefern prägen Boden, Klima, Mensch eine Frucht, so wie man das von den Weinreben her kennt? Er erzählt von Yuzusorten, die klimatisch im Süden zwar eigentlich besser gedeihen würden, aber dort erstaunlicherweise saurer ausfallen als hier am Genfersee. «Auch das Umgekehrte kommt vor!» Will heissen: Wenn man die richtigen Sorten findet und sich liebevoll um sie sorgt, kann man auch auf Borexer Boden im Kanton Waadt höchste Qualität ernten.  

 

>> www.nielsrodin.com