Text: Anita Lehmeier | Fotos: Christopher Alexander Kuhn

DER RESTEVERWERTER. Nachhaltigkeit ist eines der grossen Schlagworte in der Gastronomie. Was mit dem sehr abstrakten Begriff konkret gemeint ist, führte Pascal Steffen diese Woche in seinem «Roots» in Basel vor. Der «Aufsteiger des Jahres in der Deutschschweiz» mit 18 GaultMillau-Punkten und zwei Michelin-Sternen lud in sein Restaurant direkt am Grossbasler Rheinufer zur Open Kitchen ein. Mit diesem Event präsentierte sich das schweizweite Netzwerk GastroFutura; der «Roots»-Starchef ist der Botschafter des neuen Nordwestschweizer Hubs der Organisation. Wie man Nachhaltigkeit nicht nur predigt, sondern lebt, zeigten Steffen und sein Team mit einem Flying Buffet, bei dem weitgehend Reste verwertet wurden. Das Food Save Management, wie das Verwerten von «Vörigem» neudeutsch heisst, ist ein zentraler Aspekt von Nachhaltigkeit. Ebenso wichtig schätzt Steffen die enge Zusammenarbeit mit Produzenten des Vertrauens ein: «Nur Regionalität reicht nicht. Wichtig ist es auch zu wissen, wie die Arbeitsbedingungen auf einem Hof, in einem Betrieb sind», erklärt er. «In der Gastronomie muss das Unternehmerische im gesamten Prozess einfliessen, die Nachhaltigkeit weiter gedacht werden.» Am Open-Kitchen-Event war folgerichtig auch eine Handvoll Produzenten und «Roots»-Lieferanten mit ihren Spezialitäten vertreten. An improvisierten Marktständen konnten Besucher degustieren und diskutieren, ganz im Sinne von GastroFutura, deren grosses Ziel die Vernetzung aller Player im Business ist.  

Gastro Futura Event im Restaurant Roots in Basel, BS 2024

Verwertet: Forellen-Beignet mit Mayo & Frühlingszwiebeln.

Gastro Futura Event im Restaurant Roots in Basel, BS 2024

Verwertet: Pannacotta mit Schmalzcroûtons und Blattsalaten.

Gastro Futura Event im Restaurant Roots in Basel, BS 2024

Verwertet: Würzige Ramensuppe mit Pilzen & Gemüse.

«VÖRIGS» VOM BANKETT. Pascal Steffen, der seit sieben Jahren den nachhaltigen Gourmet-Genuss auf höchstem Niveau im «Roots» zelebriert, legt grossen Wert auf Ehrlichkeit. «Für den heutigen Event ist nichts gestellt, wir verwerten tatsächlich Reste von letzter Woche. Bei einer Tagung mit 250 Gästen blieben viele Gipfeli vom Frühstück übrig. Aus diesen habe ich Serviettenknödel gemacht, die wir nun als mundgerechte Karrées mit einer Sbrinz-Crème und Champignon-Scheiben servieren. Von einem Abend-Bankett, bei dem ich Wels und Kürbis auftischte, hatten wir viel Kürbis übrig. Weil sie einen speziellen Biss haben, wollte ich den Kürbis in Perlenform, nicht einfach kleingeschnitten. Wir haben also mit dem Ausstecher 1800 erbsengrosse Perlen herausgepult.» Aber nur weil er wusste, dass er die Abschnitte der Kürbisse weiterverwenden könne, gab es die Perlen: «Aus den Rüstresten haben wir einen Kürbiskuchen gebacken, ähnlich wie einen Rüeblikuchen.» Aus den Abschnitten der Forelle, deren Filetstücke fürs «Roots»-Menü verwendet werden, formte Steffen nussgrosse Kugeln und frittierte diese zu mundgerechten, knusprigen Beignets. Und aus den Erbsen-Hüllen gabs ein aromatisches, flauschiges Panna Cotta. Und sollten von den vielfarbigen, rohen Gemüsestängeln, die mit einem Quark-Dip kamen, einige übrig bleiben, hat das «Roots»-Team noch weitere Ideen zur Weiterverwertung. 

