Fotos: Olivia Pulver
Die Ziele sind klar gesteckt: Best Bar Switzerland. Ein Michelin-Stern. 16 GaultMillau-Punkte. So steht es schwarz auf weiss auf einer A4-Seite, die gut sichtbar in der Küche des Restaurants Paradies in Baden hängt. Niklas Schneider hat die Ziele formuliert. Für sich und sein Team. «Dass wir diese Ziele erreichen, ist mir gar nicht so wichtig», sagt Schneider. Ihm geht es um etwas anderes. «Ich finde, man braucht Ziele im Leben. Einfach in den Tag hinein zu leben ist nicht mein Ding. Wenn wir uns hohe Ziele setzen, zeigen wir, was wir wollen. Wir zeigen, dass wir ambitioniert und nicht irgendein Larifari-Betrieb sind.» Diese Einstellung schafft eine ganz andere Atmosphäre im Team. Niklas Schneider ist einer, der die Dinge angeht und sie umsetzt. Lieber heute als morgen. «Aber ich bin nicht verbissen. Wenn wir einen Michelin-Stern oder 16 GaultMillau-Punkte bekommen, ist das eine extrem tolle Wertschätzung. Aber wenn nicht, ist es auch ok. Ich bin auch mit 15 Punkten sehr glücklich.»
Schnörkellos und regional. Seit September 2022 kocht Niklas Schneider mit seinem Team im Zunfthaus. Seine Küche ist zugänglich, aber nicht banal. Schnörkellos, aber nicht plump. Und immer mit möglichst regionalen Produkten zubereitet. Der 28-Jährige steht in der Küche im ersten Stock, zupft Blütenblätter und drapiert sie auf einem neuen Gericht für die Frühlingskarte. Ein Knuspertartelette gefüllt mit Tartar vom Natura Beef aus Hottwil AG. Dazu gibts eine Creme aus fermentiertem Knoblauch, flambierte Morcheln und obendrauf frische Erbsen. «Mir wird schnell langweilig. Deshalb wechsle ich das Menü jeden Monat.» Schneider serviert im «Paradies» ein 7-Gänge-Menü. Mittags gibt es einfachere Gerichte und jeden Donnerstag am Abend serviert Schneider in der Bar im Erdgeschoss Misoramen.
In Gastro-Familie geboren. Das Gespür für die Gastronomie ist dem Zürcher quasi in die Wiege gelegt. Niklas’ Vater ist gelernter Koch, seine Mutter Servicefachangestellte. Schon früh schnuppert er deshalb Restaurant-Luft. «Meine Mutter arbeitete im Löwen in Dielsdorf und nahm mich manchmal mit zur Arbeit», erzählt Schneider. Schnell ist klar, dass Niklas eine Lehre als Koch machen möchte. Und auch der Ort ist schnell definiert. «Ich absolvierte meine Ausbildung ebenfalls im Löwen Dielsdorf. Das war eine sehr coole Zeit», erinnert sich der Chef. «Mit meinem Vater hatte ich immer Diskussionen darüber, wie man etwas macht. Damals wollte er immer recht haben. Heute akzeptiert er, wenn ich ihm sage, dass man das so heute nicht mehr macht.»
Koch, Barkeeper, Gastgeber. Schneider liebäugelt schon sehr früh damit, sein eigener Chef zu sein. «Eigentlich wollte ich mich schon nach der Lehre selbständig machen. Zum Glück hat mich mein Vater abgehalten», sagt Schneider und lacht. Nach der Lehre folgen Stationen im The Chedi in Andermatt, in der «Krone» in Regensberg und in der «Steinhalle» in Bern. Der umtriebige Chef macht auch eine Barkeeper-Ausbildung in Barcelona und absolviert ein Praktikum im Service. Und zwar im Löwen in Dielsdorf. Wo sonst? Wenn in der Bar im «Paradies» Not am Mann ist, dann springt Niklas ein und mixt Cocktails. Am liebsten verschiedene Negroni-Versionen.
Vom «Grossen Alexander» ins «Paradies». Mit gerade mal 25 Jahren packt er das Projekt Selbständigkeit an. Allerdings nicht alleine, sondern mit Geschäftspartner Samuel Hauser. «Er war der ausschlaggebende Punkt, warum ich das so früh gemacht habe. Er ist ursprünglich zwar auch Koch, aber er hat vor allem Know-how in administrativen Dingen.» Obwohl Schneider und Hauser beide aus dem Wehntal im Kanton Zürich stammen, schlägt Schneider Baden als Ort für ein Restaurant vor. «Hier gibt es nichts, das so ist wie unser Konzept.» Zunächst wirten sie im «Grossen Alexander». Ein gutes Jahr später können sie das «Paradies» in Baden pachten. «Wir wollten im Erdgeschoss eine coole Bar und oben im Restaurant eine gutbürgerliche Küche», sagt Schneider. Doch der Plan geht nicht auf, die Küche kommt nicht wie gewünscht an. «Am Ende entschieden wir uns, das Konzept vom Grossen Alexander hierher zu verlegen.»
Kebab darf man von Hand essen. Jetzt läuft es nach Plan. Das «Paradies» kommt bei den Gästen an. «Natürlich gibt es noch Leute, die die weissen Tischdecken vermissen. Oder unseren Kebab mit Messer und Gabel essen, obwohl wir explizit darauf hinweisen, dass man ihn von Hand essen darf. Wir hatten auch schon eine schlechte Google-Rezension, weil es keine Parkplätze gibt. Mitten in der Altstadt im Fahrverbot», erzählt Schneider. «Früher habe ich mir solche Dinge zu Herzen genommen, heute kann ich darüber lachen.» Der Kebab hat sich zu einem Signature Dish entwickelt, der es immer wieder ins Menü schafft. Aktuell wird das Weggli mit Schweinebauch, Miso-Mayo und selbstgemachtem Kimchi gefüllt und mit gepoppter Schweinehaut und Frühlingszwiebeln getoppt. «Ein Türke wäre mit meiner Version vermutlich nicht einverstanden. Aber genau deshalb habe ich mich selbständig gemacht. Damit ich machen kann, was ich will!»