Text: Siméon Calame
Sie scheinen eine besondere Beziehung zur Schweiz zu haben. In Ihrem Buch «Simple» haben Sie sogar ein Rezept für «Brunsli», den berühmten Basler Weihnachtsguetzli, veröffentlicht.
Ja, das ist richtig. Ein sehr schönes Weihnachtsrezept! Es besteht aus einer Wolke von Gewürzen und ist ein Gebäck, das gut zu meiner kulinarischen Identität passt. Eines meiner Lieblingsrezepte im Buch!
Sie eröffnen Mitte nächstes Jahr im Swiss Deluxe Hotel «Mandarin Oriental Geneva» ein Restaurant. Was dürfen wir im «ROVI» erwarten?
Wie in London werden wir auch in Genf mit lokalen Produzenten zusammenarbeiten und Gemüse und Kräuter aus der Region von hoher Qualität einkaufen. In unseren «ROVI« setzen wir ja hauptsächlich auf Pflanzen, Grill und Fermentationen.
Wie wollen Sie sich in einer internationalen Stadt wie Genf von der Masse abheben?
Ich glaube, wir können dem ursprünglichen Ottolenghi-Stil treu bleiben. Meine Küche ist voller Kontraste, wir verfeinern unsere Grundzutaten mit Gewürzen, Kräutern und kleinen Saucen. Wir konzentrieren uns auf das, was wir am besten können: Gemüse, auf tausend verschiedene Arten.
Was ist in London Ihr Erfolgsrezept?
Die Gäste kommen zu uns, weil sie unsere kulinarische Linie als etwas Einzigartiges betrachten. Das beste Beispiel dafür ist das Sellerie-Shawarma, das seit der Eröffnung in London zum Markenzeichen geworden ist und das wir natürlich auch in Genf anbieten werden: ein Pitabrot, belegt mit gegrilltem Sellerie, einer tunesischen Würze, Sauerrahm und Chili. Ein Gericht, das viele Genießer begeistert!
Sehen Sie sich als Pionier der vegetarischen Küche in der westlichen Welt?
Nein, nicht als Pionier, eher als ein wichtiger Akteur. Seit 15 bis 20 Jahren machen wir die vegetarische Küche in der westlichen Welt zugänglich. In vielen Kulturen steht die Pflanzenwelt im Mittelpunkt des Tellers, im Westen weniger. Ich trete für eine bewusste Ernährung ein, indem ich auf «Flexitarismus» setze, um einen modernen Begriff zu verwenden. Ich räume pflanzlichen Lebensmitteln im Vergleich zu Fleisch und Fisch einen immer größeren Platz ein. Auf meinen Speisekarten liste ich zuerst Gemüse, erst dann Fisch und Fleisch.
Sie haben mit Ihren Büchern grossen Erfolg, wir haben alle viel von Ihnen gelernt. Bieten Sie in Genf auch Kochkurse an?
Das ist nicht geplant, aber wer weiss? Wichtig ist, dass wir zwischen den einfacheren Gerichten in den Büchern und den anspruchsvolleren Gerichten in unseren Restaurants klar unterscheiden.
Ihr neuestes Buch heisst «Comfort» und widmet sich dem Thema «Comfort Food».
«Comfort Food» ist ein sehr persönliches Konzept, und meine Definition ist ein wenig kompliziert. Für mich ist es eine Geschichte von Emotionen, Nostalgie und Erinnerungen. Das war eine zentrale Frage beim Schreiben dieses Buches, denn wir sind vier Co-Autoren und jeder hat seine eigene Geschichte, seine eigene Beziehung zum Essen. Dennoch gibt es einige Zutaten, die kulturübergreifend sind und die den Begriff des tröstlichen Essens gut charakterisieren. Ich denke da vor allem an Nudeln und Nudelgerichte. Neben den Zutaten spielen auch die Texturen eine Rolle bei diesem Konzept, was ich anhand von Poulets veranschaulichen möchte. Wir genießen es in der Brühe, gebraten, mit knuspriger Haut, im Salat, zart.
Sie pendeln zwischen Büchern und Restaurant-Eröffnungen. Sind Sie eigentlich noch Koch?
Es ist wirklich lange her, dass ich in einem meiner Restaurants gekocht habe. Allerdings verbringe ich viel Zeit in der Testküche, um an den Rezepten für die Bücher zu arbeiten. Ich sehe mich als Vermittler zwischen Berufswelt und Alltag.
Streben Sie im «Mandarin Oriental Geneva« nach Sternen und nach einem Eintrag im GaultMillau?
Das ist nicht das Ziel und steht nicht auf meiner Prioritätenliste. Ich will meinen Gästen Freude bereiten und dafür sorgen, dass sie sich wohlfühlen. Reicht es für einen Eintrag in einen Guide, wäre das ein schöner Bonus.
www.mandarinoriental.com
www.ottolenghi.co.uk
Fotos: Dukas, Orell Füssli, DK Verlag/Jonathan Lovekin, HO