Gastro Futura Event im Restaurant Roots in Basel, BS 2024

Pastete und Terrine aus dem Fleisch von Legehennen – produziert von der Metzgerei Jenzer.

MEHR VOM TIER. Ein Produzent, der wie Steffen gesteigerten Wert auf Nachhaltigkeit legt, ist der Birsmattehof in Therwil BL, ein grosser Player in der Region. Mit dem Bio-Hof arbeitet Steffen, der schon früh auf mehr Gemüse, weniger Fleisch setzte, von Anfang an zusammen. «Eine persönliche Beziehung ist das A und O», ist Alexander Tanner vom Birsmattehof überzeugt. Ebenfalls zu den langjährigen Lieferanten gehört die Metzgerei Jenzer. Der Familienbetrieb hat 25 Spezialitäten im Angebot gegen Food Waste: So wird etwa das Fleisch von Legehennen verwertet, quasi ein Pendant zur Verwertung von Bruderhähne. Die Pastete «Coc au Vin» ist die Maturarbeit von Sohn Raffael Jenzer, eine echte Innovation. Die Metzg mit drei Filialen im Baselland verarbeitet auch Innereien, das Fett ihrer Freilandsäuli kommt in den Teig von Terrinen oder als Griebenschmalz aufs Brot. Zu den Hoflieferanten vom «Roots» gehört micht zuletzt der Leimenhof in Wenslingen BL. Hülsenfrüchte, Wagyu und Öle werden auf dem 65-Hektaren-Hof produziert, dem Betrieb folgen 27'000 Leute auf TikTok und Youtube. René Ritter vom Leimenhof hatte am Tag der Open Kitchen eine Lieferung von Rindszungen fürs «Roots» dabei – Pascal Steffen hat da so eine Idee, wie er die überraschend zubereiten kann.  

Gastro Futura Event im Restaurant Roots in Basel, BS 2024

Hält und hegt den Salat wie ein Baby: Alexander Tanner, Birsmattehof.

Pascal Steffen

Mit Nachhaltigkeit ist es ihm ernst: Starchef Pascal Steffen.

Barbara Jenzer

Sie vertrat die nachhaltige Bio-Metzgerei der Familie: Barbara Jenzer.

FLÜSSIGES & TOFU. Ganz auf der Linie von GastroFutura liegt die Organisation Wasser für Wasser, die den umweltfreundlichen Konsum von Hahnenwasser in der Gastronomie propagiert. Projektleiter Andy Oggier erklärte den anwesenden Fachleuten mit Verve dieses Sozialprojekt. Hochstamm Liestal war an der Open Kitchen im «Roots» mit sortenreinen Apfelsäften vertreten: Adrian und Judith Schäfer Tobler pflegen seit zwölf Jahren rund 270 Hochstammbäume, deren Früchte alle sortenrein gepresst, abgefüllt und vermarktet werden. Rund 50 Mostflaschen mit den Säften in allen Goldtönen hatte Adrian Tobler mitgebracht. Aus der «Roots»-Nachbarschaft eingeladen waren Thomas Heiber und Jinhee Park. Das Paar stellt auf dem Klybeckareal seit vier Jahren erstklassigen Tofu nach koreanischem Rezept und aus ausschliesslich Schweizer Zutaten her. Zu den ersten Kunden der Tofurei Tuyu gehörte Tanja Grandits, auch Pascal Steffen ist Fan der Manufaktur. Ebenso von der Brauerei Ferment. Die Brauerin Caroline Kulangara, eine ausgebildete Mikrobiologin, stellt mitten in Basel hochwertige Sojasaucen her. Die Faszination für Fermentationsprozesse teilt sie mit dem Spitzenkoch Steffen. Mit dem ersten Event von GastroFutura waren Projektleiter Markus Hurschler und Initiant Andi Handke sehr zufrieden. Für die Zukunft des jungen Vereins wünschen sie sich genügend zahlende Mitglieder, um weitere Netzwerkanlässe bieten zu können, auch Beratungen und Kurse für interessierte Gastronomen, die auf die Karte konsequent Nachhaltigkeit setzen wollen. 

 

www.gastrofutura.ch 

www.roots-basel.ch