Interview: Kathia Baltisberger Fotos: Ingo Pertramer

Herr Ivić, Sie kochen in einem rein vegetarischen Restaurant auf 17-Punkte-Niveau und das in der Schnitzel-Hauptstadt. Wie kann man da überleben?
Das war am Anfang natürlich eine riesige Herausforderung, in diesem Rahmen ganz fleischlos zu kochen. Aber wir haben in den vergangenen sieben Jahren unglaublich viel geleistet und dadurch, dass wir den Fokus auf Geschmack setzen, können wir auch in Wien ganz gut überleben.

 

Lange war Gemüse eine tolerierte Beilage. Was hat sich in den Köpfen der Menschen geändert, dass Gemüse auch die Hauptattraktion auf dem Teller sein kann?
Ich glaube nicht unbedingt, dass sich etwas geändert hat, sondern dass sich ein besseres Bewusstsein entwickelt hat. Aber es ist schon auch den Köchen zu verdanken, dass vegetarische Gerichte entstaubt wurden und Gemüse weit mehr als eine Beilage ist. Wir reden hier über Vielfalt.

 

Dann vermisst bei Ihnen kein Gast das Fleisch?
Nein, jeder der einmal hier war, weiss, dass auf dem Teller nichts fehlt. Aber diese Einstellung, dass es Fleisch braucht für ein "vollkommenes" Gericht, das hat auch mit der Geschichte und der Industrie zu tun. Fleisch hatte immer das Image von etwas Besonderem, weil man es sich häufig nicht leisten konnte. Dabei findet man heute den billigsten, wertlosesten Dreck in den Läden und trotzdem glaubt man, dass das etwas Besseres ist.

Paul Ivic Tian Wien vegetarisches Restaurant

Fine Dining in lockerer Atmosphäre: das «Tian» in Wien.

Paul Ivic Tian Wien vegetarisches Restaurant

«Prinzessin auf der Erbse»: frische Erbsen, bunter Rettich und Verjus.

Beim Gemüse ist das besser?
Überhaupt nicht. Gemüse ist nicht automatisch gutes Gemüse. Aber mit ein bisschen gesundem Menschenverstand, kauft man nichts aus Massenproduktion und kein Gemüse von Bauern, die Pestizide einsetzen. Wir im «Tian» suchen einfach die beste Qualität - und da gehen wir auch keine Kompromisse ein!

 

Leaf to root ist bestimmt auch ein Thema in Ihrer Küche?
Das ist bei uns einfach etwas ganz Alltägliches. Das hat mit Respekt vor dem Produkt und dem Produzenten zu tun. Damit muss man sich beschäftigen, es soll aber kein Marketing-Gag sein.

 

Welche Gemüsesorten sind zurzeit so Ihre Favoriten?
Dadurch dass wir saisonal kochen, habe ich pro Jahr zwölf verschiedene Favoriten. Ich bin immer froh, wenn wir Abwechslung auf der Karte haben. Momentan freue ich mich auf die Spargeln und die Morcheln. Was gibt es 2018 für Gemüse-Trends oder Neuheiten? Ich verfolge keine Trends, das interessiert mich nicht. Ich rede einfach mit meinen Produzenten, die zeigen mir dann schon, wenn sie neue Produkte haben.

Paul Ivic Tian Wien vegetarisches Restaurant

Keine Sorge, liebe Veganer: «Sunny Side Up» kommt auch ohne tierische Produkte aus.

Paul Ivic Tian Wien vegetarisches Restaurant

Die Vogelmiere ist eigentlich ein Unkraut. Aber nicht bei Paul Ivić. Er kombiniert das Kraut mit Lakritze.

Essen Sie selbst Fleisch?
Ja, aber ich ernähre mich vielleicht zu 80 Prozent pflanzlich. Gerade wenn ich gute Kollegen wie Stefan Heilemann besuchen gehe, dann freue ich mich auf die Fleisch- und Fischgerichte, weil ich weiss, dass da die Qualität stimmt. Aber ich will hauptsächlich gut essen.

 

«Prinzessin auf der Erbse» oder «Sunny Side up» – Ihre Gerichte haben lustige Namen.
Ja, wir wollen nicht immer so ernsthaft sein. Und die Menüsprache ist ja jeweils sehr reduziert. «Sunny Side up» ist ein veganes Dessert. Und weil die Veganer ja keine Eier essen, waren wir ein bisschen zynisch und gaben dem Gericht den Namen eines typischen Eiergerichts.

 

>> Paul Ivić kocht am 8. April bei Stefan Heilemann im «Ecco» (Hotel Atlantis by Giardino) für den Event «Ecco All Stars». Christian Kuchler («Taverne zum Schäfli», Wigoltingen) übernimmt am 22. April. Das Duo Sebastian Zier und Moses Ceylan («Einstein Gourmet», St. Gallen) kocht am 20. Mai. www.tian-restaurant.com

 

>> Reservation

 

>> Hotel Atlantis by Giardino
Restaurant Ecco
Döltschiweg 234
8055 Zürich

www.atlantisbygiardino.ch